Cookies statt Sandbox: Was hinter der Kehrtwende von Google steckt
© Thomas Unterberger
Ivan Marković, Director Technology & Innovations bei adverserve
MARKETING & MEDIA Gastkommentar 02.08.2024

Cookies statt Sandbox: Was hinter der Kehrtwende von Google steckt

Ein Gastkommentar von Ivan Marković, Director Technology & Innovations bei adverserve.

Google hat mit der Ankündigung, die Third-Party-Cookies nicht wie geplant abzuschaffen, für erhebliche Unsicherheit gesorgt. Nachdem der Konzern den Ansatz drei Jahre lang verfolgt hatte, kam die Ankündigung auch für uns wie aus dem Nichts. Man muss jedoch auch klar sagen, für den Werbenden ändert sich zur Zeit wenig: Es ist Fakt, dass Third-Party-Cookies in Anbetracht der neuen technologischen Entwicklungen ohne Zweifel ein Auslaufmodell sind. Es gilt folglich immer noch alles daran zu setzen, wegweisende alternative Technologien wie z.B. ID-Lösungen und Data Clean Rooms zu implementieren, um sich bestens auf die Zukunft vorzubereiten. Aus aktueller Sicht werden diese die Zukunft erfolgreicher und zielgruppenspezifischer Werbekampagnen maßgeblich prägen. Schon jetzt sind – konservativ betrachtet – 30 bis 40 % der User nicht trackbar, wenn man an Intelligent Tracking Prevention (ITP) von Apple oder an Firefox und Safari denkt.

Die geplante Einführung der Privacy Sandbox sollte das Ende der Third-Party-Cookies einläuten und den Datenschutz für die User verbessern. Allerdings ist der Ansatz von Google, insbesondere die Privacy Sandbox, auf breite Kritik gestoßen: Die Werbebranche, aber auch andere große Player der Adtech-Branche bemängeln unter anderem die mangelnde Transparenz dieses Systems. Ehrlich gesagt: Die Privacy Sandbox gleicht einer Black Box – Werbende haben weder Einblick noch Einfluss. Es bleibt unklar, wie die Daten verarbeitet (z. B. wie die User zu Kohorten klassifiziert werden), wieso eine bestimmte Plattform beim Bidding (Verkauf von Werbeplatzierungen) zum Zug kommt oder welche Informationen letztlich wie ausgespielt werden. Dies erschwert es erheblich, gezielte und effektive Werbemaßnahmen zu planen und durchzuführen bzw. in weiterer Folge die richtigen Marketingentscheidungen zu treffen. Dies bringt für Werbende aber auch für Agenturen, die diese Kampagnen betreuen, großes Unsicherheitspotential und erhebliches (finanzielles) Risiko.

Große Player der europäischen Werbebranche haben die Privacy Sandbox getestet: Das Urteil war leider alles andere als zufriedenstellend. Ein paar Beispiele, welche verdeutlichen, dass wesentliche Funktionen und Grundprinzipien, die für die erfolgreiche Kampagnenaussteuerung zwingend notwendig sind, mit der Privacy Sandbox nicht abgedeckt werden: Neben der Intransparenz beim Bidding sowie der Unklarheit über die Bildung und Nutzung von Kohorten ist es etwa nicht möglich Exclusion Targeting zu betreiben. Dieses Targeting meint den Ausschluss bestimmter User-Gruppen, z. B. den Ausschluss jener, die durch die Werbeanzeige bereits ein Produkt erworben haben. Das erhöht den Streuverlust und die Kosten enorm. Auch das Frequency Capping funktioniert bei programmatischen Buchungen nicht wie wir es gewohnt sind, sondern nur über mühsame Umwege über die Publisher, das heißt die Frequenz der Anzeigen kann nicht selbständig eingestellt werden. Das ist alles andere als praktikabel.

Google hat das Feedback der Branchenvertreter erst einmal angenommen. Unklar ist jedoch, was die nächsten Schritte sind. Google hat sich in seiner Ankündigung nicht konkret dazu geäußert – nur, dass weiter in die Privacy Sandbox investiert wird – und der Werbebranche bisher auch keine Roadmap vorgelegt. Aus unserer Expertensicht ist das für Google nicht ungewöhnlich, wir kennen diese Vorgehensweise bereits aus der Vergangenheit. Der Internet-Gigant lässt sich bei neuen Entwicklungen nicht gerne in die Karten schauen. Es bleiben somit viele Fragen offen. Aus unserer Sicht ist es aktuell wichtig, Ruhe zu bewahren und sich vorerst auf bisher erprobte Werbestrategien zu verlassen. Aktuell können sowohl First-Party als auch Third-Party-Daten für das datengetriebene Marketing genutzt werden.

Für Werbetreibende wird es dennoch zwingend notwendig sein, den Weitblick zu bewahren, um den Anschluss nicht zu verlieren. Neue Technologien entwickeln sich rasant. Entscheidend wird für Werbetreibende sein, neue Potentiale aktiv zu nutzen. Es gilt neue technologische Lösungen wie Data Clean Rooms und ID-Lösungen weiter zu implementieren und unternehmensintern, mit Unterstützung von Experten, Know-How und Expertise aufzubauen. Auch an der Zukunft und der Bedeutung von Server Side Tracking ist nicht zu rütteln. Wir alle müssen uns im Klaren darüber sein, dass Third-Party-Daten ein Auslaufmodell sind. Sie sind nicht mehr zeitgemäß und entsprechen nicht mehr den gegebenen Datenschutzanforderungen. Erfolgreiche Werbekampagnen müssen im Einklang mit der User-Privacy stehen, mehr denn je. Angetrieben durch die Innovationskraft von Künstlicher Intelligenz liegt die Zukunft in Technologien, die in der Lage sind, die Effizienz der Zielgruppenansprache auch ohne Third-Party Cookies zu sichern und dabei die Privatsphäre der User im vollen Umfang zu respektieren. Lösungen gibt es bereits, jetzt ist einmal mehr die Zeit dafür, diese neuen Möglichkeiten zu nutzen und weiterzuentwickeln.

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