Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
VERSPIELT. „Die Welt gehört in Kinderhände, dem Trübsinn ein Ende” – 1986 hat Herbert Grönemeyer mit einem fröhlichen Liedchen Eltern allerorten apokalyptische Visionen beschert … Inzwischen ist eine andere Gattung dabei, die Macht an sich zu reißen, zumindest im Kontext der Kundenpflege. Chatbots sind textbasierte digitale Systeme, mit denen sich, je nach Datenbestand und Programmierkunst, „in intelligenten Dialogen” kommunizieren lässt. Im Idealfall hält der Kunde, der mit einem Unternehmen in Kontakt tritt, den Bot für einen freundlichen Mitarbeiter am Helpdesk; im schlimmsten Fall ist es genauso – und der hilfesuchende Klient treibt peu à peu in den Wahnsinn.
Unvergesslich der Dialog mit dem Reklamationsbot eines großen Onlinehändlers, der, nach mehrmaliger Anfrage wegen des ersten nicht gelieferten Artikels, mit freundlichen Wünschen drei weitere hintennach schickte und die beanstandete Verrechnung von vier Artikeln höflichst mit dem Versand eines fünften quittierte. „Unabdingbar”, empfehlen deshalb Experten, sei beim Einsatz von Chatbots „Transparenz”. Die Kunden dürften nicht darüber im Ungewissen gelassen werden, dass sie mit einer Maschine kommunizieren. Zudem sollten reale Menschen bereitstehen, wenn erkennbar sei, dass ein Kunde mit dem Bot nicht kann. Empfohlen wird der Einsatz der „Sentiment-Analyse”. Wie man erkennt, dass des Users Sentimente bereits aus dem Ruder laufen? Der Einsatz von Fäkalsprache und mehrfacher Rufzeichen seitens der menschlichen Gesprächsteilnehmer empfiehlt sich dafür unter Umständen als Signal. Dazu ein Veranstaltungstipp: die ChatbotConf am 2. und 3. Oktober im Erste Campus in Wien.
Interessanter noch als die sprechenden Tamagotchis auf Firmenwebsites sind die Social Bots in den Online-Netzwerken. Spätestens seit der US-Präsidentenwahl gelten sie als Schreckgespenst der Demokratie. Andererseits klingen diese „Fake-User” in ihrer gesamten Kommunikationsleistung häufig zurechnungsfähiger als der gängige Instagram-Nutzer. Oh mein Bot.