••• Von Dinko Fejzuli
Im Jahr 1979 von Gert Winkler gegründet und nach einem wirtschaftlichen Hoppala gleich zu Beginn war das Männermagazin Wiener über Jahre eine Institution am heimischen Printmarkt. Danach folgten wechselvolle Zeiten mit etlichen Chefredakteuren, und 2015 wurde es vom Eigentümer Styria Media Group an Gregor Josel und Franz J. Sauer verkauft.
Die letzten Jahre waren durchaus turbulent, und die Pandemie hat dem Magazin wirtschaftlich zugesetzt. Und auch wenn man kürzlich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bekannt geben musste, geht es weiter. medianet sprach mit Franz Sauer, einem der beiden Eigentümer, über die Zukunftspläne.
medianet: Herr Sauer, Ende Jänner war in mehrere Medien zu lesen, dass über die Zeitschrift Wiener ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, dieses aber den laufenden Betrieb in keiner Weise einschränke. Was genau heißt das und wie ist die aktuelle Lage?
Franz Sauer: Wir haben zur Covid-Zeit im Bestreben und mit der Hoffnung, nach der Krise den Vollbetrieb wieder aufzunehmen, kein Personal reduziert und auch sonst keinerlei Kürzungen vorgenommen, obwohl speziell die Werbeeinnahmen bekanntlich massiv eingebrochen sind und haben deshalb in Absprache mit unserer Hausbank einen sogenannten Cofag-Kredit mit AWS-Haftung aufgenommen.
Bloß hat die Krise seither kein merkliches Ende genommen – der Covid-Unbill ging nahtlos in die Ukraine-Krise nebst Inflation und Preisexplosion über, der Werbemarkt hat sich total verändert und ist seither eigentlich gar nicht mehr angesprungen. Viel zu spät haben wir erst im Vorjahr mit entschiedenen Kurskorrekturen reagiert, was sich auch im Ergebnis des Jahres 2024 widerspiegelt, wo die wirtschaftlichen Kennzahlen endlich wieder – und auch für die Zukunft – nach oben zeigen.
Um die Schulden bei der Bank abzudecken, hat das aber natürlich nicht gereicht, weshalb wir nun aus juristischen Gründen dazu gezwungen waren, ein Sanierungsverfahren einzuleiten – ein Schicksal übrigens, das sich die Josel & Sauer GmbH derzeit mit zahlreichen anderen Unternehmen teilt. Aber wir haben uns auf diesen Schritt vorbereitet und sind guter Dinge, dass wir die diesbezüglichen, juristischen Vorgaben gut erfüllen können. Die nächsten Ausgaben und deren Erscheinen sind jedenfalls gesichert, der Fortbetrieb wird auch von der Masseverwalterin wohlwollend unterstützt.
medianet: Der Wiener wurde 1979 gegründet, galt zeitweise als richtungsweisend und legendär. Was ist der Wiener aus Ihrer Sicht heute?
Sauer: Auch wenn sich die Gegebenheiten am Medienmarkt in den letzten 45 Jahren deutlich verändert haben, hat der Wiener nach wie vor eine hohe Bekanntheit als Medienmarke und wird von einem kleinen, aber feinen Leserkreis nach wie vor als Zeitschrift für Zeitgeist wahrgenommen. Die hinterfragt, aufzeigt, für einen gewissen Lebensstil steht und innerhalb dieses Inertialsystemes versucht, eine Orientierungshilfe zu geben – allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger oder Verachtung für anders Denkende, sondern stets mit einem Augenzwinkern und ein wenig Humor.
Was den Wiener heute wie damals ausmacht, sind großartige Autoren und Fotografen. So leisten Menschen mit Meinung und Zeitgeist wie Nunu Kaller, Janina Lebiszczak, Dirk Stermann, Manfred Rebhandl, Andrea Kdolsky, Georg Biron, Götz Schrage oder Kurt Molzer regelmäßig wundervolle Beiträge, liefern Top-Fotografen wie Oliver Gast, Erich Reismann, Götz Schrage – der ja beides wundervoll kann – oder Peter M. Mayr sensationelle Bildbeiträge. Was unsere Leser zu schätzen wissen.
Ich glaube, dass Magazine wie der (Print-)Wiener in Zeiten der ungut ausufernden Informationsflut über Social Media und Co das Zeug dazu haben, so etwas wie das Vinyl der Medienbranche zu werden, um einen Vergleich zur Musikindustrie zu ziehen.
medianet: Nach wechselvollen Jahren haben Sie ja gemeinsam mit Gregor Josel vor fast genau zehn Jahren den Wiener von der Styria gekauft. Warum eigentlich und wie ist es Ihnen in diesen zehn Jahren ergangen?
Sauer: Wir haben damals mit motorblock.at das einzige, von einem Printtitel unabhängige Motor-Onlinemagazin Österreichs gegründet und sind recht schnell zur Nummer eins geworden, was Zugriffe, Relevanz und auch Social Media-Präsenz betraf.
Als dann überraschend der Wiener zum Verkauf stand und man an uns herantrat, hatten wir die Idee, dieses Konzept der umfassenden, zielgruppenaffinen 360 Grad-Präsenz auch um die Welt des Wiener – den wir von der Styria ja ohne nennenswerten Online-Auftritt übernahmen – weiterspinnen zu können.
Ein Vorhaben, das viel gekostet hat, aber bis 2020 ganz gut auf Schiene war. In diesem Jahr hätten wir laut Vorbuchungsstand erstmals Gewinne geschrieben. Dann kam Covid und die Karten wurden neu gemischt …
medianet: Und wo sehen Sie nun, in einer Zeit, in der Print zurückgeht, die Jugend angeblich nicht mehr liest und die Schnelllebigkeit zunimmt, den Platz des Wiener?
Sauer: Ganz einfach gesagt – genau dort nicht. Wir haben die Illusion aufgegeben, mit der DNA eines Mediums wie dem Wiener Jugendliche zu erreichen oder sogar zu begeistern. Mittlerweile finde ich es sogar auf eine gewisse Weise degoutant, wenn ein 50-Jähriger wie ich der Meinung ist, es interessiert irgendwen, wenn er sich auf Social Media-Plattformen mit dort funktionierendem Content lächerlich macht, um mit irgendwelchen Trends mitzuschwimmen.
Wir meinen, dass der Wiener mit klarem Fokus auf die Print-ausgabe seinen Platz in der Zielgruppe interessierter Leser ab 40 hat, die Magazine wie dieses noch verstehen und als Rückzugsort vom medialen Getöse, das sowieso tagtäglich auf sie einkracht, lieben. Darauf konzentrieren wir uns, dort wollen wir zu Hause sein und bestmöglich liefern.
Dass diese Menschen auch bereit dazu sind, etwas Geld für Magazine wie den Wiener auszugeben, beweist, dass wir trotz massiver Copypreis-Erhöhung auf 15 Euro weder am Kiosk, noch bei den Abos nennenswert Leser verloren haben. Das ist uns die größte Auszeichnung, signalisiert ein weiteres Mal Relevanz. Und spiegelt sich auch im Feedback vom Werbemarkt wider, das wir seit dem Relaunch Anfang 2024 (hochwertigeres Papier und Layout, mehr Lesestoff, weniger Kleinteiliges, etc.) erhalten.
medianet: Auf der Website des Wiener, unter wiener-online.at, erinnern Sie daran, dass auch der damalige Wiener-Gründer Gert Winkler nach dessen Anlauf einen ‚ungeplanten, wirtschaftlichen Stopp' einlegen musste. Wo sehen Sie die Zukunft Ihres Magazins?
Sauer: Wie oben bereits ausgeführt, in solider und stetiger Fokussierung auf ein Printprodukt der hochwertigsten Ausführung, das vier Mal pro Jahr erscheint und seinen Leserkreis vielleicht durch Maßnahmen wie Direktvertrieb oder auch dem Sprung über die Landesgrenzen erweitert.
Mit der Situation von 1980, als Gert Winkler mit Hans Schmid neu durchstartete, ist unsere heutige Lage natürlich nicht vergleichbar. Was diese Menschen damals anstarteten, war etwas völlig Neues, Spannendes, das den deutschsprachigen Magazinmarkt aufmischte und quasi neu erfand. Wir spielen heute auf einem klar definierten Spielfeld, aber meinen, unsere Lektion der letzten Jahre gelernt zu haben. Und mit einem überschaubaren, aber soliden und treuen Leserstamm, der uns vertraut und mit uns mitzieht, in eine gar nicht so düstere Zukunft zu blicken.
medianet: Apropos Online – wie sieht die Digital-Strategie des Wiener aus?
Sauer: Weg von der schnellen, schrillen Meldung mit hastigem Posting auf Social Media, hin zu einer soliden Online-Erweiterung eines hochqualitativen Printangebots, etwa durch Bewegtbild, wo es die Möglichkeit dazu gibt, oder durch Podcasts und Ähnliches. Und in der Digitalisierung unseres großartigen Archivs bis zurück ins Jahr 1979, sozusagen als digitale Erweiterung des Abo-Angebots.