Wien. Schönheit muss leiden – dieses Motto gilt in der Beautymedizin zum Glück längst nicht mehr. Im Gespräch mit medianet erläutert Dermatologin Sibylle Rosenberg, wo in Sachen gutes Aussehen die Trends liegen und welche Rolle dabei die Coronapandemie gespielt hat.
medianet: Hat sich das Selbstbild betreffend Schönheit und Jugend durch die Coronapandemie verändert?
Sibylle Rosenberg: Ja. Das stetige Tragen von Mund-Nasenschutz hat einerseits den optischen Fokus im Gesicht auf die Augenpartie gerückt, andererseits haben sich viele durch verstärkte Homeoffice-Tätigkeiten öfter in den Spiegel geschaut und ihr Konterfei auch bei den Onlinemeetings lange im Bildschirm betrachtet. Das hat dazu geführt, dass beim Wunsch nach Veränderung weniger das Gesamtbild im Sinne einer umfassenden Verjüngung im Fokus stand, als vermehrt der Wunsch, einzelne als ‚Problemzonen' wahrgenommene Details im Zentrum des Interesses zu ‚bearbeiten'. Mit dem Körper war man gnädiger, bei Gesicht, Dekolleté und Händen kritischer als davor. Und durch Homeoffice sind auch etwas längere, optische ‚Auszeiten' nach einem kleinen Eingriff nicht mehr so hinderlich. Viele meiner Patientinnen konnten es sich so einteilen, dass in der Zeit im Homeoffice oder bei Terminen kritische Bereiche durch die Maske verdeckt waren. Das sind ideale Bedingungen für diskrete Metamorphosen.
medianet: Welche Makel wurden als besonders störend empfunden und welche Methoden werden zur Korrektur angewandt?
Rosenberg: Licht oder Kamera von oben verstärken die Schattenbildung im Gesicht. Augenringe, Tränensäcke, Doppelkinn, schlaffe Gesichtspartien und das abgesackte ‚Midface' werden sichtbarer. Im Alter nimmt zwar die Hautdichte ab, aber oberflächliche Fettpolster zu – was sich insbesondere als Verdickung bei der Nasolabialfalte und Hängebäckchen zeigt. Um diesen Erscheinungen effektiv entgegenzuwirken, bietet sich die Injektionslipolyse an. Sie ist eine kosmetische Methode, bei der durch Injektion des natürlichen Wirkstoffs Phosphatidylcholin Fettpolster zur Auflösung gebracht werden.
Je nach Gewebestruktur und Bedarf können zusätzlich Microfäden oder Calciumhydroxylapatit zum Einsatz kommen. Letztes besteht aus Calcium- und Phosphationen, die natürlich im Körper vorkommen und eine subtile Restrukturierung bewirken. Es ist auch ein sehr gutes Mittel zur Korrektur von Augenringen, da es kein Wasser speichert, wie Hyaluronsäure und somit keine Schwellungen verursacht. Bei Tränensäcken bieten sich abschwellende Methoden sowie spezielle Augenfädchen-Behandlungen an.
medianet: Betrifft das nur Frauen oder auch Männer?
Rosenberg: Interessanterweise hat die Nachfrage von Männern nach einer ‚erweiterten Hautpflege' in den letzten Jahren signifikant zugenommen, da sie sich durch Online-Meetings auch öfter und genauer betrachten. Sie altern jedoch etwas anders als Frauen, was auf den unterschiedlichen Hormonhaushalt zurückzuführen ist. Eine Doppelkinn- und Nasolabialfalten- sowie Augenringe-Korrektur ist bei beiden Geschlechtern gleichermaßen gefragt. Wobei ich bei Männerhaut auf deren Struktur abgestimmte Injektionsmaterialien verwende, um besonders natürliche Ergebnisse zu erzielen. Sie möchten strukturierte, aber keine prallen Gesichtszüge.
medianet: Welche Eingriffe waren in den letzten zwei Jahren besonders gefragt?
Rosenberg: Verjüngende Augen-Korrekturen sind immer ein Thema gewesen. Wobei sich durch den zumeist konzentrieren, angestrengten Blick in den Bildschirm vermehrt Zornesfalten, also kleine senkrechte Fältchen zwischen den Brauen, gebildet haben. Subtile Botox-Unterspritzungen bewirken hier einen entspannteren Blick, eventuell ergänzt durch ein Brauenlifting. Dabei bewirkt Hyaluronsäure, die in dieser Gesichtspartie etwas Struktur aufbaut plus den Volumenverlust im Schläfenbereich korrigiert, einen offeneren, jugendlicheren Blick.
medianet: Wie definieren Sie persönlich Schönheit in Bezug auf Beauty-OPs?
Rosenberg: Mir ist es ein großes Anliegen, nicht nur ausschließlich die Problemzonen zu betrachten, sondern diese immer im Kontext mit dem ganzen Gesicht zu sehen. Denn wahre Schönheit ist immer natürlich sowie harmonisch und die Summe vieler Details, die perfekt zusammenspielen. Daher ist das Ergebnis meiner Beratungen oft nicht die ursprüngliche gewünschte Behandlungsmethode meiner Patientinnen, sondern ganzheitlicher gedacht. Jeder Eingriff verändert auch alle anderen Gesichtsregionen.
medianet: Können Sie mir dafür ein typisches Beispiel nennen?
Rosenberg: Nehmen wir an, eine Kundin möchte ihre Nasolabialfalte korrigieren. Das wahre Problem sind jedoch nicht die Falten, sondern das abgesunkene Mittelgesicht. Die Nasolabialfalten aufzuspritzen, würde ein unnatürliches Ergebnis bewirken, das zudem ihre Mimik verändert. Werden stattdessen mittels einer kleinen Fettweg-Spritze die schweren Backen leicht minimiert und die Gesichtssilhouette sowie die Mundwinkel mit Hyaluron etwas restrukturiert, minimieren sich die Nasolabialfalten. Die Mundwinkel wandern freundlich nach oben, und das Gesichtsfeld ist gestrafft. Das Gesicht und die Mimik wirken natürlich und vital. Mein Credo lautet: Natürlichkeit und Authentizität der Persönlichkeit zu bewahren, aber meinen Patientinnen durch raffinierte Kombimethoden zu einem vitalen und dadurch verjüngten Hautbild und Ausstrahlung zu verhelfen.
medianet: Was sind für Sie die aktuellen schönheitsmedizinischen Trends?
Rosenberg: In Wahrheit gibt es in der letzten Zeit wenig spektakuläre, neue Errungenschaften. Die letzten beiden Jahre wurden von den Forschern genutzt, um bestehende Methoden zu perfektionieren und verschiedene Behandlungen aufeinander abzustimmen beziehungsweise zu kombinieren. So integriert beispielsweise das neueste Needling-Gerät Radiowellen, um die Effektivität zu erhöhen, und Unterspritzungsmaterialien, wie Hyaluronsäure und Calciumhydroxylapatit, die früher nur singulär verwendet wurden, gibt es nun neu als perfekt abgestimmte Mischung.
Generell geht der Trend in der Schönheitsmedizin weg von faltenfreien, prallen Standardgesichtern und hin zur Bewahrung der individuellen Persönlichkeit. Es geht um raffiniert aufeinander abgestimmte Behandlungen, möglichst ohne chirurgische Eingriffe, um eine zeitlose Schönheit zu erwirken. Dies beginnt mit der Prävention, die ebenfalls immer mehr im Bewusstsein unserer Gesellschaft verankert ist. Statt bereits vorhandene, starke Zeichen der Zeit zu reparieren, gilt es, durch sanfte Unterstützung den Alterungsprozess durch die Erhaltung der Struktur und Vitalität gezielt zu verlangsamen.