Wien/Köln. Für den weltweiten Luxusmarkt verzeichnet die jüngste Untersuchung von Bain & Comp. ein Plus von immerhin 4% auf rund 1,08 Bio. €. Neben Nobelkarossen (+8%) boomen vor allem die Erlebnis- und Genuss-Bereiche wie Kreuzfahrten, hochwertige Lebensmittel, Wein und Spirituosen. Das Geschäft mit teuren Konsumartikeln stagniert trotz überdurchschnittlicher Zuwächse bei Accessoires, Schmuck und Kosmetik dagegen bei 249 Mrd. €. Verantwortlich dafür ist eine rückläufige Entwicklung des Uhrensektors
Dies spiegelt sich auch in den aktuellen Zahlen des Verbands der Schweizer Uhrenindustrie wider: Insgesamt fiel deren Umsatz mit 19,4 Mrd. CHF (rd. 18 Mrd. €) um knapp 10% niedriger als 2015 aus; betroffen war vor allem das Luxussegment. Bei den Edelmetalluhren lag der Rückgang bei 18,5%, bei Uhren mit einem Verkaufspreis von mehr als 3.000 CHF betrug das Minus 11,6%.
Luxus for less
Daraus aber eine allgemeine Krise der Branche abzuleiten, ist ebenso übertrieben wie falsch. Vielmehr zeigt sich eine immer deutlichere Polarisierung mit Gewinnern und Verlierern. Unter der ersten Gruppe sehen Branchenexperten vor allem solche Luxusmarken, die bei ihrer Sortimentspolitik auf ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis und einen niedrigen Protz-Faktor setzen. Ein gutes Beispiel dafür ist die zum Richemont-Konzern gehörende Marke Montblanc (Details dazu auf Seite 12).
Dass Luxus for Less zunehmend in den Fokus der Hersteller tritt, zeigen die am SIHH bzw. der gestern, 23. März, gestarteten Baselworld gezeigten Neuheiten.
Die neue Cartier Panthère kostet 3.750 €, Breitlings neue Colt Skyracer liegt bei unter 2.000 €, die Einsteigermodelle von Baume & Merciers Clifton Club-Serie unter 3.000 €. Submersible-Taucheruhren von Panerai sind ab 7.900 € zu haben, die Da Vinci Automatic von IWC gibt es mit Lederarmband schon ab 5.900 €, und für die Edelstahlversion der Tonda 1950 von Parmigioni sind 8.950 € fällig.
Neuzugang aus Österreich
Im mittleren vierstelligen Preissegment liegt auch das auf 22 Stück limitierte erste Modell eines neuen Players am zurzeit etwas holprigen Uhrenparkett. Vorgestellt wurde die „Waltz Nº1” Anfang Februar im Wiener Looshaus.
Robert Punkenhofer, die treibende Kraft hinter der Wiedererweckung von Carl Suchy & Söhne, zwischen 1822 und 1918 der führende Uhrenhersteller der Österreichisch-ungarischen Monarchie, gibt auch gern zu, dass der Preis mit 5.900 € extrem niedrig angesetzt ist: „Wir bekommen von Experten das Feedback, dass diese Uhr in der sehr limitierten Auflage und in dieser Qualität im Retail eher bei 10.000 bis 12.000 Euro liegen sollte.”
Aber Geld verdienen stand bei diesem Projekt von Anfang an nicht im Vordergrund.
„Unsere primäre Intention ist es, diese fantastische, sich über drei Generationen spannende Familien- und Unternehmensgeschichte vor dem Vergessen zu bewahren”, erläutert Punkenhofer. „Carl Suchy war der bekannteste Uhrmacher der Donaumonarchie und auch die einzige österreichische Luxusuhrenmarke. Zu den Kunden gehörten unter anderem Siegmund Freud und Kaiser Franz Josef. Uns ging es primär darum, dieses Unternehmen wieder wach zu küssen. Auch wenn wir jetzt bei der ersten Uhr nichts verdienen.”
Kleine, feine Nische
Insgesamt drei Jahre dauerten die Vorarbeiten bis zum Launch. Wie viel Geld in die Wiederauferstehung der Marke geflossen ist, will Punkenhofer nicht verraten: „‚Meaning is more than money', das ist unsere Devise – auf jeden Fall habe ich in dieses Projekt meine gesamten Ersparnisse gesteckt, und es ist natürlich sehr viel Herzblut und Leidenschaft in die Waltz 1 geflossen – besonders von unseren Designern und Uhrmachern, die ihr Bestes gegeben haben.” Und auf das Ergebnis ist man zu Recht stolz. Inspiriert von der Wiener Moderne und deren Stararchitekt Adolf Loos, zeigt sich die „Waltz Nº1” in einer minimalistischen Ästhetik.
„Die Verbindung aus Wiener Eleganz und Schweizer Präzision ist einzigartig. Und dann natürlich noch kleine Details wie zum Beispiel der Sekundenzeiger in Form einer Walzerscheibe. Wien ist eben keine Speed City, wo jede Sekunde zählt”, so der Carl Suchy-Chef.
Viel Potenzial
Ob der Launchtermin angesichts der aktuellen Marktlage nicht etwas ungünstig ist? Ja, aktuell befinde sich die Uhrenbranche in einer schwieriger Phase, aber „jede Krise bietet auch Chancen, vor allem für Nischenanbieter. In den Boomzeiten wäre es sicher schwieriger gewesen, die besten Lieferanten der Welt für unser Projket zu gewinnen”, so Punkenhofer zum Timing.
Kooperationspartner sind die Schweizer Uhrenmanufaktur Vaucher Manufacture Fleurier und Marc Jenni, Mitglied der renommierten Académie Horlogère und einer der wenigen unabhängigen Luxusuhrenmacher weltweit.
Derzeit arbeitet das Team bereits am nächsten Streich, parallel werden Investoren gesucht, um das Projekt voranzutreiben. Denn der rasche Verkauf der ersten Serie habe, so Punkenhofer, gezeigt, dass entsprechende Nachfrage da ist: „Unsere Zielgruppen sind Menschen wie ich, die an Kultur interessiert sind, international und weltoffen denken, die konservativsind, dabei aber in Kunst, Kultur und Design auch radikalen Konzepten gegenüber aufgeschlossen sind, die keine protzige Rolex tragen möchten, sondern das Besondere, das Seltene schätzen. Das Konzept der sehr starken Limitierung werden wir daher beibehalten. Auch die nächste Kollektion wird nicht mehr als 50 Uhren umfassen.”
Auch der US-Designer Tom Ford hält gerade jetzt den Zeitpunkt für gekommen, sein Sortiment um Uhren zu erweitern.
Kooperationspartner sind Fossil-Gründer Tom Kartsotis mit seiner 2003 gegründeten Private-Equity-Gesellschaft Bedrock Manufacturing Co, die vor allem in US-amerikanische Manufakturen investiert. Produziert werden die Tom Ford-Uhren, die sich durch Handwerkskunst, Detailreichtum und Qualität auszeichnen sollen, allerdings in der Schweiz. Anders als das Gros der Fashionbrands, bei deren Zeitmesser weniger die technische Raffinesse, sondern mehr der modische Faktor im Vordergrund steht, scheint Ford eher auf traditionelle Uhrmacherkunst setzen zu wollen.
Klassiker sind gefragt
Wie sich die neuen Player behaupten werden, wird sich zeigen. Gut im Rennen liegen laut Philipp Man, Gründer und CEO des auf Vintage- und Second Hand spezialisierte Onlineportals Chronext, auf jeden Fall die Oldies.
„Die Nachfrage nach Vintagemodellen steigt schon aufgrund der stabilen Wertanlage. Unsere Bestseller sind Klassiker wie etwa die Rolex Submariner Date, die Rolex GMT Master II, die Omega Speedmaster Moonwatch Professional, die Omega Seamaster Diver 300m oder die Tudor Heritage Black Bay”, erläutert Man, der Anfang des Jahres vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes zu einem der 30 innovativsten Unternehmer unter 30 Jahren in Europa gekürt wurde.
„Bevor wir mit Chronext gestartet sind, waren Luxusuhren im eCommerce eher eine Seltenheit, vor allem in der D-A-CH-Region. Grundsätzlich ist der Onlinehandel die Zukunft, und viele Käufe von Luxusgütern werden in den nächsten Jahren im Netz abgewickelt, davon gehen wir fest aus. Aber auch der stationäre Handel ist in dieser Branche ein enorm wichtiger Faktor”, so der Uhrenexperte weiter.
Daher betreibt Chronext seit 2015 neben dem Online-Geschäft auch eine Boutique in London.
„Auch dort verzeichnen wir eine steigende Anzahl an Verkäufen und planen daher weitere Boutiquen in anderen Ländern”, verrät Man.
Service zahlt sich aus
Chronext punktet bei Uhrenfreunden aber nicht nur mit seinem feinen Sortiment, sondern auch mit dem professionellen und schnellen Service. In der hauseigenen, zertifizierten Werkstatt, die jede Uhr für Echtheitsprüfung und eventuell notwendige Aufarbeitung vor der Aufnahme in das Sortiment durchläuft, kümmert man sich auch um Kundenaufträge – vom Bandwechsel bis zur aufwendigen Reparaturen. Und das ist ein wachsender Markt. Denn in den Boomjahren, als sich Luxusuhren wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln verkauft haben, hatten es etliche Marken verabsäumt, ihr Aftersales-Service an die höheren Stückzahlen anzupassen.
„Oft sind die Wartezeiten zu lang, und der Service ist zu teuer. Stellen Sie sich vor, Sie fahren einen Bentley und müssen sechs Monate auf einen Ölwechsel warten – das passt nicht zu einem Luxusprodukt. Wir haben das erkannt und arbeiten tagtäglich daran, unseren Kunden den bestmöglichen Service zu bieten. Tatsächlich ist das Angebot unserer Werkstatt einer unserer größten Wachstumsfaktoren”, sagt Man und verrät abschließend noch seine persönliche Einschätzung der Uhrentrends für heuer: „Wir werden zunehmend dunkle Zifferblätter sehen, vor allem in Schwarz und Dunkelblau. Eine weitere Farbe, die wir uns für 2017 merken sollten, ist Bronze. Die Designs sind, wie bereits im Vorjahr, eher clean, schlicht, minimalistisch und von Understatement gezeichnet. Darüber hinaus erwarten uns vermehrt Modelle mit sichtbaren Uhrwerken. Bezüglich der Materialien sind Keramik-Lünetten erneut gefragt, ebenso wie Textilarmbänder.”