„Bestes aus Rundfunk und Streaming vereint”
© Thomas Ramstorfer/ORF
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.07.2025

„Bestes aus Rundfunk und Streaming vereint”

Die ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer und Norbert Grill erklären im Interview die Hintergründe zum Merger mit Insys VT.

••• Von Jakob Klawatsch

Aus der ORS Group wird „Big Blue Marble”: Die Techniktochter des ORF verkündete vergangene Woche – medianet berichtete – den Zusammenschluss mit dem polnischen Unternehmen Insys VT. Gemeinsam hat man viel vor: „Big Blue Marble” soll ein Global Player werden und die globale audiovisuelle Medienwelt künftig mitgestalten. medianet bat dazu die beiden ORS-Geschäftsführer Michael Wagenhofer und Norbert Grill um ein paar Antworten.


medianet:
Herr Wagenhofer, Herr Grill, Sie firmieren, nach 20 Jahren ORS Group, von nun an gemeinsam mit dem polnischen Streamingtechnologie-Unternehmen Insys VT, unter der Marke ‚Big Blue Marble'. Abseits des runden Jubiläums, warum kommt dieser Schritt jetzt?
Michael Wagenhofer: Die digitale Transformation stellt eine große Herausforderung für unsere Branche dar. Klassische Rundfunktechnologien haben weiterhin ihre Daseinsberechtigung, denn der überwiegende Anteil der Österreicherinnen und Österreicher konsumiert immer noch klassisches Fernsehen. In der jungen Zielgruppe sieht es aber anders aus, hier ist Streaming die vorwiegende Nutzungsform. Wir wollen uns daher technologisch so aufstellen, dass wir unsere Kundinnen und Kunden bei dieser Transformation begleiten können.

medianet:
Wie genau soll das gelingen?
Norbert Grill: Die Insys VT verfügt über Know-how und Kompetenz, die wir in Österreich nicht haben. Und weil das Wachstum in den IP-Verbreitungswegen so groß ist, wollten wir den Schritt mit der Insys VT gemeinsam gehen. Das geht aber nur mit einer gemeinsam Marke, weil man sonst immer erklären muss, wer eigentlich was macht, und wer wofür zuständig ist.
Wagenhofer: Wir haben in den vergangenen Jahren zwar selbst in Österreich Know-how aufgebaut, jedoch fehlt hierzulande das nötige Volumen und die nötige Dynamik. Die ORS Group hat sich daher 2023 an dem polnischen Unternehmen Insys VT beteiligt, das schon vor 17 Jahren Pionier bei Video-Streaming-Lösungen war, und wir vollziehen jetzt gerade den Merger. Wir wollen so unser Broadcast-Know-how mit dem Streaming-Know-how der Insys VT verknüpfen und damit fit für die ‚All IP'-Zukunft werden.

medianet:
Stichwort Zukunft: Sie wollen mit ‚Big Blue Marble' künftig die globale Medienwelt mitgestalten. Wo sehen Sie hier Herausforderungen?
Grill: Ganz wichtig wird sein, die Trends frühzeitig zu erkennen und Schritt zu halten. Dafür bedarf es ausreichend Ressourcen und kompetentes Personal.
Wagenhofer: Genau, im Innovationswettbewerb Schritt zu halten wird die größte Herausforderung, denn die Innovationszyklen verkürzen sich: Während beim Rundfunk alle zehn Jahre ein neuer Standard eingeführt wird, geht es beim Streaming darum, wöchentliche neue Updates und Features zu launchen. Ich sehe uns als ‚Big Blue Marble' aber hierfür sehr gut aufgestellt.

medianet:
Welche Rolle wird hier Ihre eigene TV-Plattform SimpliTV spielen?
Grill: Die letzte Bewegtbildstudie der RTR weist SimpliTV Platz vier bei den TV-Aggregatoren aus. Wir wollen natürlich weiter wachsen und unser Ziel ist im kommenden Jahr die Top 3. Bei SimpliTV haben wir ein gutes Stammgeschäft und investieren weiter in diesen Weg – daher auch die globale Skalierung, weil ich ein Produkt nur zu einem vernünftigen Preis anbieten kann, wenn der Markt groß genug ist. In Österreich ist der Markt überschaubar, aber mit Kundinnen und Kunden aus Deutschland oder Polen können wir anders skalieren. Letztendlich steckt dahinter aber das gleiche Produkt.

medianet:
Sie sind außerdem an der Weiterentwicklung von 5G Broadcast beteiligt. Was kann dieser Übertragungsstandard leisten?
Wagenhofer: 5G Broadcast verfolgt in erster Linie den klassischen Zweck, den Contentanbietern direkten Zugang zu Kundinnen und Kunden zu gewährleisten. Denn beim Streaming geht es immer mehr auch darum, welche Gatekeeper zwischen den Contentanbietern und den Endkundinnen und -kunden stehen. Daher ist es wichtig, gewisse Teile der Verbreitungsinfrastruktur selbst unter Kontrolle zu haben – und das leistet 5G Broadcast. Als Nebeneffekt können darüber auch Warnmeldungen an die Bevölkerung ausgeschickt werden.

medianet:
Werfen wir noch einen Blick zurück und sprechen über die Vergangenheit: Sie waren beide an der Ausgliederung der ORS aus dem ORF beteiligt und sind beide langjährige Geschäftsführer. Wie blicken Sie auf die vergangenen 20 Jahre zurück?
Grill: Es war von Anfang an eine konstante Veränderung. Der erste große Schritt war die Einführung des digitalen Antennenfernsehens, mit dem sich die Zahl der über Antenne verfügbaren Programme praktisch verdoppelt hat. Parallel dazu wurde auch das digitale Satellitenfernsehen in Österreich eingeführt, dadurch hat das Fernsehen einen richtigen Boom erlebt. Weitere große Schritte waren die Einführung von HD, die Umstellung von 4:3 auf 16:9 und immer mehr Programme – vor allem durch die vielen neuen Spartensender der deutschen Privatsender. Der letzte große Entwicklungsschritt war dann das Digitalradio.

medianet:
Und nun der Blick nach vorne: Was erwarten Sie sich von den nächsten 20 Jahren?
Grill: Die technologische Entwicklung wird noch rasanter voranschreiten, auch die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden und die Änderungen am Markt werden noch schneller werden, als sie es heute schon sind – dem zu folgen wird sicherlich eine große Herausforderung werden. Dafür muss man sich rüsten und das geht auf einem globalen Standard eben besser als nur in einem regionalen Markt.
Wagenhofer: ‚Big Blue Marble' hat den Anspruch, Rundfunk und Streaming zu vereinen, das Beste aus diesen beiden Technologien herauszufiltern und fortzuschreiben. Ich hoffe, dass wir uns mit diesem Alleinstellungsmerkmal in den nächsten Jahren ein schönes Stück vom wachsenden Streamingmarkt abschneiden können.

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