••• Von Georg Sohler
An der Fußballeuropameisterschaft der Herren in Deutschland kommt man nicht vorbei. Seit 14. Juni rollt das Leder durch die Stadien der Lieblingsnachbarn. Ab Nachmittag läuft vielerorts der Fernseher und rund um die zweimal 45 min gibt es allerhand Möglichkeiten, sich als Unternehmen zu präsentieren. Ein Beispiel: ein Werbespot von Immounited. Nationaltrainer Ralf Rangnick sucht eine Immobilie, der Nachbar ist niemand Geringerer als Stürmerstar Marko Arnautović – ob er da einziehen will? Wie so oft treffen bei derartigen Werbeformen bekannte Gesichter, ein gewisser Schmäh und eben Produkte, die von der Strahlkraft der Sportler, immer öfter natürlich auch Sportlerinnen, profitieren wollen, aufeinander.
Doch das muss man können: Vermarkter Sporteo, in Person von Head of International Sales Christoph Neuhold und Leonhard Pranter, Managing Partner und Gründer der Agentur Next Sports Marketing, wissen, wie eine Werbepartnerschaft mit dem Sport-Testimonial gelingen kann.
Einiges an Erfahrung
„Wir kommen aus der klassischen Werbung und sind auf Fußballer spezialisiert”, erklärt Pranter, „dadurch haben wir als Agentur ein gutes Gespür für Marken und Brandfits.” Sporteo wiederum ist seit 37 Jahren am Markt und befasst sich ebenfalls stark mit dem Fußball. „Es gibt beispielsweise eine strategische Partnerschaft mit dem Österreichischen Fußballbund, wir vermarkten den Cup, einige Vereine und widmen uns seit geraumer Zeit dem Thema Athletensponsoring”, steckt Neuhold das Feld ab.
Die Vermarkter haben beispielsweise den aktuellen Trainer der AS Monaco, Adi Hütter, unter Vertrag, Next arbeitet für Marko Arnautović. Die Agenturen kennen bereits viele Kunden und können so Kontakte herstellen. Vivo etwa wollte sich im Sport engagieren, also schlug Sporteo dem EM-Partner die Zusammenarbeit mit dem Stürmerstar vor. Um die Vorteile auch mit Zahlen zu untermauern: Arnautović folgen alleine auf Instagram über 450.000 Menschen, von der TV-Präsenz ganz zu schweigen. Eine Zahl zur Orientierung: Das Eröffnungsspiel der deutschen Nationalmannschaft erreichte am vergangenen Freitag alleine in Deutschland 22,5 Mio. Menschen, ein Marktanteil von 69%. In Österreich schalteten bis zu 769.000 Menschen ServusTV ein (MA 49%).
Influencer? Da war doch was!
Warum eine Marke auf einen Sportler setzt, scheint logisch: Sport schafft Emotionen, die Stars elektrisieren. Doch vor nicht allzu langer Zeit wurden auf diese klassischen Testimonials Ab- statt Fangesänge angestimmt. Influencer waren die, die via Smartphone von der Hosentasche in die Hirne der Menschen kamen. Die Brands waren auch nicht so mutig, wie Pranter findet, setzen gerne auf ehemalige Spieler. Aber: „Aktive Sportler sind hochinteressant – wenn sich Marken trauen. Dann ist auch das Unplanbare spannend.”
Marken setzen also aus folgenden Gründen wieder auf Testimonials: Sie sind glaubhaft, leben nicht für die Kommunikation. „Es braucht bei ihnen keinen Spagat, um authentisch für eine Marke zu werben. Influencer ist mittlerweile ein Beruf, Sportler haben bereits einen”, streicht Pranter weitere Vorzüge hervor.
Weil sie zudem öffentliche Personen sind, sei der positive Imagetransfer ehrlicher und überprüfbarer, anders als bei Influencern. Marken müssen auch keine Angst haben, dass die Stars zu teuer wären. Es müsse ja nicht gleich eine 360-Grad-Kampagne mit mehreren Wochen Drehtagen sein, die über das ganze Jahr geht. Die Formatvorteile von Influencern inklusive der Möglichkeiten, via Tools zielgerichtet an die richtige Zielgruppe auszuspielen, sind gegeben.
Momente schaffen
Die Sportgroßereignisse sind dabei entscheidend. Denn rund um eine Europameisterschaft oder Olympische Spiele entstehen positive Erinnerungen, die lange nachwirken, es werden Menschen weit über den Fußball hinaus erreicht. Dass die jungen Sportler mit Social Media per Du sind, ist ein weiterer Vorteil.
Allerdings kann es auch Nachteile geben. Sportler sind heutzutage zwar PR-Profis, in der Regel aber doch eher jüngere Menschen. Eine Karriere kann auch einmal eine falsche Richtung nehmen, Arnautović spielte bei großen Klubs wie West Ham United und aktuell beim italienischen Meister Inter Mailand, war aber auch schon bei weniger bekannten Adressen wie Stoke City oder Shanghai. Seine Aussetzer in jüngeren Jahren sind online nach wie vor nachlesbar. Doch Pranter winkt ab: „Ja, das kann alles passieren. Aber Sportler liefern eigentlich regelmäßig gute Nachrichten, die Möglichkeit, dass die Aufmerksamkeit durch die Decke geht, ist dabei schon sehr hoch.” Neuhold ergänzt um ein Beispiel: die österreichische Frauen-Nationalmannschaft. 2017 rechnete niemand mit einem EM-Erfolg, am Ende wurden die Frauen Dritter, die TV-Quoten waren siebenstellig – es zahlt sich also aus.
Am Puls der Zeit
Die zwei Vermarkter sind von der Möglichkeit, unplanbar positive Momente zu erleben, logischerweise überzeugter als vom umgekehrten Fall. Für Pranter spricht jedoch aus Markensicht noch ein Umstand für Sportler als Testimonials: Die Individualisierung macht auch vor dem Sport nicht Halt – ein Trend, den Neuhold mit der Erfahrung aus der Vereinsvermarktung unterfüttern kann. Etwa bei Superstar Cristiano Ronaldo. Seinem aktuellen Klub Al Nassr folgen 1,5 Mio. Menschen auf X, seinem Ex-Klub Real Madrid rund 50 Mio. Menschen – ihm selbst über 111 Mio.
Die gesamte Gemengelage zeigt also: Aus Vermarktersicht überwiegen die Vorteile, mit einem Sportler zu werben, in sehr hohem Ausmaß.