Einstürzende Prachtbauten
MARKETING & MEDIA Redaktion 01.12.2023

Einstürzende Prachtbauten

Die Liebe der Österreicher zum variablen Zins teilte auch der ganz große Häuslbauer.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

 

ZINSESZINS. Wer derzeit mitsamt seinen Kreditzinsen ums Überleben ringt, darf sich damit rechtfertigen, dass auch die cleversten Finanztaktiker mit an Bord des sinkenden Schiffs sind. René Benko sitzt – allein mit seinen, bis dato nicht insolventen, Immobilien-Töchtern Signa Prime Selection und Signa Development Selection – auf einem fast vier Milliarden schweren, variabel verzinsten Schuldenberg. Mit Stand Ende 2022, die Zinseszinsrechnung lässt auch heuer freundlich grüßen. Lediglich der Rest auf fast acht Milliarden ist laut Berechnungen von JPMorgan mit Fixzins abgesichert.

Rund eine halbe Million Haushalte in Österreich bedienen zurzeit einen variablen verzinsten Kredit. Erste-CEO und Banken-Obmann Willibald Cernko hatte denn auch vor einiger Zeit zugesagt, Menschen in „individuellen Stresssituationen” unterstützen zu wollen. Seine Erste Group kommt im aktuellen Fall von Signa relativ glimpflich davon. Die Signa-Exposure der Ersten ist, im Vergleich mit anderen in Österreich tätigen Großbanken, mit 40 bis 50 Millionen Euro beinahe vernachlässigbar. Auch die individuelle Stresssituation des Tiroler Immobilientycoons Benko ist laut Medienberichten nicht existenzbedrohend – sein Privatvermögen gilt als von den Problemen des Konzerns nicht betroffen.
Beim Abschluss von Immobilienkreditverträgen sind die gesetzlichen Regeln streng, hieß es zu Zeiten der Diskussion rund um verschuldete Privathaushalte. Banker müssten den Kunden die Risiken durch variable Zinsen im Angebot vorrechnen. Jetzt steht im Raum, ob das Risiko der Immobilienkredite der Signa-Gruppe in den eigenen Bankbilanzen richtig gerechnet wurde.
Die Insolvenz der Signa Holding ist jedenfalls nach Gesamtverbindlichkeiten von rund fünf Milliarden Euro die größte Pleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte. Um die Zahl in Relation zu setzen: Zur Reduktion und Vermeidung von Kinderarmut hat die Bundesregierung im Budget 2024 ein Maßnahmenpaket beschlossen: Die dafür bereitgestellten Mittel belaufen sich auf 360 Millionen Euro.

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