Der Blockwart ist zurück – in digital
MARKETING & MEDIA Redaktion 01.07.2022

Der Blockwart ist zurück – in digital

Wie Datentracking in den USA beim Thema ­Abtreibung zu erschreckenden Folgen führen kann.

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli

DIGITALE DENUNZIANTEN. Abgesehen davon, dass es ein nahezu beispielloser Vorgang war, als vor wenigen Tagen das US-Höchstgericht die Entscheidung ehemaliger Kollegen wieder aufhob und die Abtreibung in den USA praktisch wieder unter Strafe stellte, und dass zwei derzeitige Höchstrichter bei genau dieser Frage vor ihrer Bestellung und bei ihrem damaligen Hearing die Bestellungskommission unter Eid belogen hatten, als sie versicherten, dass sie die Entscheidungen ihrer Vorgänger beim Thema Abtreibung respektieren würden und nun genau das Gegenteil taten – das Abtreibungsverbot in Kombination mit den heutigen digitalen Möglichkeiten öffnet Tür und Tor für eine digitale Menschenjagd, deren Folgen wir alle noch nicht absehen können.

Das Problem ist: Jeder, der Zugang zu bestimmten Daten hat (etwa bei Suchmaschinen oder auch Geo-Daten, also Informationen darüber, wo sich wer zu welchem Zeitpunkt aufgehalten hat), kann daraus Schlüsse ziehen, ob eine ganz bestimmte Person, die sich zum Beispiel vorher im Netz über Schwangerschaftsabbrüche informiert, danach in der Nähe einer sogenannten Abtreibungsklinik war und möglichwerweise einen Schwangerschaftsabbruch durchführen hat lassen. Und nun kommts: Jetzt, wo dies verboten ist, kann jeder und jede diese Frauen auf Verdacht anzeigen, denunzieren und bei den Behörden anschwärzen.

Seit Jahren vorbereitet

Szenarien wie diese klingen dystopisch, äußerst bedrohlich und in Wahrheit wie der wahrgewordene Albtraum jener Geschichte, die George Orwell bereits 1949 in seinem Roman „1984” beschrieben hat.

Vieles davon, was Orwell im Buch beschreibt, etwa das gezielte Löschen von Informationen, um den künftigen Blick auf die Vergangenheit zu verfälschen, gibt es bereits in Ansätzen, etwa wenn Algorithmen bestimmen, was wir zu lesen bekommen, und was nicht.

Ach ja: Die Gedankenpolizeit gibt es – zumindest derzeit – jedoch noch nicht.

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