Ein Hochfahren mit etlichen Hindernissen
© Reed Exhibitions/David Faber
MARKETING & MEDIA Redaktion 05.06.2020

Ein Hochfahren mit etlichen Hindernissen

Die neuen Veranstaltungsregeln zielen an vielen Bedürfnissen der Livemarketing-Branche vorbei.

••• Von Britta Biron

WIEN. In immer mehr Bereichen dürfen Betriebe – wenn auch mit Corona-Sicherheitsmaßnahmen – wieder aufsperren, für die Livemarketing-Branche heißt es dagegen nach wie vor: bitte warten. Zwar sind jetzt wieder Events für 100 Personen in- und outdoor möglich und über den Sommer wird die maximale Gästezahl schrittweise weiter nach oben gesetzt, aber von einer neuen Normalität ist man nach wie vor weit entfernt. Denn die neuen Regelungen betreffen ausschließlich Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen. Veranstaltungen mit „freilaufenden” Gästen bleiben weiterhin auf 100 Personen beschränkt. Nicht zu Unrecht fühlt sich die Event-Branche als Stiefkind.

Branchen-Experten …

„Natürlich ist es erfreulich und auch ganz wichtig, dass Kultur & Kunst jetzt eine Perspektive haben. In der Pressekonferenz vom 25. Mai, welche im Zeichen jeglicher Veranstaltungen stehen hätte sollen, wurde kein einziges Wort daran verschwendet, wie es mit Firmenevents wie Konferenzen, Produktpräsentationen, Kongressen, Weihnachtsfeiern oder Incentives weitergeht”, sagt Emanuel Grasl, Inhaber der Event-Agentur Grasl + Partner und Betreiber der Gösserhalle. „Neben der dringenden Notwendigkeit von Staatshilfen ist die einzige Chance, zu überleben, wieder Events machen zu können. Und beide dieser Punkte blieben bisher – trotz mehrfacher Urgenz von Branchenvertretern – von der Regierung zur Gänze unbeantwortet. Es kommt mir so vor, als wüsste man nicht so recht, in welches Ressort man uns stecken soll.”

Tatsächlich lassen sich zum Beispiel ein Vorstadtbeisl und ein Haubenlokal problemlos als Gastrobetrieb ein- und derselben Kategorie zuordnen; eine gemeinsame Schublade für die vielen verschiedenen Betriebe und Dienstleister im Livemarketing – Locationbetreiber, Konzert- und Messeveranstalter, Licht- und Tontechniker, Visagisten, Künstler, Caterer, Dekorateure, Möbelvermieter, Messebauer, Weddingplaner oder Event-Agenturen – ist dagegen weniger offensichtlich.
„Die herterogene Veranstaltungbranche kann man zwar zusperren wie die Gastronomie, jedoch beim Aufsperren spielt sich schon etwas anderes ab. Unsere Vorlaufzeiten sind lange – bei Kongressen und großen Meetings und Messen zwei oder mehreren Jahre”, erläutert Erik R. Kastner, Geschäftsführer der Agentur Opus und Initiator und Vorstandssprecher des Mitte Mai gegründeten Austria Event Pools (AEP).
Zu glauben, dass der Stufenplan sowie die wenige Tage später angekündigten weiteren Lockerungen zu den Mund-Nasen-Masken die Durchführung von Veranstaltungen der Branche ausreichend Starthilfe geben, sei weit von der Realität entfernt.
Dass man sich seitens der Poli­tik bisher viel zu wenig mit den Eigenheiten der Livemarketing-Branche, die pro Jahr immerhin eine Wertschöpfung von 20 Mrd. € erwirtschaftet und an der mehr als 400.000 Arbeitsplätze hängen, auseinandergesetzt hat, zeige das Beispiel Messen: „Es ist nicht zu verstehen,warum die SCS oder große Shoppingcenter in den Landeshauptstädten aufsperren dürfen, wo sich Zigausende Personen nicht um den Sicherheitsabstand kümmern und auch nicht kontrolliert werden, und eine Messe, bei der die Vorschriften penibel genau eingehalten und kontrolliert werden können, nicht stattfinden darf.”

… finden wenig Gehör

Einen Maßnahmenkatalog zum Hochfahren der Veranstaltungsbranche, der die unterschiedlichen Bedürfnisse der involvierten Betriebe sowie alle notwendigen Sicherheitsakspekte berücksichtigt, hat der AEP den Regierungen auf Bundes- und Länderebene bereits vorgelegt. Berücksichtigt wurde er bisher aber noch nicht. Aktuell arbeitet der AEP an Vorschlägen, wie die finanzielle Belastung im Zusammenhang mit der Einhaltung der neuen Vorschriften für die wirtschaftlich ohnehin schon stark unter Druck stehenden Unternehmen gemildert werden könnte. „Hier muss es zu Förderungen bzw. Beteiligungen kommen. Alles kann sicher nicht auf den Kunden abgewälzt werden”, sagt Kastner.

Kunden noch zögerlich

Allerdings machen sich die Kunden derzeit noch rar. Laut Kastner ist das Geschäft rund um Meetings, Kongresse, Messen und B2B-Events bis Mitte nächsten Jahres praktisch auf Null; mit einer Erholung rechnet er erst für 2022.

Auch Grasl sieht wenig Grund für Optimismus: „Die derzeitige Lage ist sowohl in der Agentur als auch der Gösserhalle gleich ernüchternd und ganz gut vergleichbar mit einem Segelschiff, das in einer völligen Flaute zum Stillstand gekommen ist. Ohne Wind, keine Knoten. Wir verweilen an Ort und Stelle und überlegen, welchen Kurs wir nehmen sollen und ernähren uns vom hart erarbeiteten Proviant, der unter Deck immer weniger wird. Wenn nicht bald Wind aufkommt, wird die Besatzung und das Schiff – nämlich die Eventbranche – langsam, aber sicher untergehen. Bis Lockerungen beschlossen werden, die den speziellen Anforderungen der Branche entsprechen, wird der Fokus auf Hybrid- und virtuellen Events liegen oder auf der Aufteilung größerer Veranstaltungen auf mehrere Tage mit verschiedenen Slots.”
„Wir hatten letzte Woche einen großen Summit in der Gösserhalle, wo wir rund 50 Speaker weltweit live zugeschaltet haben. Super umgesetzt, in einem geilen Ambiente mit toller Bühne und Tausenden virtuellen Gästen”, erläutert er, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass der Einsatz von Hightech auch seine Grenzen hat – vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene. „Das Wichtigste bei jedem Event ist das Get2Gether. Aber das fehlt, wenn die Gäste nur via Bildschirm anwesend sind.”

Digital ist kein Ersatz

Wenn man ein positives Fazit aus der Covid-19-Krise ziehen will, so jenes, dass es – technischer Fortschritt hin oder her – ohne analoge Komponente nicht geht. „In welchem Business auch immer, ist das Live-Erlebnis mit Sicherheit um Potenzen nachhaltiger, als digital, im Wohnzimmer sitzend, an einer Veranstaltung teilzunehmen. Es ist wichtig, den Unternehmen Mut zu machen. Vor allem jetzt ist live noch wichtiger als zuvor, um Kunden zu binden, neue aufzubauen oder Mitarbeiter zu halten. Natürlich muss man sich den Gegebenheiten anpassen, aber wir sind ja in unserer Branche zum Glück sehr kreativ.”

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