Unikate fürs Handgelenk
© Piaget
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 23.03.2018

Unikate fürs Handgelenk

Einzigartig Für die komplett nach den ­persönlichen Wünschen ­gefertigte Uhrmuss man ­klarerweise deutlich tiefer in die Tasche greifen, als für eine „normale” Luxusuhr. Aber neben der klassischen Maßarbeit gibt es noch zahlreiche andere Möglichkeiten, um zu einer Uhr mit einzigartigem Charakter zu kommen.

Le Sentier/Villeret. Für ihre besonders anspruchsvollen und finanzkräftigen VIP-Kunden haben Hersteller edler Zeitmesser immer schon „Extrawürste gebraten”. Solche Spezialanfertigungen mag man als Spleen einiger fanatischer Uhrenfreaks ansehen, aber tatsächlich haben sie – ähnlich wie Aufträge von Marine oder Militär – auch viel zur technischen Weiterentwicklung der Zeitnehmung beigetragen.

Legendär etwa das „Duell” um die komplizierteste Uhr der Welt, das in den 1920er-Jahren zwischen dem Industriellen James Ward Packard und dem Bankier Henry Graves jr. ausgetragen wurde und vor allem die Uhrmacher von Patek Philippe und Vacheron Constantin zu immer neuen Höchstleistungen getrieben hat.
Auch das seit 2015 amtierende Highlight der Haute Horlogerie, eine weißgoldene Taschenuhr mit 57 Komplikationen – darunter vier Kalender, sieben Weckfunktionen und eine Miniaturausgabe des Westminster-Glockenspiels –, ist eine Sonderanfertigung für einen gut betuchten Uhrensammler. Nach acht Jahren, pünktlich zum 260jährigen Jubiläum von Vacheron Constantin, war das aus gut 2.800 Einzelteilen bestehende Meisterwerk vollendet. Wie ‚häufig' solche Spezialanfertigungen sind, ist nicht bekannt – sowohl Auftraggeber als auch Hersteller sind da sehr diskret –, allerdings scheint der Wunsch nach Einzigartigkeit zu steigen. 2006 wurde bei Vacheron Constantin mit dem Atelier Cabinotiers dafür eine Sonderabteilung eingerichtet, die auch über einen eigenen Webauftritt verfügt; zudem hat die Manufaktur seither vermehrt diese besonderen Raritäten auch öffentlich präsentiert.

Absolut einzigartig

Zu den Anbietern exklusiver Bespoke-Uhren zählt auch De Witt. Obwohl das Unternehmen erst 2003 gegründet wurde, besteht eine enge und weit in die Geschichte zurückreichende Verbindung zu diesem Service, der Inhaber Jérôme de Witt ist ein Nachkomme von Napoleon Bonaparte, einem ehemaligen Stammkunden von Breguet.
Wie in der Mode gibt es neben der Haute Couture, die sich nur wenige leisten können, mit der Maßkonfektion auf Basis bestehender Modelle auch günstigere Möglichkeiten, um den Lauf der Zeit von einer einzigartigen Uhr ablesen zu können.
„Maßfertigung ist besonders im Highend-Segment von großer Bedeutung”, sagt Davide Cerrato, Managing Director der Uhrensparte von Montblanc. „In unserer Manufaktur in Villeret bieten wir verschiedene Stufen der Personalisierung bestehender Modelle an. Das reicht von kleinen bis zu umfangreichen oder außergewöhnlichen Modifikationen des Designs und umfasst auch besondere Anpassungen des Uhrwerks.
Vor allem kleine, unabhängige und junge Unternehmen konzentrieren sich auf das Made to Measure-Segment. Besonders interessant ist hier der deutsche Uhrenbauer Armin Strom, der mit dem im Vorjahr gelaunchten Online-Konfigurator ein niederschwelliges und ganz dem Geschmack eines jungen, technik-affinen Publikums entsprechendes Tool geschaffen hat.

Zeitgemäße Maßkonfektion

„Das ist ein neuer, aufregender Weg, um mit der Zeit zu gehen – auf diese Weise lassen sich auch die geheimsten Sammlerwünsche nach einer einzigartigen Uhr erfüllen,” sagt Claude Greisler, Direktor von Armin Strom.
Nach dem Baukastenprinzip kann man sich aus zahlreichen Gehäusevarianten, Uhrwerken, Zeigern, Zifferblättern, Armbändern, Schließen, Skelettierungen für Uhrwerk und/oder einzelne Komponenten bis hin zum Armband und der Farbe der Ziernähte seine Wunschuhr zusammenstellen. Die jeweils gewählten Optionen werden direkt angezeigt, ebenso wie der Preis, der übrigens nicht höher als jener der Serienmodelle ist – ab rund 7.800 € ist man dabei.
Ebenfalls webbasiert und mit eigener App ist das Personalisierungsprogramm, das der britische Hersteller Alexandre Meerson für seinen Mutiny Chronografen bietet. Die Individualisierung bezieht sich allerdings „nur” auf Gehäusematerial, Design des Zifferblatts, Farbe von Zeiger und Armband, Gravur und Etui, nicht aber auf das Innenleben.
Auch Jaeger-LeCoultre lässt sich bei den Uhrwerken nicht dreinreden, hat aber anlässlich des 85. Geburtstags seines Kultmodells Reverso, bei der verschiedene Armbänder und persönliche Gravuren auf der Rückseite von Anfang an für die besondere Note gesorgt haben, 2016 das „Atelier Reverso” an den Start gebracht und im Vorjahr noch weiter ausgebaut. Mittlerweile stehen sieben Modelle, 47 verschiedene Zifferblätter und 800 Armbänder zur Verfügung. Und obwohl nicht alle Zifferblätter und Armbänder mit allen Modellen kompatibel sind – was immerhin 274.400 Variationen ergäbe –, bieten die verbleibenden 5.277 Kombinationen wohl mehr als genug Spielraum und reduzieren die Gefahr, einen Zeitgenossen mit der gleichen Uhr zu begegnen, auf ein Minimum.

Tausende Varianten

Auf ein Customized-Prinzip, bei dem der Kunde aus dem Vollen schöpfen kann, setzt auch Tag Heuer bei seiner Connected Modular-Smartwatch. Zusätzlich zum 45 mm großen Gehäuse gibt es seit heuer auch ein etwas zierlicheres mit 41 mm. Die smarten Module gibt es jeweils in Keramik, Titan, Gold, Aluminium oder mit Diamanten besetzt, dazu kommen verschiedene Bandanstöße und Schließen, eine bunten Palette von Armbändern aus Kautschuk, Leder, Keramik oder Titan und gut 4.000 verschiedene Zifferblätter. Zudem kann das smarte Modul noch ganz einfach durch eines mit dem mechanischen Kaliber 5 getauscht werden.
Seit rund zehn Jahren ist die Personalisierung von Luxusuhren auch zu einem Thema von Unternehmen außerhalb der Branche geworden.
Auf die DLC-Beschichtung von Rolex-Uhren hat sich etwa Blaken spezialisiert. Gehäuse, Armband, Zifferblatt, Zeiger und Indexe, alles kann ganz nach Kundenwunsch neu eingefärbt werden. Einziger Nachteil: Sobald ein Mitarbeiter von Blaken Hand an einen der noblen Zeitmesser legt, ist Schluss mit der Herstellergarantie von Rolex.
Aber auch hier ändern sich die Zeiten: Im Vorjahr hatte Zenith als erste Luxusuhrenmarke der optischen Nachbearbeitung ihrer Modelle durch den britischen Veredler Bamford offiziell zugestimmt.

Schicht-Arbeit

„Es gibt eine spezielle Klientel für solche Uhren und die geht zu Bamford, dem Besten in diesem Bereich. Die Partnerschaft war für uns also ein logischer Schritt”, erläutert Zenith-CEO Julien Tornare.
Verfügbar ist der Service derzeit für vier Modelle: Pilot Chronometro Tipo CP 2, Pilot Type 20 Chronograph, Heritage 146 Chronomas­ter und Chronomaster El Primero 42 mm. Bis auf das Uhrwerk kann alles, ob Gehäuse, Zifferblatt, Zeiger oder Armband, innerhalb der Grenzen des technisch Machbaren den Wünschen des Kunden angepasst werden.
Hinsichtlich der Garantie ist alles klar geregelt. Zenith ist für das Uhrwerk zuständig; alles, was im Zuge des Aufpimpens gemacht wurde, ist Sache von Bamford.
Dezenter, aber außergewöhnlich ist die Individualisierung, die IWC für die Portugieser Sidérale Scafusia, eines der exklusivsten und kompliziertesten Modelle der Luxusmarke, anbietet. Allein aus den Gehäusematerialien (Platin, Rot- oder Weißgold), Farben für Zifferblatt und Appliken sowie den verschiedenen Armbändern ergeben sich über 200 Kombinationsmöglichkeiten, aber der Clou ist die rotierende Himmelsscheibe auf der Rückseite. Denn die Darstellung der mehr als 500 Sterne sowie Sternbilder und die astronomischen Anzeigen wie Sonnenauf- und -untergangszeiten und Sternzeit beziehen sich auf einen vom Kunden gewählten Standort und machen jede Uhr zu einem Unikat. Dass der Preis für dieses einzigartige Stück in die Kategorie astronomisch fällt, wundert nicht. Eilig darf man es auch nicht haben, denn wegen der aufwendigen Fertigung vergehen zwischen Bestellung und Auslieferung etwa zwölf Monate.
Ebenfalls nach den geografischen Koordinaten eines vom Kunden ausgewählten Orts personalisiert Panerai sein neues Modell L’Astronomo – Luminor 1950 Tourbillon Moon Phases Equation of Time GMT. Dass bei Material und Finish des Gehäuses, der Farbe der Zeiger, der Super-LumiNova-Beschichtung und des Alligatorlederbands verschiedene Varianten angeboten werden, versteht sich von selbst.

Trend zum „Anbandeln”

Mit einer Limitierung auf 88 Stück ist die heuer beim Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) vorgestellte, schwarz-weiße Variante der Excalibur Spider Pirelli von Roger Dubuis schon ziemlich exklusiv, der einzigartige Charakter jeder einzelnen Uhr liegt ein wenig verborgen – an der Innenseite ihres Armbands. Das wird nämlich aus Pirelli-Reifen gefertigt, die in der Formel1 gefahren wurden und entsprechend unterschiedliche Spuren davon auf­weisen.
Überhaupt bieten die Uhrenarmbänder die einfachste Möglichkeit, um Uhren eine persönliche Note zu verleihen. Und in diesem Bereich haben die Hersteller in den letzten Jahren auch kräftig aufgerüstet, vor allem bei den Damenuhren, die gern an die wechselnden Modetrends angepasst werden. Ein Musterbeispiel ist die Possession-Serie von Piaget, die immer wieder um neue Farben ergänzt wird.
Abwechslung schätzen aber auch die Herren: Omega hat vor Kurzem seine Kollektion von Natobändern um 18 von Nationalflaggen inspirierte Modelle (darunter auch rot-weiß-rot für Österreich) erweitert und dafür in Paris auch eine eigene Pop-up-Boutique eröffnet.
Last but not least erleichtern immer ausgeklügeltere Wechselsysteme, dass weder Spezialwerkzeug noch der Gang zum Uhrmacher nötig ist.

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