Wien/Antwerpen. Nach einer Phase der Stagnation ist die Diamantenbranche – so der kürzlich veröffentlichte Diamanten Report von Bain & Co und dem Antwerp World Diamond Center – im Jahr 2017 um zwei Prozent gewachsen. Die Ausbeute in den Minen stieg nach acht vergleichsweise schwachen Jahren um fast 20% auf 151 Mio. Carat, was sich allerdings aufgrund relativ schwacher Nachfrage in ähnlichem Umfang bei den Umsätzen bemerkbar machte. Das änderte sich dann im Vorjahr. Der Output blieb mit 147 Carat hoch, gleichzeitig stiegen die Preise, da zunehmend größere und qualitativ hochwertigere Steine gefragt waren.
Nachfrage steigt …
Insbesondere in den USA und in China – hier hatte die Nachfrage seit 2013 stagniert – hat Diamantschmuck viele neue Fans gefunden, vor allem bei den Millennials und da ganz besonders bei Frauen, die sich ihren Schmuck zunehmend selbst kaufen. Auch in Europa und Japan werden wieder mehr der funkelnden Pretiosen verkauft, und selbst in Indien zeigen sich jetzt erste Anzeichen für eine Erholung des Marktes.
Belebt wird das Geschäft einerseits durch die seit 2017 wieder insgesamt positive Entwicklung des Luxusmarkts, andererseits scheint auch die vor zwei Jahren von der Diamond Producer Association gestartete große Imagekampagne „Real is Rare. Real is a Diamond” zu fruchten.
Laut einem im März veröffentlichten Report des russischen Minenbetreibers Alrosa stiegen die weltweiten Umsätze mit Diamantschmuck im Vorjahr um vier Prozent auf 85,9 Mrd. USD.
… in vielen Märkten
Auch Österreichs Top-Juweliere sind zufrieden: „Die Nachfrage nach Diamantschmuck ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Das freut uns natürlich sehr, da wir mit unserem hauseigenen Atelier auch spezielle Wünsche erfüllen können”, sagt Anton Heldwein, Inhaber des Wiener Traditionsgeschäfts am Graben. Gefragt seien vor allem kleinere Schmuckstücke und der Diamantring zur Verlobung. „Bei diesem Thema hat Österreich mittlerweile mit den USA gleichgezogen.”
Bei Bucherer läuft das Geschäft ebenfalls glänzend. „Der Ring war, ist und bleibt der Favorit, besonders zur Verlobung. Später wird dann auch der passende Ohrschmuck und eventuell ein Anhänger gekauft. Beim Schliff ist der Brillant der Favorit, d.h. der rund geschliffene Diamant”, erklärt Hans Peter Jucker, Österreich-Geschäftsführer von Bucherer.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei A.E. Köchert. „Der Diamantschmuck liegt weiter hoch im Kurs. Beim Verlobungsring ist der Diamantsolitär nach wie vor die Nummer eins. Dabei scheint sich der Trend aus den USA, dass der Verlobungsring den Wert von drei Monatsgehältern des Bräutigams widerspiegeln soll, durchzusetzen”, sagt Christoph Köchert. „Das klassische, große Diamantcollier ist momentan nicht so stark gefragt, sehr wohl aber der Diamant-Solitär als Anhänger, in letzter Zeit gerne auch wieder in Herzform geschliffen.”
Mehr Transparenz
Möglichst hohe Transparenz ist mittlerweile nicht nur bei den Edelsteinen wichtig, sondern zunehmend auch in der Lieferkette. Denn wie verschiedene Analysen zum generellen Kaufverhalten der jungen Luxuskonsumenten gezeigt haben, legen diese großen Wert darauf, zu erfahren, woher die Produkte stammen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden.
Zwar konnte durch den im Jahr 2000 gestarteten Kimberley Process der Großteil der Blutdiamanten vom Handel ferngehalten werden, doch in den letzten Jahren wurden auch immer wieder kritische Stimmen laut und es wurde gefordert, das Programm in Richtung „Friedensdiamanten” zu entwickeln und die Zertifizierung der Rohdiamanten um soziale und ökologische Kriterien zu ergänzen.
Mit dem diesen April gestarteten Diamonds from DTC-Programm geht de Beers bereits in diese Richtung. DTC ist die Diamantenhandelssparte von de Beers und eine in der Branche anerkannte Bezeichnung, die jetzt erstmals auch die Kunden von de Beers als Qualitätshinweis für Steine aus ausgewählten Minen in Südafrika, Botswana, Namibia und Kanada verwenden dürfen. Detaillierte Informationen zu ökologischen und sozialen Maßnahmen, die in und rund um diese Minen gesetzt werden, liefert die DTC-Website, mit der jeder Stein verlinkt ist.
„Indem wir unseren Kunden ermöglichen, die Herkunft der Steine zu veröffentlichen, wollen wir mehr Transparenz in der gesamten Wertschöpfungskette schaffen”, erklärt de Beers-Geschäftsführer Bruce Cleaver.
Vor ziemlich genau einem Jahr hatte de Beers erstmals auch per Blockchain-Technologie 100 hochwertige Diamanten von der Mine bis zum Einzelhändler entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette lückenlos verfolgt. Nach diesem erfolgreichen Test wurde die Tracr-Plattform offiziell gestartet, und mittlerweile sind auch wichtiger Player wie der russische Minenbetreiber Alrosa sowie zwei der weltweit größten Diamantschmuckhändler, nämlich Chow Tai Fook aus China und Signet Juwelers aus den USA, dem Programm beigetreten.
Sinkende Fördermengen
Überhaupt ist die Digitalisierung jetzt auch in der Diamantenbranche angekommen und hat für eine Reihe von Neuerungen gesorgt.
Von autonomen Fahrzeugen, vollautomatischen Sortieranlagen oder Predictive Maintenance in den Minen, über Computerprogramme, die den jeweils optimalen Schliff berechnen, und Hightech-Geräte zum Schleifen und Bewerten der Steine, 3D-Druck in der Schmuckherstellung, vollautomatische Prozesse zum Fassen von Diamanten bis zu Big Data-Anwendungen im Marketing, E-Commerce und smarten Tools in den Juweliergeschäften.
Diamanten-Recycling
Daneben gibt es noch zwei weitere Themen, die die Diamantenbranche künftig stark beeinflussen werden.
Zum einen ist das die Endlichkeit der Diamantenvorkommen. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte werden einige der ertragreichsten Minen erschöpft sein. Gleichzeitig sind derzeit keine großen neuen Diamantenvorkommen entdeckt worden. Das wird mittelfristig zu einem sinkenden Angebot und deutlichen Preissteigerungen führen.
Diamantenrecycling ist eine Möglichkeit, um die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage künftig zumindest teilweise zu schließen. Schätzungen zufolge werden auf dem Zweitmarkt derzeit zwischen zwei und vier Mio. Carat gehandelt und es wird damit gerechnet, dass die Menge pro Jahr um rund 150.000 Carat steigen wird.
In etwa der selben Größenordnung liegen laborgezüchtete Diamanten, allerdings sind die Zuwachsraten wesentlich höher. Der Bain-Report schätzt, dass – vorausgesetzt, die Produktionskapazität behält das aktuelle Tempo bei – die verfügbare Menge 2030 10 bis 17 Mio. Carat betragen wird.
Labor-Edelsteine …
Grundsätzlich sind Labor-Diamanten keine neue Erfindung, für industrielle Anwendungen werden sie bereits seit den 1970er-Jahren in großem Stil produziert. Durch die Weiterentwicklung der technischen Verfahren ist mittlerweile auch die Herstellung größerer und hochwertiger Steine in Schmuckqualität möglich. Zudem sind die Herstellungskosten drastisch gesunken – beim CVD-Verfahren von 4.000 USD pro Carat im Jahr 2008 auf derzeit 300 bis 500 USD.
Entsprechend gestiegen ist in den letzten Jahren die Zahl der Anbieter. Selbst de Beers ist im Vorjahr auf diesen neuen Zug aufgesprungen und hat die Marke Lightbox gelauncht.
Swarovski hatte bereits 2016 seine erste Kollektion von Schmuckstücken aus 18karätigem Gold mit Labor-Diamanten auf den Markt gebracht und das Sortiment seither weiter ausgebaut; Testimonial für die Kollektion ist Penelope Cruz.
Auch andere Hersteller setzen auf prominente Namen, um vor allem die junge Zielgruppe für die Hightech-Diamanten zu begeistern. Diamond Foundry fand mit Leonardo DiCaprio einen prominenten Promotor und Investor, TV-Star Camila Mendes trug zu den People Choice Awards im Vorjahr ein Collier mit einem 5,01 Carat großen pinkfarbenen Diamanten von Clean Origin, und Meghan, die Herzogin von Sussex, wurde Anfang des Jahres mit Diamantohrringen aus dem Labor der Londoner Marke Kimai gesichtet.
… gewinnen an Bedeutung
Welche Auswirkungen die Hightech-Steine auf den Diamantenmarkt haben werden, wird davon abhängen, ob die Marketing- und Werbekonzepte der Produzenten natürlicher Diamanten oder jene der Labor-Diamanten die vor allem jungen Kunden mehr überzeugen. Beide Seiten setzen auf jeden Fall stark auf die Themen Ökologie, Nachhaltigkeit und soziale Fairness.
„Die Frage der Nachhaltigkeit gestaltet sich allerdings als kompliziert. Die Produzenten von natürlichen Diamanten verweisen auf die sozialwirtschaftlichen Vorteile für die Bevölkerung und Länder, was auch ökologische Initiativen zum Schutz der Tierwelt und die Wiederherstellung von abgebautem Land betrifft”, meint Nils Maydell, Experte für Schmuckmarketing. „Auf der anderen Seite ist eine ökologische Einschätzung der neuen Industriesparte der laborgezüchteten Diamanten noch schwierig. Wird zum Beispiel der große, für die Herstellung benötigte Energiebedarf über erneuerbaren Strom gespeist? Insofern setzen die jungen Unternehmen auf Transparenz, wie zum Beispiel Diamond Foundry, dessen Produktionsprozess als kohlenstoffneutral zu zertifizieren ist.”
Klare Trennung notwendig
Heldwein glaubt, dass den Kunden – wie in anderen Bereichen auch – Nachhaltigkeit und Ökologie tatsächlich aber längst nicht so wichtig sind, wie man vielleicht glaubt. Chancen für die Labor-Diamanten sieht er schon: „Es mag schon sein, dass es manchen Konsumenten nicht so wichtig ist, ob der Diamant natürlich ist oder aus dem Labor kommt.”
Wichtig sei auf jeden Fall, dass die Herkunft klar ist: „Dafür haben wir auch ein spezielles Gerät des Gemmological Institute of America angeschafft, das eine eindeutige Unterscheidung möglich macht.”
Auch bei Bucherer sind Labor-Diamanten kein Thema, allerdings verteufelt sie Jucker auch nicht: „Es geht hier einfach um eine grundsätzliche Philosophie für den Käufer. Wenn er sichergehen kann, dass er mit einem Labor-Diamant auch Freude beim Beschenkten auslösen kann, warum nicht.” Klar im Vorteil sieht er den Naturdiamanten, wenn es um das Thema Werthaltigkeit geht.
„Schmuck und Edelsteine sind ein sehr emotionales Thema. Daher sind Echtheit und Originalität sehr wichtig. Ein bewusster Kunde wird sich immer für die Natur entscheiden”, ist Köchert überzeugt. „Es gibt schon seit Jahrzehnten synthetisch hergestellte Rubine und Saphire, die im Vergleich zu den echten Steinen keine nennenswerte Bedeutung haben. Das wird auch bei den Diamanten so bleiben.”
Dass große internationale Diamantschmuckmarken wie Tiffany, Cartier, Piaget oder Messika künftig Labor-Diamanten verwenden, ist aus heutiger Sicht mehr als unwahrscheinlich.
Neue Möglichkeiten …
Zum Einsatz kommen werden sie vor allem im Modeschmuck-Sektor, wobei aber schon in den letzten Jahren eine klare Trennung – Echtschmuck hier, Modeschmuck da – immer schwerer möglich ist. Da gibt es Goldschmuck mit synthetischen Steinen ebenso wie Edelstahlschmuck mit echten Diamanten und alle möglichen Spielarten dazwischen. Und in der Fine Jewellery-Kollektion von Atelier Swarovski verschwimmen die Grenzen gleich gänzlich, da in etlichen Schmuckstücken Labor-Diamanten zusammen mit natürlichen Edelsteinen ganz gleichberechtigt funkeln.
Unabhängige Schmuckdesigner im Luxussegment, wie zum Beispiel Stephen Webster oder Paige Novick, die eine sehr trendige und moderne Designlinie verfolgen, haben, anders als die großen Brands, bereits jetzt keine Berühungsängste mit den Diamanten aus dem Labor. Beide haben für Atelier Swarovski eine Kollektion entworfen.
… im Schmuckdesign
„Gelingt es, die natürlichen Diamanten klar von im Labor gezüchteten Steinen abzugrenzen, indem Letztere beispielsweise als Modeschmuck verkauft werden, dürfte sich der negative Einfluss der Kunstdiamanten auf das Marktwachstum nicht wesentlich auswirken. Im Gegenteil, gute Qualitäten des natürlichen Diamanten werden dadurch stärker an Wert gewinnen”, ist Maydell überzeugt. „Der günstigere Preis des laborgezüchteten Diamanten schafft auf jeden Fall neue, attraktive Möglichkeiten, herausragende Designs zu gestalten und auch umzusetzen. Vielleicht ist das der zeitgemäße Blickwinkel, der künftig eine wichtige Rolle spielen wird.”
Insofern könnten die Labor-Diamanten dem Schmucksektor wirklich ganz neue Facetten verleihen. Auf jeden Fall wird die Branche für alle Beteiligten – von den Minenbetreibern und Produzenten von Labor-Diamanten über die Schleifer und Händler bis zu den Kunden – spannend bleiben.