WIEN. Stornierungen, Verschiebungen, massive Zuwächse im Onlinebereich: Es war ein wildes Jahr für die heimischen Printmedien. Im Interview spricht VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger über die momentane Situation in der Verlagsbranche.
medianet: Herr Grünberger, wie geht es den Printmedien im heurigen Jahr?
Gerald Grünberger: 2020 ist höchst unterschiedlich verlaufen. Es hat gar nicht schlecht begonnen, im März gab es dann aber bekanntermaßen eine Vollbremsung, die bei den Tageszeitungen einen Umsatzrückgang von 35–40 Prozent bewirkt hat; bei Magazinen, Wochenzeitungen und Fachmedien war es noch dramatischer. In Summe waren es rund 45 Mio. Euro. Nach Ende des ersten Lockdowns ist vor allem die regionale Werbung wieder angesprungen, nationale und internationale Buchungen hingegen sind das ganze Jahr über verhalten geblieben. Mit Ende des Jahres und dem neuerlichen Lockdown ist natürlich wieder ein Rückgang der Aktivitäten spürbar, aber Gott sei Dank bei Weitem nicht so dramatisch wie im Frühjahr.
medianet: Woran liegt das?
Grünberger: Der Lerneffekt, dass man in schwierigen Zeiten antizyklisch werben muss, hat sich bei vielen eingestellt. Außerdem ist ein Ende absehbar, wodurch die Ungewissheit nicht mehr so ausgeprägt ist wie im Frühjahr. Aber wenn die Absatzmöglichkeiten nicht gegeben sind, dann wird ein Produkt schlichtweg nicht beworben, das ist auch klar – etwa im Luxusartikelsegment oder in der Automobilbranche, wo es zu Unterbrechungen in den Produktions- und Zulieferketten kam. Das hat sich auch bei den Fachmagazinen niedergeschlagen, die nicht nur im Hinblick auf Werbekunden, sondern auch inhaltlich von bestimmten Branchen abhängig sind. Hier kam es zu Verlusten von deutlich über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, was für einige Medien im Magazin- und Fachmedienbereich durchaus existenzbedrohend ist.
medianet: Eine erfreuliche Nachricht ist, dass heimische Printmedien durch die Pandemie online stark dazugewinnen konnten.
Grünberger: Wenn man dieser Pandemie etwas Positives abgewinnen kann – was schwierig ist –, dann ist es die Tatsache, dass wir gigantische Zuwächse auf den Onlineportalen hatten. Und, dass in diesem Zusammenhang auch wieder ein deutlicher Wechsel von Sozialen Netzwerken hin zu klassischen Medien stattgefunden hat. Von dieser Entwicklung konnten die Onlineportale der Verlagshäuser zumindest reichweitenmäßig profitieren.
medianet: Können die Online-Angebote heimischer Medien schon ausreichend monetarisiert werden?
Grünberger: Österreich ist ein Abo-Land. Viele Verlage haben erkannt, dass man auch online auf die Abo-Strategie setzen muss. Das Geschäft mit der Werbung ist nicht nur aufgrund der Pandemie rückläufig, sondern auch durch die Verlagerung auf Onlineplattformen und durch Konsolidierungen großer Werbekunden, die deren Gesamtwerbebudget reduzieren. In Kombination mit dem lauten Nachdenken über Werbeverbote, wie wir es vor Kurzem erlebt haben, stellt das schon recht bedrohliche Szenarien dar. Wenn man als Medium dem Leser einen tatsächlichen Mehrwert bietet für das, was ich ihm verkaufe, dann wird man mit Abonnements eine solide und nachhaltige Refinanzierungssäule finden.
medianet: Was dürfen wir vom kommenden Jahr erwarten?
Grünberger: Die Aussichten sind gemischt. Die Erholung erfolgt nicht so rasch, wie wir das noch Mitte des Jahres gehofft hatten, wiewohl Kurzarbeit, Sonderförderungen und die Umsatzsteuerreduktion den Medienunternehmen verlegerischer Herkunft in einer sehr schwierigen Phase geholfen haben, die Verluste zu mindern. Diese Möglichkeiten werden im kommenden Jahr so nicht zur Verfügung stehen, daher werden wir an der Kostenschraube – wie zum Beispiel den Kollektivverträgen – drehen müssen. Auch wenn es insgesamt kein rosiges Jahr werden wird, dürfen wir Hoffnung und Zuversicht, dass wir die Pandemie und ihre Folgen überwinden, nicht verlieren. (ls)
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