Die Stimme verkauft
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Sprech­trainerin Barbara Blagusz kommt aus dem Verkauf und ist Autorin des Buchs „Erfolgsfaktor Stimme – gute Stimmung in Beratung und Verkauf.”
MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 17.03.2017

Die Stimme verkauft

Der Inhalt sei nur ein (kleiner) Teil der Botschaft, erklärt Sprechtrainerin Barbara Blagusz im Interview.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Das Krächzen von Cindy Lauper, das Nuscheln von Til Schweiger oder das Flöten von Verona Feldbusch – Die Stimme ist ein wichtiges Instrument und kann mit einer speziellen Stimm- und Sprechtechnik – dem „Stimmcode” – angepasst werden. Denn, so erklärt Stimmtrainerin Barbara Blagusz im Interview, Erfolg im Beruf hänge allzu oft nicht nur vom Inhalt, sondern besonders auch vom richtigen Ton ab.

medianet:
Frau Blagusz, welchen Stellenwert nimmt die Stimme in einem Verkaufsgespräch derzeit ein und welchen sollte sie eigentlich haben?
Barbara Blagusz: Gegenfrage: Würden Sie genauso viel Geld verdienen, wenn Sie nicht Ihre Stimme hätten? Wahrscheinlich nicht. Erfolgreiche Verkäufer sind oft nicht die mit dem besten Verkaufsprozess. Menschen versuchen, sich in Verkaufstrainings fehlendes Know-how anzueignen. Das ist gut, reicht aber meistens nicht. Es geht nicht so sehr darum, was Sie sagen, sondern wie Sie es sagen. Ob Sie kompetent und glaubwürdig wahrgenommen werden, hängt weit mehr vom Stimmklang ab, als vom gesprochenen Wort. Der Inhalt macht maximal 19 Prozent der Überzeugungswirkung aus. Die Stimme liegt jedoch bei mehr als 40 Prozent und gewinnt somit immer über den Inhalt.

medianet:
Welchen Anteil am Verkaufserfolg haben Dinge wie Produkt, Gesprächsführung usw. und welchen die Stimme?
Blagusz: Das Produkt selbst ist oft gar nicht so entscheidend. Haben Sie ein gutes Marketing, können Sie jedes Produkt verkaufen – siehe Red Bull. Bei komplexeren Produkten steigt die Bedeutung des Verkäufers rapide an. Dort zeigt sich dann schnell, wie kompetent und vertrauensvoll und damit letztlich überzeugend Sie im Verkaufsgespräch agieren. Unterschätzen Sie nicht die Macht der Stimme. Die Stimme gibt dem Inhalt erst Bedeutung. Dort erfahren Sie als Kunde, wie die Botschaft ‚gemeint' ist. Sie können das Wort ‚gut' freudig, abwertend oder gelangweilt ausdrücken und haben damit trotz gleichen Inhalts eine völlig andere Bedeutung.

medianet:
Stimme allein ist nicht alles; wie sieht es mit der Körpersprache aus?
Blagusz: Stimme und Körpersprache hängen untrennbar zusammen. Wir erkennen im direkten Kontakt aufgrund der größeren Projektionsfläche Unsicherheiten noch besser als beispielsweise am Telefon.

medianet: Wie weit unterscheidet sich jemand, der im persönlichen Verkaufsgespräch mit einem Kunden steht, von jemandem, der über das Telefon arbeitet? Wo sind die Unterschiede?
Blagusz: Am Telefon liegt das Verhältnis bei 15 Prozent Inhalt zu 85 Prozent Stimme – und wir entscheiden schnell darüber, ob uns eine Person am Telefon sympathisch und bzw. oder kompetent erscheint – beides sind gute und wichtige Voraussetzungen für positive Kaufabschlüsse.

medianet:
Was ist leichter ‚auszuwetzen' – ein vielleicht nicht optimales Produkt oder eine schlecht eingesetzte Stimme?
Blagusz: Das Produkt soll zum Kunden passen. Tut es das nicht, wird der Abschluss nie ganz glücklich enden. Der Zugang über die Stimme lohnt sich jedoch immer und ist viel einfacher, als weitläufig angenommen. Stimme ist eine Gewohnheit – weit mehr als angeboren und damit veränderbar. Das ist die gute Nachricht. Und wie für jede Gewohnheitsänderung braucht es auch hier etwas Übung. Oft genügen schon ganz kleine Hebel und Schrauben, an denen gedreht wir schon eine große Verbesserung der Sprechwirkung erzielen können.

Nicht viel: Fünf Minuten pro Tag reichen, um z.B. die Stimmlage zu verändern oder die Deutlichkeit bzw. die Sprechwirkung zu erhöhen.

medianet: Sehen Sie auch die Gefahr des 'Übertrainierens', etwa wenn man versucht, jemandem krampfhaft den Dialekt auszutreiben?
Blagusz: Auch hier gilt, Stimme ist eine Gewohnheit. Wachsen wir in einer Region mit starkem Dialekt auf, so ist uns dies vertraut und wir können es daher auch sehr authentisch. Wird die Hochsprache dann zu einem viel späteren Zeitpunkt dazugekommen, klingt es anfangs 'ungewohnt' und ja, es braucht etwas Übung. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass Optimierung immer möglich sein darf, möglich sein muss, sonst wären wir wohl immer noch auf allen Vieren unterwegs. So ist jede sprachliche Weiterentwicklung auch nur eine Gewohnheitsveränderung, mehr nicht. Nach einer kurzen Übergangsphase werden wir es zunehmend gewohnt und dann klingt es auch wieder authentisch.

medianet: Gibt es sozusagen systematische Unterschiede bei Männer- und Frauenstimmen? Welche Stimme verkauft besser?
Blagusz: Eine gute Stimme klingt warm, voll, kräftig und liegt auf der richtigen Tonlage. Es hängt also nicht vom Geschlecht ab, welche Stimme besser verkauft.
Frauen haben manchmal die Tendenz, unbewusst, ihre Stimmen zu hoch einzusetzen, oftmals weil sie lieb und freundlich sein wollen. Dies kann, wenn übertrieben, Kompetenz kosten.
Eine tiefe Stimme schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Eine tontiefe Stimme beruhigt, entschleunigt, deeskaliert in aufgeheizten Situationen. Je höher die Stimmlage, desto unglaubwürdiger wirkt jemand. Ich habe in einer Studie in Deutschland und Österreich die konkreten Auswirkungen von Sprechtechnik und Tonhöhe untersucht. In Österreich und im Süden Deutschlands spricht man weicher, und es wird überwiegend mit Tonhöhen betont, was auch als freundliches Sprechmuster gilt. Der Vorteil: Diese Art von Kommunikation klingt freundlich und baut Beziehungen auf. Der Nachteil: Die Betonung mit Tonhöhen lässt die Aussage unverbindlich klingen und oftmals verblassen. In Norddeutschland wird dagegen eher mit Lautstärke betont. Das erzeuge einen kompetenten Eindruck, wirke aber weniger 'nett'.

medianet: Gibt es typische Fehler, die Männer beim Einsatz ihrer Stimme machen im Vergleich zu Frauen und umgekehrt?
Blagusz: Abgesehen von zu viel Tonhöhe, was eher ein weibliches Phänomen ist, gibt es keine nennenswerten Unterschiede. Ein typischer Fehler, der generell gemacht wird, ist, das Satzende nach oben zu ziehen. Damit wird jede Aussage in Zweifel gezogen und das kostet wiederum Glaubwürdigkeit.

medianet: Was macht jemand, der generell eine nicht wirklich vorteilhafte Stimme hat? Gleich die Hände vom Vertrieb lassen?
Blagusz: Viele Menschen kommen deshalb zu mir, weil sie merken, dass irgend etwas nicht passt. Trotz vieler Verkaufstrainings klappt es nicht wirklich. Genau dazu habe ich mein Konzept des 'Stimmcodes' entwickelt, um Menschen schnell und effektiv dabei zu unterstützen, ihre Sprechwirkung zu erhöhen. Die Idee ist, die Betonungsmuster, die einem fehlen, nachzuholen.
Weiters kommt es auf Ihr Ziel an: Was wollen Sie erreichen? Wollen Sie eine andere Stimmlage? Das ist leicht und in wenigen Stunden plus ein bisschen Übung veränderbar. Wollen Sie kompetent klingen? Dazu muss man zuerst wissen, was das heißt. Kompetenz geht immer mit einer tiefen Stimme mit gezielten Lautstärkenbetonungen einher. Sowie - ganz wichtig - das Absenken der Stimme am Ende des Satzes. Bleiben Sie mit der Stimme am Satzende oben, verlieren Sie immer ein wenig an Souveränität. All das ist gezielt lernbar. Daher ist es im Stimmtraining so wichtig, das Potenzial jedes einzelnen Teilnehmers ganz genau zu betrachten sowie sein Ziel und die Sprechsituationen zu berücksichtigen. All das können Sie übrigens auch bequem online lernen.

Barbara Blagusz ist die einzige Sprechtrainerin, die aus dem Verkauf kommt. Sie ist Autorin des Buchs „Erfolgsfaktor Stimme – gute STIMMung in Beratung und Verkauf" (www.sozusagen.at)

Neben der Tonhöhe hat Blagusz eine Reihe weiterer „Fehler" ausgemacht, die im Geschäftsleben als störend empfunden werden:
Nasal sprechen: „Das ist im deutschsprachigen Raum nicht gefragt, in den USA oder Frankreich dagegen schon." Wenn auch noch das 'Schönbrunner Deutsch' dazukomme, wirke es schnell überheblich und arrogant.
Gepresst sprechen: Blagusz nennt als bestes Beispiel den Sänger Herbert Grönemeyer und dessen Form „Ich hab dich lieb!" zu sagen, was in österreichischen Ohren nicht glaubwürdig klingt.
Hinterer Stimmsitz: „Liegt die Stimme hinten, klingt das wie Kermit der Frosch", sagt Blagusz und nennt als Beispiel Heidi Klum; auch der frühere Bundeskanzler Werner Faymann habe diese Art, zu sprechen.
Nuschler: „Manche machen den Mund nicht auf beim Sprechen und pressen die Kiefer aufeinander", erzählt Blagusz. Das erzeuge den sogenannten Halo-Effekt, wonach aus einem Faktor Rückschlüsse auf die gesamte Persönlichkeit gezogen würden.
Monotones Sprechen: „Solche Menschen verwechseln Sachlichkeit mit Emotionslosigkeit", sagt die Stimmtrainerin. „Wer so spricht, kommt auch bald in den Verdacht, innerlich unbeteiligt zu sein – keine guten Voraussetzungen für ein Verkaufsgespräch.

„Während man sich täglich öfter in den Spiegel schaut, um über sein Äußeres Bescheid zu wissen, haben die meisten Menschen keine Ahnung, wie sie klingen", kritisiert die Trainerin. „Oft würde es schon helfen, wenn man sich selbst einmal mit dem Handy bei einem Verkaufsgespräch oder einem Telefonat aufnimmt." Viele Menschen würden sich auf Aufnahmen selbst nicht erkennen, weil die Stimme „außen" anders klinge, als man das selbst wahrnehme.

Stimmige Karriere
Sprach- und Stimmtipps von Barbara Blagusz
1. Analyse: Stimme trainiert man nicht im Kopf, sondern mit dem Gehör. Sprechen Sie auf Band (zuerst gelesen, dann frei) und hören Sie nach kurzer Zeit schon hörbare Veränderungen.

2. Warming-up: Summen Sie. Anfangs auf einem Ton, variieren Sie dann auch die Tonhöhe; das wärmt Ihre Stimmbänder auf und hält sie gesund.

3. Klarheit: Wenn Sie etwas wollen, formulieren Sie Ihr Anliegen nicht als Frage, denn das wirkt nicht kompetent und klar! Senken Sie die Stimme also am Satzende ab. Machen Sie einen Punkt am Ende. Und betonen Sie ein Wort - das wichtigste. Das unterstützt die Aussage.

4. Pausen: Pausen erhöhen die Spannung. Vermeiden Sie monotone Sprechweise und Schachtelsätze! Achten Sie auf eine gekonnte Pausensetzung!

5. Deutlichkeit: Hohe Wirkung in kurzer Zeit zeigt die Arbeit an Konsonanten. Werden „p", „t" oder „k" tatsächlich hart ausgesprochen, werden Sie besser verstanden und klingen damit automatisch angenehm.

6. Lautstärke: Wer zu leise spricht, ärgert, wer zu laut spricht, nervt.

7. Fokus: Die meisten Menschen denken schneller, als sie reden. So signalisieren Sie nur, gedanklich schon ganz woanders zu sein. Konzentrieren Sie sich daher auf das, was Sie sagen, auf jedes Wort, damit werden Sie präsenter!

8. Tempo: Der körperliche Zustand des Sprechers überträgt sich. Sprechen Sie zu schnell, werden auch Ihre Zuhörer nervös. Mit ruhiger Stimme, tiefer Atmung und guten Pausen übertragen wir unsere Entspannung auf die Zuhörer. Gleich klingen Sie souveräner.

9. Emotion: Stimme macht Stimmung. Mit unserer Stimme übertragen wir neben Inhalt auch unsere Stimmung. Ohne Emotionen verkauft sich nichts. Gute Redner setzen gekonnt Emotionen ein und verstärken sie durch die passenden sprachlichen Bilder.

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