Die Geschichte vom Kanzler-Bonus
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 29.04.2016

Die Geschichte vom Kanzler-Bonus

Zuerst war es ein spannendes Rennen um die Bundespräsidentschaft, jetzt wackelt der Kanzler. Die Politik und das Marketing.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider


IF YOU CAN. Wir schlagen heute einen etwas größeren Kreis von der Marke (1) zur Strategie (2) zur Marktpositionierung (3). Ein Corporate Brand, so der Auch-nicht-mehr-so-Neusprech für die Unternehmensmarke, umfasst das Unternehmen in seiner Gesamtheit – in seiner Außenwirkung als Marke; auch in seiner Innenwirkung, wie man inzwischen weiß, aber das führt zu weit … Und diese Marke will gehegt werden: Das Corporate Brand Management sorgt demnach dafür, dass dabei nichts Gravierendes schiefgeht. So weit, so langweilig. Marken werden schon seit 300 Jahren mehr oder weniger erfolgreich in irgendeiner Form gemanagt, auch Klassiker wie Coca-Cola oder Maggi führen vor, wie weit in die Historie dieser Ansatz zurückreicht.

Vertrauenssachen

Jetzt kommen wir also zum Thema: Faymann und seinem schrumpfenden Verein der Sozialdemokraten. Zehn Punkte für alle, die mittels freien Assoziierens ein paar Charakteristika der Marke (1) SPÖ aufzählen können, die einander einerseits nicht widersprechen und andererseits von der Beschriebenen nicht als beleidigend empfunden werden. „Rote Nelke” gilt nicht. ­„Solidarität. Fortschritt. Gerechtigkeit” schlägt die Google-Suche vor. Aber: mit und für welche Klientel? Die Wählerschaft der Roten ist tiefst gespalten – auf der einen Seite stehen die, die vorrangig Schutz vor allem Unbill suchen, sprich: auf den starken Wohlfahrtsstaat vertrauen. Auf der anderen Seite stehen jene, die selbstbewusst auf die Errungenschaften einer Gesellschaft mit ausgeprägtem humanistischen Menschenbild verweisen. Die Website der SPÖ verwies am gestrigen Donnerstag in ihrem Newsbereich auf das deutliche „Nein” des Sozialministers „zu Bankomatgebühren!” … So viel zur Strategie (2).

„Marktführerschaft”, hieß es in einem Gastkommentar, den Markenstratege Michael Brandtner im Jänner 2010 für medianet verfasst hat, „ist einer der stärksten, wenn nicht vielleicht sogar der stärkste Differenzierungsansatz im Marketing”. So schätzten wir „Marktführer spontan höher ein als Nicht-Marktführer”. In der Politik entspreche das „dem berühmten Kanzler-Bonus”. Marktführer sollten jedoch als Marktführer wahrgenommen werden, Kanzler als Kanzler. Und da tat sich schon damals ein Riss zwischen Papier und Realität auf. Der damalige und heutige Kanzler lag in einer zu diesem Zeitpunkt publizierten Umfrage zum Thema „Vertrauen in Politiker” auf Platz 10. Der Mitbewerb war zur Zeit eines Vizekanzlers Josef Pröll, sagen wir einmal: überschaubar.
Weiter im Text: „Ein Marktführer muss anders denken und handeln als ein Herausforderer.” So weit, so schlüssig. Aber: Was tun, wenn der Marktführer seine Platzhirschstrategie dermaßen verbockt hat, dass er sein Revier an den Herausforderer abgetreten hat? „If you can, be first” heißt es in der alten Vermarkterbibel „The 22 Immutable Laws of Marketing”. Been there, done that. Was tut also eine Nummer eins, die es nicht mehr „derrennt”? „If you can't be first in a category, set up a new category you can be first in.” Klingt altbacken, könnte aber inmitten der Selbstzerstörung der Kanzlerpartei ein heißer Tipp sein. Rechts der Mitte tut sich einiges in der Parteienlandschaft. Links wär noch Platz (3).

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