„Das ist ein Startpunkt und kein Endpunkt”
© APA/Helmut Fohringer
Walter Hämmerle.
MARKETING & MEDIA Redaktion 02.07.2021

„Das ist ein Startpunkt und kein Endpunkt”

Die "Wiener Zeitung" und der Forschungsverbund Cognion streben eine strategische Partnerschaft zur Sicherung der Tageszeitung an.

••• Von Anna Putz

WIEN. Das für Anfang Juni angekündigte Konzept der Wiener Zeitung zum Fortbestand ebendieser wurde diesen Montag vor heimischen Medienjournalisten präsentiert. Walter Hämmerle, Chefredakteur der weltweit ältesten Tageszeitung, und Christian Helmenstein, Geschäftsführer des Cognion Forschungsverbands, legten offen, eine strategische Partnerschaft anzustreben.

„Wir rennen nicht gegen, sondern für etwas”, sagt Hämmerle bei der Pressekonferenz. Und das sei der Fortbestand der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt. Man habe ein „gutes Konzept erarbeitet” und wolle dadurch den „Kompetenzverbund zusammenhalten”, heißt es weiter seitens des Chefredakteurs. Christian Helmenstein, der neben seiner Tätigkeit bei Cognion Chefökonom der Industriellenvereinigung ist, sagte, sofern „die Republik Österreich eine strategische Partnerschaft in Betracht” ziehe, habe man vor, ein Angebot vorzulegen.

„Win-Win-Situation”

Durch den Wegfall der Pflichtinserate mit Ende des kommenden Jahres steht der Fortbestand der Zeitung auf der Kippe. Das soll sich durch die strategische Partnerschaft ändern. Diese sei laut Hämmerle eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, auch für die Republik.

Diese angestrebte Partnerschaft des Cognion Forschungsverbands, der sich laut Helmenstein vollständig über Auftrags- oder Programmforschung finanziere, und der Wiener Zeitung sei laut Hämmerle „nicht vom Himmel gefallen”. Man sei in der Vergangenheit bereits betreffend der Digitalisierung des Amtsblatts in Kontakt gewesen.
Zwar befinde man sich, so Helmenstein, noch in einer „frühen Phase der strategischen Kooperation”, dennoch habe es bereits ein „außerordentlich konstruktives” Gespräch mit dem Bundeskanzleramt diesbezüglich gegeben. Zudem habe man bereits einen Letter of Intent sowie eine Anbotsabsicht vorgelegt. Seitens Cognion bestehe jedenfalls Fortführungsinteresse sowohl für den digitalen als auch analogen Arm des Medienhauses. Eine Festlegung des Bundeskanzleramts betreffend die Partnerschaft liege zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vor.
Da dem Forschungsverbund bislang die gewünschten rechtlichen und wirtschaftlichen Einblicke in das Unternehmen fehlen, würde als nächster Schritt eine Due-Diligence-Prüfung anstehen. Einen Anteilskauf schließt Helmenstein zum jetzigen Zeitpunkt nicht aus; jedoch nehme man hier eine „passive Rolle ein”, die aktive habe das Bundeskanzleramt inne.

Das Internet „umdrehen”

Die Parterschaft soll auf zwei Säulen errichtet werden: Zum einen sei es die digitale Veröffentlichung von Daten sowie eine „Hardcore-Qualitäts-Tageszeitungsredaktion”. Dennoch befinde man sich am Beginn eines Nachdenkprozesses, so Hämmerle weiter. Anderen Medienhäusern solle durch die Partnerschaft keine Konkurrenz gemacht werden, fügt Helmenstein hinzu.

Die ersten Ergebnisse eben dieses Prozesses seien zahlreiche Ideen, die in einem nächsten Schritt weiterentwickelt werden sollen. Auf Nachfrage erläuterte Helmenstein drei mögliche Zugänge, die derzeit besprochen werden. Der erste sehe vor, Akteuren aus der Wissenschaft redaktionellen Platz einzuräumen. So wolle man den wissenschaftlichen Diskurs um weitere Stimmen ergänzen. Eine weitere Idee von Helmenstein sei, das Internet „umzudrehen”: Man wolle weniger angebotszentriert agieren und sich mehr nach den Interessen der Nachfrager richten. Die Redaktion solle dennoch weiterhin als Gatekeeper fungieren. Überdies könne sich Cognion vorstellen, das Archiv der Wiener Zeitung mittels Algorithmen „semantisch auszuwerten”. Eine Kommerzialisierung von Daten schwebe dem Ökonomen nicht vor, vielmehr würde die Datenanalytik bei der Wiener Zeitung in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Der Chefredakteur meinte betreffend das Fortbestehen der Zeitung, dass er selbst „1 zu 10 gegen uns gewettet hätte” und: „Das Licht war aus, die Tür fast zugeschlagen.” Nun würde sich aber eine „Wachstumsperspektive” bieten, so Hämmerle. Erfreut darüber würde sich auch die Redaktion zeigen – laut Hämmerle sei der Vorschlag dort auf große Unterstützung gestoßen.

Es scheint, als ob in den Räumlichkeiten der Wiener Zeitung das Licht wieder an und die Tür wieder offen sei. „Das ist ein Startpunkt und kein Endpunkt”, betont Hämmerle.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL