„Ein 24-Stunden-News-Sender? Warum nicht!”
© Martina Berger
MARKETING & MEDIA Redaktion 04.06.2021

„Ein 24-Stunden-News-Sender? Warum nicht!”

ORF III-Chefredakteurin Ingrid Thurnher über den inhaltlichen Ausbau und den Platz von ORF III im ORF-Player.

••• Von Dinko Fejzuli und Anna Putz

WIEN. Ingrid Thurnher ist eine der Anchorwomen des ORF. Schon seit Mitte der 1980er-Jahre beim Österreichischen Rundfunk, war Thurnher in praktisch jeder wichtigen Info-Sendung im Einsatz – im Ö1-„Mittagsjournal”, der „ZiB1” und „ZiB2”, in den „ORF-Sommergesprächen” und als langjährige Moderatorin von „Im Zentrum”.

Seit Jänner 2017 ist sie Chefredakteurin von ORF III, dem Kultur- und Info-Spartensender des ORF, und hat dort seit drei Jahren sukzessive die Infoanteile stark ausgebaut.
Mittlerweile hat der Sender mit „ORF III Aktuell” von 9:30 bis 13:00 eine Live-Schiene, in der via Reportagen, Interviews, Live-Schaltungen, Analysen und Übertragungen von Pressekonferenzen so gut wie jedes wichtige – vor allem politische – Ereignis in Österreich direkt gecovert werden kann.
Mit dem Format „Österreich Heute” ergänzt man die Info-Lücke zwischen Bundesland-Sendungen und „ZiB1” – und mit der „Runde der ChefredakteurInnen”, moderiert von Ingrid Thurnher selbst, gibt es auch ein analytisches Talk-Format als weitere Ergänzung des News-Angebots.

„Ideen haben wir einige”

Jetzt hat der Sender neue Büroräumlichkeiten in unmittelbarer Nähe zu den alten bezogen und 2018 ein neues, eigenes Studio bekommen, das sukzessive technisch ausgebaut wird und in dem u.a. die unbemannte Remote-Regie zum Einsatz kommt. Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch, dass das Team von lediglich 15 Leuten – Thurnher nennt sie im medianet-Gespräch die „kleine, aber feine Mannschaft” – insbesondere in den vergangenen, News-intensiven Monaten quasi direkt auf einer Baustelle gearbeitet hat.

„Manchmal war es so laut, dass die Kolleginnen und Kollegen, die im Regieraum nebeneinander gesessen sind, nur schriftlich miteinander kommunizieren konnten”, erzählt Thurnher. „Man hätte die Live-Schiene natürlich auch pausieren lassen können – wir haben uns aber bewusst dazu entschieden, das Publikum weiterhin zu informieren.”
Dies sei nun „Gott sei Dank” alles vorbei. In Wahrheit warte man nur darauf, dass die Corona-Beschränkungen wieder aufgehoben werden, um etwa das Vormittagsformat ORF III auch optisch und damit auch inhaltlich weiter aufzurüsten, so Thurnher. „Wenn wir zum Beispiel einen Newsticker bereitstellen können, dann bedeutet das auch eine ganz andere Informationsmöglichkeit – und Ideen wie diese haben wir einige.”
Live-Reporter etwa, draußen vor Ort, wären auch etwas, das Thurnher sich wünscht; derzeit sei das aber Ressourcen-bedingt nicht möglich.

Anfang und Ende der Kette

Und in der Tat ist es erstaunlich, was die kleine Mannschaft mit einem für ORF-Verhältnisse kleinen Programmbudget von rund 12 Mio. € von Tag zu Tag auf die Beine stellt. Und dank indirekter Basis-Unterstützung in Sachen Infrastruktur und einer guten Zusammenarbeit mit den Kollegen von den Hauptprogrammen, die auch für Schaltungen zur Verfügung stehen, braucht ORF III den Vergleich mit anderen Sparten-Sendern in puncto Output und Marktanteile nicht zu scheuen.

Die ORF III-Chefredakteurin selbst sieht ihren Sender, dessen „Mutter” über einen gigantischen Berg an Material und auch Archiv-Material verfügt, „am Anfang und am Ende der Verwertungskette” dieses Materials.
„Wir sind bei der schnellen Live-Schaltung dabei und am Ende beim dokumentarischen Nachbereiten. Also diese beiden Enden können wir, denke ich, ganz gut besetzen, alles andere machen die Hauptprogramme.”
„Wenn ich etwa an eine Woche wie diese, mit Plenarsitzungen im Parlament, denke, dann senden wir die ganze Woche am Vormittag live, und am Donnerstagabend sitze ich dann gemeinsam mit den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren zusammen und wir lassen – fast schon auf einer Metaebene – das alles Revue passieren. Das ist dann eine zusätzliche Aufbereitung der Ereignisse, die in ganz vielen ‚ZiB's, Sonder-‚ZiB's oder Formaten wie ‚Report', ‚Thema' und all den anderen Sendeplätzen in ihrer jeweiligen Form ebenfalls ihren Platz finden”, so Thurnher über die Funktion und das Zusammenspiel der Hauptsender mit ORF III und darüber, welche Rolle jeder für sich in der Vermittlung der Inhalten das Publikum einnimmt.
Denn auch für ORF III reiche es natürlich nicht, nur den Sendeplatz zur Verfügung zu stellen und eine Pressekonferenz nach dem Ministerrat live zu übertragen. „Da kann ich gleich den Livestream vom Bundeskanzleramt anschauen. Dann ist das kein journalistischer Mehrwert. Denn es ist unsere Aufgabe als Sender, auch diesen Public Value mitzuliefern. Und der besteht für mich immer auch aus der ausführlichen Einordnung, Einschätzung, Analyse und dem Zusammenhang, den es dann eben herzustellen gilt”, so Thurnher.
Dank großer Flächen und der Unterstützung von Kollegen aus „dem großen Haus”, die „mit Erfahrung und Expertise” für Analysen zur Verfügung zu stehen, könne dieses Informationsangebot bereitgestellt werden.

Die Rolle im ORF-Player

Weiter an Bedeutung steigen könne die Rolle von ORF III, mit dem neuen ORF-Player.

Dieser sei derzeit „Work in progress” und es gebe Überlegungen in Bezug auf die Möglichkeiten und dazu, welcher Platz dort für ORF III vorgesehen sei: „Wir stehen hier ganz am Anfang bei der Frage, wie sich dann so ein Programmelement von ORF III dort einfügen lässt.”
Gefragt nach den Möglichkeiten, ob auf dem neuen Player, wo zumindest technisch Platz keine Rolle mehr spielt, auch eine Art 24-Stunden-News-Sender möglich wäre – gesetzlich sieht die Lage derzeit anders aus –, zeigt sich Thurnher amüsiert: „Die ersten dreieinhalb Stunden hätten wir ja schon” schmunzelt sie, um anzufügen: „Ich entscheide das ja nicht, aber wenn das so passiert, wär das natürlich toll und irgendjemand würde ja diesen 24-Stunden-Kanal auch beliefern müssen …”
Zunächst gehe es aber darum, die nächsten Wochen zu planen. Hier stehen wieder die ORF-III-„Sommer(nach)gespräche” an, eine Art journalistische Begleitung der Polit-Sommergespräche im Hauptprogramm. Auch das gehöre quasi zum Handwerk und zum Programm ihres Senders, so Thurnher. Zudem sei man auch Medienpartner der Alpbacher Gespräche. „Also wir haben unfassbar viel Informationsvorhaben: Fad wird uns nicht.”

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