••• Von Georg Sander
WIEN. Wenn ein ausgebildeter Wirtschaftsanwalt in einem Hause wie jenem von Schlumberger an der Heiligenstädterstraße ein- und ausgeht, dann vermutet man zunächst am ehesten wohl einen Kunden auf der Suche nach edlen Tropfen für Events. Zwar ist Eugen Lamprecht genau jener Anwalt, aber eben seit 2017 für das Unternehmen im Vertrieb tätig und seit Kurzem Geschäftsführer von Top Spirit, der nationalen Vertriebstochter von Schlumberger. Der klare Marktführer im Spirituosenbereich bietet ein umfassendes Service für die Kunden der Gastronomie und des Handels. Lamprecht bekleidet diese Position, seit Vorgänger Walter Wallner Ende Juni in Pension ging, gemeinsam mit Florian Czink. Aber der Reihe nach.
Lamprecht, ein gebürtiger Südtiroler, kann eine spannende Vita vorweisen: „Mein Werdegang ist weder für die Branche noch für die Position üblich.” Er studierte Rechtswissenschaften und Politik, ließ die Juristerei aber irgendwann sein. Wein, das ist seine große Leidenschaft – er hat jahrelang als Sommelier gearbeitet, direkt in der Gastronomie. 2017 kamen Zukunftsfragen auf, fraglich war eben, ob er zurück in die Juristerei gehen wollte, Sommelier bleiben sollte, aber „dann hat sich die Möglichkeit aufgetan, bei Schlumbergers Weinvertriebstochter P.M. Mounier als Key Account Manager einzusteigen. „Ich konnte in der Branche bleiben, mit der hausinternen Möglichkeit, mich Richtung Führungsposition zu entwickeln.” Genau das trat ein.
Große Fußstapfen
Nun folgt er Walter Wallner nach, gewissermaßen eine Legende in diesem Bereich. 2014 übernahm er als alleiniger Geschäftsführer bei Top Spirit, 2017 entschied sich das Unternehmen für eine Doppelspitze, bereits damals wurden die Bereiche Handel und Gastronomie aufgeteilt. Allerdings: 40 Jahre Erfahrung in der Nahrungs- und Genussmittelbranche, davon fast acht Jahre bei Top Spirit, das ist Erfahrung, das muss erst einmal erreicht werden. Doch das Unternehmen hat Lamprecht gewissermaßen bewusst „aufgebaut” und an diese Position herangeführt. In die Waagschale zu werfen hat er freilich die Erfahrung als Sommelier und als Jurist, alleine schon die Kommunikation seiner ersten Ausbildung hilft enorm. Anfang des Jahres 2019 übernahm Lamprecht die Geschäftsführung der Wein-Vertriebstochter P.M. Mounier.
Es geht um Feinheiten
Wallner, der über Jahre das Netzwerk pflegte, nahm den neuen Mann unter seine Fittiche, zeigte die Dinge, die einen kein Studium lehren kann. Doch wie war das für ihn genau? „Wir haben mehr als 1.500 Produkte im Sortiment, das Portfolio kenne ich ganz genau. Ich musste mir da nicht viel anlernen, in erster Linie ging es um das Netzwerk”, erklärt Lamprecht, „da geht es um Feinheiten, Walter Wallner ist Branchenprofi, eine anerkannte Größe, mit Gespür für Handel und Konsument, hat ein weitverzweigtes Netzwerk.” Um Feinheiten und ein Kennenlernen, wer der neue Ansprechpartner bei Top Spirit ist, darum ging es. Schließlich geht es hier um Partnerschaften, die teilweise eine Generation lang dauern, also mehr als 20 Jahre: „Da reicht es nicht, ab und zu eine E-Mail zu schreiben und sich hin und wieder bei Events über den Weg zu laufen.”
Disziplin unter Druck
Wenn man Lamprecht zuhört, merkt man, wie viel Respekt er vor seinem Vorgänger hat. Wallner arbeitete diszipliniert, auch in Drucksituationen. „Gleichzeitig konnte er nicht nur das Team motivieren, sondern ist auch mit einer Spur Humor an die Sache herangegangen”, streut er ihm Rosen. „Das Wichtigste, was ich von ihm gelernt habe, ist, Ruhe zu bewahren. Unser Geschäft erfordert manchmal schnelles Handeln, umgekehrt sind wir ja dennoch nicht in der Notaufnahme.” Da sei es eben vonnöten, mittel- und langfristige Entscheidungen gut überlegt zu treffen, da diese oftmals ohnehin mehr Sinn ergeben, als ein Schnellschuss aus der Hüfte.
Dem Unternehmen selbst war es ein Anliegen, dass all diese Kompetenzen erhalten bleiben, Wallner suchte sich Lamprecht bewusst als Nachfolger aus. So war es auch einfach, die Übergabe über einen längeren Zeitraum zu ziehen – ein Weitblick, den man sich leisten können will; es beweist, dass das Unternehmen weiß, wie Wissen von einer Management-Generation zur nächsten übergeben werden kann.
Zwei Standbeine
Die Doppelspitze hat auch deshalb mehr als Sinn, weil Top Spirit mit Gastronomie und Handel eben zwei Standbeine hat. An dieser Stelle merkt man, wie sehr Eugen Lamprecht schon im Geschäft ist: „Unsere Verkäufer haben unterschiedliche Stärken. Ein Key Account Manager im Handel ist eher ein Controller, sehr zahlenaffin. Da geht es um Daten und Fakten, Jahrespläne und regelmäßiges Verhandeln mit den Kunden. Der Außendienstmitarbeiter in der Gastronomie arbeitet über das Beziehungsmanagement und die Produkte.” Lamprecht ist für den Handel zuständig, Florian Czink für die Gastronomie und gleichzeitig auch das Marketing – ein weiterer Vorteil der Doppelspitze, da Czink via Gastro unmittelbares Feedback bekommt. Das ermöglicht mehr Fokus, in allen Bereichen.
In seinem Bereich, da kommt die Ausbildung als Wirtschaftsanwalt zum Tragen, geht es um das Verhandeln, aber umgekehrt auch, die dann etablierte Partnerschaft rechtlich abzusichern und somit tragfähig zu machen: „Es geht immer um gemeinsame Lösungen – etwas, was ich sehr gut einbringen kann.” Das breite Portfolio und die Kenntnis darüber, wie weiter oben erwähnt, hilft dabei. Vor allem auch, weil Top Spirit auch sehr viele Premiummarken hat – und genau diese verkauften sich in der bisherigen Pandemiezeit sehr gut.
Pandemiezahlen
Denn die anhaltende Pandemie schwebt über Handel und Gastronomie, Walter Wallners letzter Zeit vor der Pensionierung, Lamprechts Einarbeitungsphase und letztlich über allen. Top Spirit musste sehr nachvollziehbar beim Standbein Gastronomie durch die Lockdowns und Beschränkungen zwischen März 2020 und – aktuell – dem Frühjahr 2021 Einbußen hinnehmen. „In der Krise hat man gemerkt, dass im Handel genau die Premiumprodukte nicht gelitten haben, im Vergleich vielleicht zu jenen, die in zweiter, dritter Reihe stehen”, blickt Lamprecht auf die letzten eineinhalb Jahre zurück. „Wir hatten 2020 im Handel ein erfreuliches Geschäft, auch dieses Jahr gibt es ein starkes erstes Halbjahr.”
Doch auch in der Gastronomie spürt man seit Ende des langen Lockdowns im Winter eine klare Verbesserung, die, das gibt man ohne Umschweife zu, durch die starke Performance im Handel nicht ganz kompensiert werden konnte, auch wenn die Menschen bewusstes Sich-Etwas-Gönnen und Sich-Verwöhnen in den Vordergrund stellten.
Weniger trinken
Insgesamt trinken die Menschen mittlerweile weniger Alkohol. Dafür aber hochwertigere Produkte. „Es hat definitiv eine Premiumisierung stattgefunden und das seit Jahren – Covid hat das beschleunigt”, erklärt er. Ein Beispiel aus der Praxis: P.M. Mounier hat vor zehn Jahren das doppelte Volumen verkauft. Die Erlöse haben aber trotz fallender Mengen zugenommen, es herrscht eine vermehrte Nachfrage nach Premiumprodukten. Für Qualität ist man bereit, mehr Geld zu zahlen. Sprich: Statt dem billigen Prosecco um 1,99 € greift der Kunde lieber zu österreichischem Qualitätssekt: „Die Konsummomente, wo viel getrunken wurde, waren lange nicht möglich. Es gab eben weniger Feste, Feiern und Events, da braucht es weniger aus dem Einstiegssegment.”
Zwar ist Top Spirit auf Premiumsegmente fokussiert, aber es gibt auch Marken wie Kleiner Klopfer, der dann doch eher im Skiurlaub konsumiert wurde. Diese Marke leidet klarerweise darunter. Aber es fügt sich ein Gesamtbild zusammen. Schlumberger setzt auf Wertschöpfung in Österreich, österreichische Rohstoffe, Arbeitsplatzsicherheit hierzulande, Alkohol soll ein Genussmittel sein. Wer eben nicht ausgehen kann und dann einen Spritzer trinkt, der stößt mit einem guten und somit auch teureren, qualitätsvollen Sekt an, Stichwort verantwortungsvoller Konsum.
Die Zukunft
Der Trend zum Weniger-, dafür bewusster, Trinken, wird anhalten. „Wir rechnen damit und planen auch so, dass der Konsument weniger trinkt”, meint Lamprecht, „umgekehrt ist er dann bereit, mehr Geld auszugeben und probiert auch neue Dinge aus.”
Das Unternehmen ist auch Mitbegründer von verantwortungsvoll.at, einer Website, die zu verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkohol aufruft. Intern gibt es einen Kodex, dass man im Marketing nur und ausschließlich Erwachsene anspricht. So kann ein Unternehmen wie Top Spirit guten Gewissens in die Zukunft gehen.
„Wir investieren in die Kundenbeziehung”, erklärt Eugen Lamprecht abschließend, „wir investieren in eine intensivere Kundenbetreuung. Ein Unternehmen zeichnet sich meiner Ansicht nach durch die Qualität der Mitarbeiter aus. Wir wollen gezielt anbieten, was die Menschen auch wirklich kaufen. Wenn das passiert, dann sind alle zufrieden.”