••• Von Sabine Bretschneider
WIEN. Die Jobsuche ist derzeit kein einfaches Unterfangen. Initiator Bernhard Ehrlich hat seine Bewerberveranstaltung „10.000 Chancen” kurzerhand in einen digitalen Mega-Event mit 2.000 bis 3.000 Jobs umgewandelt.
medianet: Wie kam es dazu? Gab es die Nachfrage seitens der Unternehmen – oder ist es eine ‚nur' auf die Coronakrise maßgeschneiderte Initiative?
Bernhard Ehrlich: Wir haben bereits in der Vergangenheit immer wieder mit dem Gedanken eines digitalen 10.000 Chancen Job Day gespielt, zusätzlich zum Event in der Wiener Marx Halle. Das ist vor allem deswegen interessant, weil so Bewerber aus allen Bundesländern teilnehmen und zum Zuge kommen können. Es gab auf diese Idee positive Rückmeldung der Arbeitgeber, allerdings lag für sie bisher der Schwerpunkt auf dem gewohnten Veranstaltungsformat.
Die Coronakrise hat die österreichischen Unternehmen aber praktisch in das Zeitalter des Video Conferencing hineinkatapultiert. So mancher Arbeitgeber hat in dieser Situation erst erkannt, wie gut sich die Technologie in den Alltag, auch den Recruiting-Alltag, integrieren lässt. Insofern ist die Verwirklichung dieser Idee aufgrund der Coronakrise massiv beschleunigt worden.
medianet: Wie haben Sie die Arbeitgeber dazu überredet?
Ehrlich: Es war nicht viel Überzeugungsarbeit nötig. Von Unternehmensseite herrscht ein großes Bedürfnis, qualifizierte Bewerber kennenzulernen. Immer mehr Unternehmen sind nicht mehr in Kurzarbeit oder hören demnächst wieder damit auf. Im derzeitigen Chaos rund um den Arbeitsmarkt ist es für beide Seiten schwer, zueinander zu finden. Insofern war es für alle eine große Erleichterung, als wir eine einfache, unkomplizierte Lösung präsentiert haben, mit der die Unternehmen virtuell rekrutieren können.
medianet: Hat dieser digitale Event internationale Vorbilder – oder denken Sie selbst daran, das Konzept zu exportieren?
Ehrlich: Der Job Day online ist eine ganz neue Kategorie im internationalen Recruiting, und wir können uns vorstellen, das Konzept zu exportieren.
medianet: Für Arbeitnehmer mit einer gewissen Mobilitätsbereitschaft ist diese Möglichkeit ideal …
Ehrlich: Ich bin überzeugt, dieses Konzept wird sich auch für die Zukunft bewähren. Allerdings gibt es immer noch ein großes Bedürfnis der Menschen, sich persönlich zu begegnen. Das ist einfach ein Grundbedürfnis – über das hinausgehend, was man mit einem digitalen Meeting bewerkstelligen kann. Als Zusatzangebot kann ich mir aber einen digitalen Job Day durchaus vorstellen.
medianet: Mit welcher Softwarelösung arbeiten Sie?
Ehrlich: Konkret zeichnet das Grazer Kleinunternehmen Leftshift One – in Kooperation mit dem oö. Unternehmen Chatvisor – für die Umsetzung der Landing Page sowie der digitalen Warteschlange verantwortlich. Uns war gerade bei der Wahl der Technologieanbieter wichtig, auf österreichische Unternehmen zurückzugreifen – auch, um die heimische Wirtschaft zu stärken.
medianet: Wie beurteilen Sie den vielgeschmähten AMS-Algorithmus?
Ehrlich: Die Diskussion um den AMS-Algorithmus ist Corona-bedingt in den Hintergrund gerückt. Es ist sehr wichtig, weiterhin auf die Gefahren dieses intransparenten und diskriminierenden Modells hinzuweisen. Die Unternehmen suchen teilweise verzweifelt geeignete Bewerber, und diese suchen jetzt umso stärker den Kontakt mit Unternehmen. Anstatt diese unsichtbaren Barrieren zwischen Unternehmen und Bewerbern zu reduzieren, wird nun zusätzlich ein Algorithmus eingeführt, der die Arbeitssuchenden drei Kategorien zuteilt. Sie werden tatsächlich auf Zahlen reduziert – 96 Modelle, um präzise zu sein. Nach Methoden, deren Objektivität von Wissenschaftlern infrage gestellt wird. Das ist sowohl für Unternehmen als auch Bewerber ein weiteres Hindernis in ihrem Bemühen, zusammenzukommen.
Termin
19. Mai 2020 (8:00–18:00 Uhr)
Anm. & Infos: jobday-online.at