Eine Ode an die ­kritische Reflexion
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.05.2021

Eine Ode an die ­kritische Reflexion

Was nicht richtig ist, muss nicht falsch sein. Ein Umkehrschluss ist nicht schlecht, wenn er holpert.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

WAHRHEITEN. Der Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli war ein Perfektionist. „Das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal falsch!”, wird er (nicht nur) in Wissenschaftskreisen gern zitiert. Karl Popper, österreichisch-britischer Philosoph, beschrieb „seinen” kritischen Realismus als „Lebenseinstellung, die zugibt, dass ich mich irren kann, dass du recht haben kannst und dass wir zusammen vielleicht der Wahrheit auf die Spur kommen werden”.

Oder sehen wir uns Russells Teekanne an, ersonnen von Bertrand Russell, einem britischen Philosophen, Mathematiker und Logiker. Dessen damalige exemplarische und sehr anschauliche Annahme: Ein Teekessel befinde sich im Orbit um den Mars. „Niemand könnte meine Behauptung widerlegen, vorausgesetzt, ich würde hinzufügen, dass die Kanne zu klein sei, um selbst von den leistungsfähigsten Teleskopen entdeckt zu werden.” Russell benutzte es zur Religionskritik. Egal. Was nicht falsifiziert werden kann, kann strenggenommen auch nicht verifiziert werden. Aber was soll’s?

Die Hoffnung lebt

Das zeitweilige Hinterfragen von Hypothesen ist eine Tugend, die derzeit gar nicht laut und oft genug gelobt werden kann. Nur weil der Mensch ein vernunftbegabtes Wesen ist, heißt das noch nicht zwingendermaßen, dass er sich auch dementsprechend artikuliert. „Dummheit ist keine Schande, solange man dabei den Mund hält”, dichtete anno dazumal ein deutscher Aphoristiker. Was hätte man sich allerdings alles erspart, wären ein, zwei Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens auf einige Sektoren erweitert worden – auf Politik und Medien etwa, auf die Amateur-Epidemiologie und -virologie, auf WhatsApp-Neigungsgruppen …

Andererseits: Hat nicht die Pest letztendlich den Epochenwandel hin zur Renaissance und den Aufbruch in die Moderne eingeleitet? Vielleicht war ja doch nicht alles schlecht an der abklingenden Ära der Corona-Pandemie.

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