Der Skistar tritt ab, die Werbeikone bleibt
© AFP/APA/Joe Klamar
MARKETING & MEDIA Redaktion 06.09.2019

Der Skistar tritt ab, die Werbeikone bleibt

Der heimische Skisport verliert mit Marcel Hirscher einen ­verlässlichen Sieger als Testimonial bleibt er erhalten.

••• Von Georg Sander

"Ich mache es kurz und schmerzlos. Es ist keine große Überraschung mehr. Heute ist der Tag, an dem ich meine aktive Karriere beende”, sagte Skistar Marcel Hirscher am Mittwochabend im Salzburger Gusswerk. Wie schon in den letzten Sommern war bei Pressekonferenzen darüber spekuliert worden, ob er weiterfährt oder doch nicht. Nun war es so weit. Die Entscheidung sei rund zwei Wochen alt: „Es ist nicht das erste Mal, dass ich daran denke, ob es das war oder nicht.” Der Rummel habe ihn nun nervös gemacht, obwohl er das eigentlich kennen sollte: „Es fühlt sich heute an wie die Heim-WM 2013. Ich war schon lange nicht mehr so nervös. In Schladming damals daheim Weltmeister zu werden, das war für mich das, was in Erinnerung bleibt.” Dabei war das einzige, was er gemacht habe, eine Einladung auszuschicken: „Es ist jetzt schnell gegangen. Als ich die Einladung den Journalisten aussendete, dachte ich mir: ‚Na Hawidere! ”

Welche Bedeutung der Skifahrer Marcel Hirscher für Österreich hat, zeigte sich auch an der Medienpräsenz, den Dutzenden Fotografen, dem internationalen Interesse. Und letztlich auch an dem Umstand, dass ORF 2 extra eine Wahlkonfrontation verschoben hatte, um den Österreichern die Rücktritts-Pressekonferenz eines Pistenartisten live ins Wohnzimmer zu bringen. Das wäre wohl in anderen Ländern nicht der Fall.

Die Werbemillionen

Um die Wichtigkeit eines Marcel Hirscher für die Öffentlichkeit zu verstehen, braucht es einige Zahlen. Seit 2015 erhebt Focus Sportsponsoring-Zahlen, 2018 ist bereits analysiert. Der Bruttowerbewert ist rund eine Milliarde Euro schwer, 690 Millionen Werbedruck kommen dabei aus der Sport-Berichterstattung im Fernsehen, 263 Millionen aus dem Print sowie circa 50 Millionen Euro aus den Online-Medien. Und obwohl Fußball mittlerweile quasi ein Ganzjahressport ist, fallen im Sponsoren-Werbedruck nur elf Prozent auf die Fußball-Bundesliga, aber 35 Prozent auf Skisport-Events.

An die Werbewerte eines Marcel Hirscher kommt hierzulande laut Focus Media Research nicht einmal Tennisstar Dominic Thiem heran; der generierte laut den Analysten 2018 einen Werbewert von 3,8 Millionen Euro. Fast das Doppelte schaffte Hirscher bereits 2015, da waren es 7,2 Millionen Euro. Letztes Jahr schaffte der Skifahrer 10,4 Millionen Euro. Er ist mit den errechneten 6,6 Millionen für Ausrüster Atomic, 3,1 für Raiffeisen, 1,1 Millionen Euro für Ausrüster Komperdell überhaupt der mit Abstand wertvollste Sportler.

Hirscher wird fehlen

Gemäß der Focus-Erhebung wird Hirscher fehlen. Denn die Topwerbemittelplatzierungsarten sind mit dem Skisport bestens kombinierbar. 33 Prozent fallen auf Dressen, weitere 15 Prozent auf den Kopfsponsor und zehn Prozent auf Einzelsportgeräte. Erst dann kommen Banden, Mannschaftssportgeräte und weitere Werbemittel. Da sind Skifahrer, die einen Helm, Dressen und Sportgeräte haben, perfekte Werbeträger. Unter den Top15-Werbeträgern befand sich mit Tennisstar Dominic Thiem nur ein Nicht-Wintersportler.

Weitere Arbeit

Nicht nur der Skisport verliert nun einen Superstar, der beinahe alle Rekorde pulverisierte. Achtfacher Gesamtweltcupsieger, 67-facher Weltcupsieger, Doppelolympiasieger, mehrfacher Weltmeister. Das heißt viel TV-Zeit, noch mehr Werbewert. Leodegar Pruschak, Head of Group Marketing bei der Raiffeisen Bank International AG, betonte bei der Pressekonferenz aber, dass man weiterarbeiten wolle: „Wir haben mit Marcel in letzter Zeit sehr erfolgreiche Werbekampagnen gemacht. Wir haben schon, gemeinsam mit Hermann Maier, für den Herbst gedreht.” Ab Mitte Oktober wird der Spot zum Thema Geldanlage zu sehen sein.

Bei Maier konnte man auch sehen, wie ein Testimonial auch nach der aktiven Karriere werbewirksam eingesetzt werden kann. Mit Hirscher arbeitet das Unternehmen bereits seit 2009 zusammen. In einer Aussendung heißt es: „Diese außergewöhnliche Sportkarriere begleiten zu dürfen, ist für uns als Sponsor und Partner eine ganz besondere Erfolgsgeschichte, für die wir sehr dankbar sind. Wir freuen uns, dass er weiterhin Raiffeisen Werbe- und Markenbotschafter bleiben wird.”

Nachfolgersuche

Pruschak konkretisiert die Wertigkeit: „Er war nicht nur als Sportler äußerst erfolgreich und hat kaum zu übertreffende Maßstäbe gesetzt, sondern ist auch eine Persönlichkeit, die mit ihrer Natürlichkeit, Zielstrebigkeit, Coolness, Professionalität und vor allem Glaubwürdigkeit überzeugt. Seine herausragenden sportlichen Erfolge und Charaktereigenschaften machen ihn zum idealen Partner für Raiffeisen.”

„Der Marcel ist einer der Größten überhaupt. Er ist ein Idol. Seine Bedeutung zeigt sich auch daran, dass diese Sendung im Hauptabendprogramm läuft und die Politik nach hinten verschoben wird”, meinte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel im ORF. Nun müsse man andere finden, die in diese Bresche springen. Hirscher war ein verlässlicher, akribischer Lieferant von Siegen – und somit Präsenz. Nicht nur der Skiverband braucht jetzt neue Stars, auch eben der ORF, die Kronen Zeitung und alle anderen im Skisport engagierten Sponsoren. Doch der Verband liefert quasi verlässlich. Nach Hermann Maier kamen Stefan Eberharter, Benni Raich, Marlies Schild, Anna Veith. Kurzfristig werden es aber internationale Stars sein, die Hirschers Platz einnehmen, wie der Norweger Henrik Kristoffersen oder der Franzose Alexis Pinturault.
Hirscher kann’s egal sein. Und schon die Pressekonferenz war ein Fingerzeig auf die Zukunft. Er kam im weißen Shirt, Sponsoren gab es keine. Eine klare Ansage. Und sonst? „Es war ein eigenartiges Leben, aus dem Koffer zu leben. Ich freue mich, dass das nicht mehr so sein wird.”

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