Auf welcher Seite stehen sie denn?
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.03.2022

Auf welcher Seite stehen sie denn?

Russische Künstler sollen sich von Putin distanzieren – darf man so etwas fordern?

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli

STANDORTBESTIMMUNG. In diesen Tagen verlieren russische Künstlerinnen und Künstler im Westen reihenweise ihre Engagements oder sie legen sie proaktiv zurück. Stardirigent Valery Gergijew, der damals den Einmarsch der Russen auf der Krim öffentlich gut fand, wollte sich nicht öffentlich distanzieren und flog raus.

Anna Netrebko, auch nicht gerade als Putin-Kritikerin bekannt, sagte proaktiv für die kommenden Monate alle Auftritte ab und meinte aber doch: „Es ist nicht richtig, Künstler oder andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu zwingen, ihre politische Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern und ihr Heimatland anzuprangern. Dies sollte eine freie Entscheidung sein.”

Ich finde, sie hat recht. Niemand darf dazu gezwungen werden, seine politische Meinung ­öffentlich äußern zu müssen.
Wir kämpfen aber dafür, dass sie jeder frei äußern darf. Etwas, was übrigens gerade in Russland seit vielen Jahren nicht mehr möglich ist.

Aber die österreichisch-russische Doppelstaatsbürgerin Netrebko weiß natürlich ganz genau, dass es nicht darum geht, dass sie ihr Heimatland „anprangert” – das ist ein Narrativ, welches man gerne pflegt –, sondern sich in einer Frage von Recht und Unrecht, gerade als Person des öffentlichen Lebens, positioniert.

Denn wie kürzlich ein heimischer Spitzenpolitiker meinte: Neutral zu sein, bedeutet nicht untätig zu sein. Und aktuell leben wir in einer Zeit, in der jeder freien Auges – wenn er es denn will – Recht von Unrecht unterscheiden kann; die Gründe, dies aber öffentlich nicht kundtun zu wollen, reichen von Feigheit bis Opportunismus. Da kann sich jeder seine Ausrede selbst aussuchen.

Guter Flüchtling, böser Flüchtling

Apropos aussuchen: An der polnisch-ukrianischen Grenze wollen es sich die Grenzer aktuell aussuchen, ukrainische Flüchtlinge reinzulassen, aber etwa ukrianische Studenten aus Nigeria wieder in den Krieg zurückschicken zu wollen.

Es scheint selbst bei Flüchtlingen welche ­erster und andere zweiter Klasse zu geben.

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