••• Von Dinko Fejzuli
WIEN. Der österreichische Werbemarkt kann im April 2021 in Relation zum Vorjahr deutlich zulegen. Das war ob der immensen Einbußen im Vorjahr durchaus zu erwarten. Die Bruttowerbespendings im Bereich des AboveTheLine erreichen an die 325 Mio. € – und liegen somit um fast 20% über dem Vorjahreswert, jedoch noch deutlich hinter dem Niveau von 2019 (über 360 Mio. €). Die Frage ist nun, ob dieser Brutto-Anstieg bei den Betroffenen tatsächlich auch netto angekommen ist. medianet hat sich in der Branche umgehört.
Oliver Böhm, Chef des ORF-Werbezeitenvermarkters ORF-Enterprise gegenüber medianet zur Lage in seinem Unternehmen: „Die ORF-Enterprise hat 2020 letztendlich deutlich besser abgeschlossen, als das im März und April des Vorjahres aufgrund der Coronakrise für möglich gehalten wurde. 2021 hat trotz erneuten Lockdowns stark begonnen. Das erste Quartal haben wir im TV, Radio und Online über Vorjahr abgeschlossen. Im April-Jahresvergleich sieht man die Verbesserung zum Vorjahr besonders stark und wir verzeichnen ein Plus von 20 Prozent.”
Ähnliches kann auch sein privates Pendant, Walter Zinggl, seines Zeichens Geschäftsführer der IP Österreich, berichten: „Aus unserer Sicht zeigen die Focus-Zahlen in die richtige Richtung; alles andere wäre nach dem ‚Horror-April 2020' – zur Erinnerung: Storni in Millionen-höhe prasselten täglich herein, niemand wusste, wie und wann der Lockdown endet, die Straßen waren menschenleer und das Klopapier ausverkauft – auch katastrophal. Im linearen TV liegen wir in der IP Österreich ‚netto Kassa' deutlich über der Focus-Steigerung, im Online-Bereich noch deutlicher.”
Das liege „einerseits an der guten Performance unserer TV-Sender – im Vergleich zu 2020 gewinnen wir 1–4 2021 0,4 Prozent Marktanteilspunkte in der Zielgruppe 12–49 – und andererseits an unserer Innovations-Strategie, die uns immer mehr zum ‚cross-medialen' Vermarkter macht”, so Zinggl. Man freue sich sehr über die ersten Monate des Jahres 2021 „und noch mehr auf den Rest des Jahres”.
Zufriedene Agenturen
Blickt man auf die Agenturseite, so wird die Lage etwa auch von Irene Sagmeister, geschäftsführende Gesellschafterin der Werbeagentur We Love\TBWA, bestätigt: Die Stimmungslage im Markt sei definitiv „fröhlicher, optimistischer und freundlicher” und das führe zu „mehr Pitches und zu mehr Projekten, die abgerufen werden”. Und auch unter den Bestandskunden herrsche wieder eine deutlich zuversichtlichere Stimmung, so Sagmeister gegenüber medianet. Auf der Mediaagenturseite scheint die Stimmung ebenfalls nicht unähnlich zu sein.
VÖP fordert Sonderdotierung
Ursula Arnold, CEO Mindshare, sagt gegenüber medianet zu den Focus-Zahlen und zur Lage: „Wir spüren diesen positiven Trend und können auf einen sehr starken Start unserer Kunden im Jahr 2021 zurückschauen. Auch erneute Lockdown Phasen in Ostösterreich konnten diese Entwicklung nicht aufhalten. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Trend anhält.”
Etwas zurückhaltender zeigt sich Corinna Drumm, Geschäftsführerin des VÖP, des Verbands der heimischen Privatsender: „Die Bruttozahlen von Focus zeigen zwar Steigerungen, aber bei näherer Betrachtung muss man diese relativieren. Auf der einen Seite ist die Brutto-Netto-Schere im vergangenen Jahr deutlich aufgegangen. Das ist nicht zuletzt auf den spürbar angestiegenen Preisdruck des ORF auf den Markt zurückzuführen. Diese Brutto-Steigerungen haben sich also leider nicht in gleicher Weise auf die Nettoerlöse der meisten Privatsender ausgewirkt. Auf der anderen Seite ist ein Teil dieser Steigerungen auch auf öffentliche Werbeausgaben zurückzuführen. Diese Veränderung der Umsatzstruktur ist jedoch nicht nachhaltig und sie kann sich wieder ändern. Aus den genannten Gründen setzen wir uns mit Nachdruck dafür ein, dass es auch im Jahr 2021 – so wie schon 2020 – eine Sonderdotierung der Privatsenderförderung gibt.”
Seitens des VÖZ freut man sich auch über die steigenden Werbeumsätze, resultierend aus den sinkenden Infektionszahlen und den dadurch erfolgten Öffnungsschritten; man warnt aber vor neuen Problemen durch die „vom Gesundheitsministerium geplanten Werbeverbote in allen Medien für einen Großteil der Lebensmittel – eine völlig falsche Maßnahme, die diese Entwicklung dramatisch beeinträchtigen kann”, so VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger.
Man gönnt sich wieder was
Und laut Susanne Koll, CEO OMD, hätten Konsumenten durch den nicht möglichen Konsum im Lockdown Geld gespart und seien hungrig danach, es wieder „unter die Leute zu bringen”. Gerade im hochpreisigen Segment sehe man einen Trend zur Erholung.
Koll fasst es so zusammen: „Nach der Krise ist jetzt Erholprogramm angesagt – man gönnt sich wieder was.”