Digital erfährt in der Krise Rückenwind
© Nuno Filipe Oliveira
MARKETING & MEDIA Redaktion 30.10.2020

Digital erfährt in der Krise Rückenwind

Die Mindshare befindet sich trotz Krise auf Vorjahreskurs. Wie das gelingt? CEO Ursula Arnold im Gespräch.

Vor Kurzem konnte die neu formierte Unit „Outcomes” der Mindshare den Social Media-Etat für Schlumberger und Hochriegl für sich entscheiden und damit einige Lorbeeren für die Aufbauarbeit im digitalen Bereich der letzten Jahre ernten. Warum das der Mediaagentur auch während der letzten Monate enorm geholfen hat, erklärt CEO Ursula ­Arnold im Interview mit medianet.


medianet: Frau Arnold, wie hat Mindshare dieses spektakuläre Jahr erlebt?
Ursula Arnold: Wir werden positiv bilanzieren und mit einem guten Geschäftsergebnis aus dem Jahr hervorgehen. Inhaltlich und auch strategisch war es für uns eine Herausforderung, als wir uns während der Lockdownphase und dem damit verbundenen Homeoffice neu ordnen mussten. Im März und April mussten wir unsere Zahlen vernünftig an die Gegebenheiten anpassen, sind aber froh, dass wir das nach dem Sommer wieder nach oben korrigieren konnten. Wir waren sehr gut vorbereitet und solange unser System läuft und die Internetverbindung gut ist, funktioniert alles reibungslos. Um das zu veranschaulichen: Mindshare war am Freitag, den 13. März, den ersten Tag zu hundert Prozent im ‚Working from Home-Modus, den ersten virtuellen Pitch hatten wir am darauffolgenden Montag, also am ersten Tag des Lockdowns. Wir haben den Pitch zwar nicht gewonnen, aber trotzdem ein super Konzept abgeliefert, das wir sehr spontan virtuell präsentieren durften. Im September konnten wir dann den ersten virtuellen Pitch gewinnen, und zwar den Social Media-Etat für Schlumberger Hochriegl. In der Zwischenzeit haben wir einen weiteren Social Media-Etat gewonnen, was sicher ein Resultat der Aufbauarbeit im digitalen Bereich während der letzten Jahre ist.

medianet:
Während der letzten Wochen und Monate hat man den Eindruck bekommen, dass Agenturen durch die Pandemie sogar Rückenwind bekommen haben, wenn sie nur digital gut aufgestellt sind. War der starke digitale Fokus der Mindshare ein Vorteil für Sie?
Arnold: Das war es auf jeden Fall. Wir haben viele digitale Spezialisten, die das Mehrgeschäft vernünftig abwickeln konnten. Da geht es nicht nur um den klassischen Display-Bereich, sondern um Anfragen betreffend Performance, Social Media oder auch E-Commerce. Diese Bereiche haben wir vor Kurzem in einer eigenen Abteilung gebündelt, die, zusammengefasst unter dem Begriff ‚Outcomes', ergebnisorientiert für die Kunden arbeitet. Das sind E-Commerce-, Performance-, Content- und Social Media-Spezialisten, die großteils seit über mehreren Jahren im Unternehmen sind und mit dieser digitalen Entwicklung groß wurden. Wir sind digital wirklich gut aufgestellt und werden auch zu reinen Content- und Social Media-Pitches eingeladen. Das macht mich sehr stolz.

medianet:
Neben dem gut aufgestellten digitalen Bereich war es vermutlich auch ein großer Kunde, den Sie 2019 gewonnen haben, der Ihnen in den letzten Monaten einen Vorteil verschafft hat. Die Rewe Group war im letzten Halbjahr wohl alles andere als zugesperrt…
Arnold: Das ist richtig. Wir haben im März sehr viel Geschäft rückabgewickelt, storniert oder umgebucht. Rewe hingegen war als einer der wenigen Kunden permanent aktiv, dementsprechend haben wir auch die Mannschaft aufgestellt und ausgestattet. Während andere Kunden Kampagnen gestoppt haben und wir warten mussten, bis wieder neu produziert wurde, ging das bei Rewe alles sehr schnell und es wurde über alle Marken der Gruppe hinweg nahezu nahtlos weiterkommuniziert.

medianet:
Wann wird die Mindshare wieder auf dem Level des vorpandemischen Geschehens sein?
Arnold: Betrachtet man ausschließlich das Geschäftsergebnis, dann erreichen wir 2020 ziemlich genau das Level des Vorjahres – allerdings unter der Prämisse, dass es keinen weiteren Lockdown geben wird. Die Kundenspendings haben sich natürlich ganz unterschiedlich entwickelt, einige zumindest temporär auch stark nach unten. Uns ist zugutegekommen, dass wir inzwischen das Beratungsgeschäft und den Digitalbereich inklusive Social, Content und Performance so stark ausgebaut haben, dass wir auch trotz sinkender Spendings einiger Werbekunden unser Geschäft stabil halten konnten.

medianet:
Wie sieht es mit den Kundenspendings momentan konkret aus? Befinden wir uns schon wieder auf dem üblichen Niveau?
Arnold: Im Schnitt würde ich sagen, ja, wir sind zum jetzigen Zeitpunkt auf dem Niveau der Vorjahre. Das ist auch die Rückmeldung der Vermarkter. Fernsehen etwa ist im vierten Quartal schon sehr gut gebucht beziehungsweise ausgebucht, es ist also nicht so, dass noch großartig Inventar frei ist. Das ist jedenfalls die Rückmeldung aus dem TV-Bereich, und der ist meistens ein gutes Barometer.

medianet:
Wie haben die anderen Mediengattungen abgeschnitten in den letzten Monaten?
Arnold: Hörfunk hat jedenfalls gewonnen, weil er den großen Vorteil hat, dass man Spots sehr schnell und einfach produzieren kann. Generell hat Radiowerbung in den letzten Jahren eine Renaissance erlebt, was sich auch in der Krise gezeigt hat. Die größten Verluste mussten sicherlich Kino und Out-of- Home einstecken – da gab es einen kompletten Stopp, weil die Leute nicht mehr draußen waren. Bei Digital-Out-of-Home hat man wieder gesehen: Je digitalisierter ein Medium ist, desto eher kommt es aus dieser Lage wieder heraus. DOOH kann zum Beispiel sehr gut mit tagesaktuellen Botschaften bespielt werden, das ist ein Vorteil. Print wurde als Informationsmedium wieder besser genutzt als in den Jahren zuvor. Und auch hier gilt: Je weiter sich Print im digitalen Bereich weiterentwickelt, umso erfolgreicher werden einzelne Titel bleiben.

medianet:
Auf der User- und Leserreichweitenseite war es eine fantastische Zeit, denn die österreichischen Medienmacher konnten nach Jahren der Marktanteilsverluste an Soziale Medien und Internetgiganten wieder Reichweiten von diesen abziehen. Eigentlich eine tolle Sache, nur konnten sie die Reichweiten nicht monetarisieren …
Arnold: Richtig. So hoch die Reichweiten auch waren, die Buchungen haben gefehlt. Wir haben versucht, unseren Kunden zu erklären, dass man nie mehr so günstig Reichweite bekommt wie jetzt. Man kann über Media­planung und Kommunikation sagen, was man will, das Prinzip ist immer dasselbe: Die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Touchpoint auszuspielen. Das wird sich im Leben nicht mehr ändern. Wenn man also mit der richtigen Botschaft rausgeht, kann man auch in Zeiten wie diesen große Gewinne machen. Und genau diese Gegebenheiten des Marktes muss man mit den Kunden besprechen und diskutieren. Das haben wir getan – wir waren ­selten so viel im Austausch mit unseren Kunden wie in dieser Zeit.

medianet:
Was ist Ihr Learning aus dem Trubel des heurigen Jahres? Soll die Mindshare noch digitaler werden?
Arnold: Der erste Schritt war die angesprochene Fusionierung der zwei Abteilungen. Ich ­glaube, dass sich diese ge­genseitig sehr gut befruchten können. Vielleicht war dieser Schritt längst überfällig, aber während eines Lockdowns macht man keine Umstrukturierungen.

Und ja, man kann immer noch digitaler werden, aber man muss gleichzeitig auch darauf achten, dass das Hauptgeschäft genauso gut bedient wird. Insgesamt sehe ich sehr positiv ins kommende Jahr, und wenn es keinen zweiten Lockdown gibt, dann werden wir vermutlich auch keine großartigen negativen Überraschungen erleben. (ls)

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