Auch einmal ein bisserl brav sein
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 07.12.2018

Auch einmal ein bisserl brav sein

Seit dem Sommer 2002 arbeitet Viktor Orbán an der Wahrung der Medienfreiheit, die er meint.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

WERTEDISKUSSION. „Protest in Budapest: Ex-Premier Orbán fordert Medienfreiheit”. Klingt schräg, ist aber eine existierende, gedruckte Schlagzeile aus August 2002. Orbán war zu diesem Zeitpunkt eben in seinem „Interregnum” als ungarischer Regierungschef – und Initiator einer Demonstration besorgter Bürger, die sich „für die Wahrung der Freiheit der Medien” vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens in der Budapester Innenstadt versammelt hatten.

Mit Medienfreiheit bezeichnete Orbán jedoch auch damals schon „die Freiheit, die ich meine” (©: Jörg Haider). Seit bei den Parlamentswahlen im April dieses Jahres eine Koalition aus Sozialisten und liberalen Freidemokraten an die Macht gekommen war, sorgte sich der Ex- und bald wieder amtierende Premier um die Verdrängung der „national ausgerichteten” Journalisten. Orbáns präferierte Lösung des Problems: die Aufteilung der zwei staatlichen Fernsehsender zwischen den politischen Richtungen. Im Vergleich zu seinen heutzutage gewälzten Plänen klingt diese Lösung beinahe salomonisch.
Sein 2010 in Kraft gesetztes neues Mediengesetz, über Nacht verabschiedet, sah bereits andere Kriterien vor: weniger „divide”, viel mehr „impera”. Die neue Medienbehörde NMHH sollte neben den staatlichen Medien auch die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale kontrollieren. Rundfunkbetriebe, Zeitungen und Zeitschriften, deren Berichte als „nicht politisch ausgewogen” erachtet wurden, belegte die NMHH mit hohen Geldstrafen. An der Großdemonstration gegen das Gesetz und für die Medienfreiheit vor dem Budapester Parlament nahm Orbán diesmal nicht teil.
Am gestrigen Donnerstag hat Orbán die umstrittene Bündelung regierungstreuer Medien in einem neuen Konsortium abgenickt, dem 500 regionale und überregionale Medien angehören, die offen und treu die Regierung unterstützen. Um „nationale Werte zu wahren”. Die Österreich-Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG) ist besorgt über die Mediensituation in Europa.

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