Apokalyptische Spießer
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 24.03.2017

Apokalyptische Spießer

Nicht einmal die Vogelgrippe reißt die Menschen noch aus ihrer selbst gewählten Apathie.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

VOGELFREI. Gute Nachrichten für Österreichs Hühner: Die Stallpflicht wird ab Samstag aufgehoben. Die Hendln dürfen wieder ins Freie – zur Fortsetzung der Anfertigung glücklicher Eier. Das mediale Echo jedoch ist bescheiden. Wo bitte sind die Zeiten, als Vogelgrippe – wahlweise Schweinegrippe – noch als Losungswort für postmoderne Panikattacken taugte? Wo sind die Rinderwahnneurotiker, die SARS-Phobiker, die Grippemaskenabstauber, all jene, die die Angemessenheit der Bezeichnung „Pandemie” für überregional auftretende Schnupfensymptome diskutierten? Wer lagert heute noch Tamiflu, um im Falle des Falles zu jenen zu gehören, die das entvölkerte Land wieder aufbauen?

„Wer mit zweifelhaften Symptomen zu Hause aufwacht, muss sich die Frage stellen, ob er sich erst in einen Isolierkerker verfrachten lässt und anschließend, sofern er die Sache übersteht, Privatkonkurs anmeldet – oder einfach die Schlafzimmertür schließt, to trust in God”, beschrieb ich 2014 an dieser Stelle die Stimmung in God’s own country samt seiner schleißigen Gesundheitsversorgung. Die Nachricht von einer mit Ebola infizierten Krankenschwester hatte in den USA eben zu Hysterie und Isolierzelten vor den Krankenhäusern geführt – und die Aktien der Fluggesellschaften in den Keller geschickt.
Warum also die derzeitige Apathie im Angesicht der Erlösung von der Geißel der Geflügelbauern? Schneckenstreicheln ist eine Antwortmöglichkeit. Für alle, die den Klassiker der Science Busters nicht gelesen haben: Es geht um die Forschung des Nobelpreisträgers Eric Kandel an Meeresschnecken und deren durch Gewöhnung beeinflussbare Reiz-Reaktionsmuster. Kurz: Manchmal ist zu viel einfach zu viel – und Gewöhnung führt zu Langeweile, selbst angesichts von Chaos und Cholera.
Ein Tipp zu diesem Themenkreis: Zukunftsforscher Matthias Horx erklärt Ende April im Gartenbaukino, wie er dem heutzutage in zunehmender Zahl auftretenden „apokalyptischen Spießer” wieder zu Zukunftsoptimismus verhelfen will.

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