„Ein herber Schlag für den Medienstandort”
© APA/Herbert Neubauer
MARKETING & MEDIA Redaktion 07.10.2022

„Ein herber Schlag für den Medienstandort”

Die Regierung beschließt ein Medienpaket und das Ende der Wiener Zeitung. Gerald Grünberger, VÖZ, im Interview.

••• Von Dinko Fejzuli

Die Bundesregierung hat sich nach Gesprächen mit Branchenvertretern und Experten auf ein Medienpaket geeinigt. Dieses sieht verschärfte Transparenzbestimmungen bei der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen und eine neue Medienförderung vor. Letztere soll Rahmenbedingungen unterstützen, die die Qualität des Journalismus steigern.

Beschlossen wurde aber auch die Einstellung der Wiener Zeitung. Diese soll künftig nur mehr ein Mal im Monat als Printmedium erscheinen.
medianet bat VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger um einige Antworten zum neuen Medienförderungspaket.


medianet:
Herr Grünberger, die Bundesregierung hat ein neues Medienpaket beschlossen. In einer ersten Reaktion sprach VÖZ-Präsident Markus Mair von ‚guten Ansätzen'. Welche genau wären das aus Ihrer Sicht?
Gerald Grünberger: Eine Reform und Erhöhung der Presseförderung war ja seit vielen Jahren ein wesentliches Anliegen des VÖZ. Die geplante Medienförderung stellt eine gute Ergänzung und Aufstockung zur Presseförderung dar, die wir daher ausdrücklich begrüßen. Aus unserer Sicht sind auch das klare Bekenntnis für die Stärkung des unabhängigen Qualitätsjournalismus sowie die Förderung von Aus- und Weiterbildung bei Journalistinnen und Journalisten und der Medienkompetenz in den Schulen positiv zu bewerten. Die geplante Unterstützung der regionalen sowie der internationalen Berichterstattung ist ebenso ein positiver Ansatz.

Auch die Maßnahmen in Bezug auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Werbeschaltungen und Kampagnen durch die öffentliche Hand sind grundsätzlich positiv zu bewerten – auch wenn hier noch der Gesetzesentwurf im Detail geprüft werden muss.


medianet:
Nach Durchsicht der Pläne fällt aber auch auf, dass die Regeln, um Förderungen zu erhalten, stark textgebunden sind und allein aufgrund der Anforderung, etwas 40 Mio. Zeichen pro Jahr, das sind ca. 30 Artikel pro Tag, publizieren zu müssen, viele kleinere Medien rausfallen werden. Medienvielfalt klingt anders.
Grünberger: Ich sehe in einer Mindestvorgabe eines Publikationsvolumens und einer laufenden Aktualisierung keinen Widerspruch zur Medienvielfalt. Ganz im Gegenteil, denn man darf nicht vergessen, es handelt sich um öffentliche Mittel der österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die sich einen gewissen Mehrwert erwarten dürfen. Darüber hinaus liegt der Fokus der neuen Förderinstrumente wie der Digitaltransformationsförderung oder eben jetzt der neuen Medienförderung ganz klar auf der Sicherung der Medienvielfalt, die aufgrund des massiven Finanzierungsabflusses durch die großen Digitalplattformen in Gefahr ist.

medianet:
Generell gefragt: Wäre eine Mitnahme von audiovisuellem Content auch bei Printmedien bei der Journalismusförderung sinnvoll gewesen?
Grünberger: Das hat aus mehreren Gründen keinen Sinn. Zum Ersten ist ein Kernelement der neuen Medienförderung die Stärkung von Qualitätsjournalismus in einem professionellen Redaktionsverbund. Einheitliche arbeitsrechtliche Standards wie zum Beispiel ein Branchenkollektivvertrag sind etwa ein wesentliches Merkmal für professionelle Redaktionsverbünde bei den Medienhäusern verlegerischer Herkunft – wie sie im VÖZ zusammengeschlossen sind.

Zweitens gibt es für audiovisuellen Content bereits Fördermaßnahmen, denken Sie an die Privatrundfunkförderung oder letztendlich auch die öffentliche Beihilfe in Form des Programmentgelts für den ORF. Hätte man diese Thematik ebenso hier hineinverpackt, käme es zu Abgrenzungsschwierigkeiten und wohl auch zu berechtigten Rückfragen seitens der Europäischen Kommission im Zuge der erforderlichen Notifizierung der neuen Medienförderung.


medianet:
Zusätzlich hat die Koalition beschlossen, die Wiener Zeitung in ihrer jetzigen Form einzustellen – etwas, was der VÖZ vermutlich nicht gutheißen kann.
Grünberger: Absolut. Als Interessenvertretung der heimischen Medienhäuser verlegerischer Herkunft sind die Sicherung der Pressefreiheit sowie der Erhalt der Medienvielfalt in Österreich zentrale Anliegen. Wenn nun eine Traditionsmarke als Tagestitel verloren geht bzw. die Printausgabe der ältesten noch erscheinenden Tageszeitung der Welt eingestellt wird, ist das ein überaus bedauerlicher Schritt. Auch wenn die Entscheidung eines Verlegers bzw. eines Herausgebers grundsätzlich zu respektieren ist, handelt es sich bei dieser Entscheidung um einen herben Schlag für den heimischen Medienstandort. Es ist sehr schade, dass keine andere Lösung wie etwa eine Privatisierung gefunden werden konnte.

medianet:
Abseits des Medienpakets – der ORF will bei der Blauen Seite textlich reduzieren. Welchen Vorteil genau davon werden die restlichen Medien verlegerischer Herkunft dabei haben?
Grünberger: Das Digitalgeschäft beläuft sich ja mittlerweile je nach Medienhaus auf etwa zehn Prozent bis hin zu bereits 40 Prozent am Gesamtumsatz – Tendenz steigend. Vor diesem Hintergrund leuchtet es wohl ein, dass ein mit erheblichen Gebührenmitteln finanziertes, übermächtiges Konkurrenzprodukt die privaten Digitalangebote bei der Weiterentwicklung des digitalen Abo-Angebots behindert und die erforderliche Transformation des Geschäftsmodells hemmt.

Darüber hinaus ist der ORF bereits jetzt verpflichtet, kein zeitungsähnliches Produkt zur Verfügung zu stellen. Das derzeitige Angebot von ORF.at mit durchschnittlich 120 Artikeln zwischen 6.000 und 12.000 Zeichen widerspricht dieser gesetzlichen Vorgabe ganz klar. In diesem Zusammenhang ist das zuletzt geäußerte Angebot von ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zu sehen, und aus unserer Sicht jedenfalls dazu geeignet, konstruktiv weitere Gespräche zur ORF-Novelle zu führen, denn eines wird bei der aktuellen Debatte vergessen: Es geht um deutlich mehr als um die Anzahl der publizierten Meldungen.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL