„Es ist auf allen Seiten Nervosität zu spüren”
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MARKETING & MEDIA Redaktion 16.06.2023

„Es ist auf allen Seiten Nervosität zu spüren”

LGV-Vorstand Josef Peck über Verhandlungen mit dem LEH, Kaufzurückhaltung und Kostentransparenz.

••• Von Oliver Jonke und Georg Sander

Von den über 60 Sorten Frischgemüse und Gartenkräuter der LGV Sonnengemüse und Seewinkler Sonnengemüse-Produzenten gehen rund 95% zu heimischen Handelspartnern und in den Großmarkt, der Exportanteil liegt bei nur drei Prozent. Die heimischen Gemüseproduzenten sind also ein wichtiger Faktor für die Versorgungssicherheit – letztes Jahr wurden über 42.000 t produziert. Menschen mit Essen zu versorgen, das war von Anfang an der Leitgedanke: Die Genossenschaft im Seewinkel wurde bereits im Jahr 1930 gegründet. Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg, 1946, wurde schließlich die LGV von den Wiener Gärtnern gegründet. Insgesamt erwirtschafteten rund 150 Gärtnerfamilien und Bauern der Marken LGV Sonnengemüse und Seewinkler Sonnengemüse 2022 einen Umsatz von knapp 108 Mio. €. Das war ein Rekord, der heuer aus diversen Gründen nicht wiederholbar ist. Das liegt freilich auch an den Lockdowns; die Vorjahre waren von der Pandemie gezeichnet. Dadurch haben die Menschen vermehrt zu Hause konsumiert.

Gemüse an sich ist schon ein sensibles Gut – und in der heutigen Zeit ist das Herstellen nicht einfacher geworden. Für die Geschicke der Genossenschaft zeichnet Vorstand Josef Peck verantwortlich. Er illustriert im Gespräch mit medianet die aktuellen Herausfor-derungen.

Kostenfaktor Energie

Das größte Thema ist aus Sicht von Peck derzeit der Kostenfaktor Produktion. „Den Großteil macht die Energie aus”, erklärt Josef Peck, „diese ist von 2021 auf 2022 exorbitant gestiegen.” Zum Glück habe man auf Vorrat gekauft, sonst hätte man gar nicht weiterproduzieren können. Das schützte aber nicht vor einer Preiserhöhung. Der vorgekaufte Energieanteil machte keine hundert Prozent aus, was nachgekauft wurde, habe sich schon 2022 ausgewirkt, wirke sich aber nicht weiter aus.

„Wir können jetzt zu vernünftigeren Preisen nachkaufen”, so Peck, „vom Niveau von 2019 oder 2020 sind wir allerdings weit entfernt. Damals sind wir von 15 bis 20 Euro pro Megawattstunde Gas ausgegangen. Jetzt liegen wir zwischen 40 und 60 Euro.” Zwischendurch kostete Gas das Zehnfache, mittlerweile sei es zum Teil aber immer noch das Vierfache. Peck geht allerdings von einer Stabilisierung der Preise aus.
Eine Möglichkeit wäre ein Eingriff durch die Regierung in den Energiemarkt bzw. den Markt an sich gewesen. Letztere heiße Kartoffel hat man trotz einiger Forderungen von Nicht-Regierungs-Organisationen oder der Opposition, nicht angegriffen.

Lebensmittelgipfel

Allerdings gab es in den letzten Wochen viele Diskussionen über mögliche Markteingriffe sowie intensive Gespräche auf hoher Ebene zum Thema Kosten. Was hält Peck für zielführend?

„Ich habe schon zu Beginn der Teuerungen eine klare Meinung gehabt: Wir halten unsere Produzenten dazu an, tatsächlich nur die allernotwendigsten Kostensteigerungen weiterzugeben. Das betrifft Energie, Dünger und die Lohnerhöhungen. Das muss man weitergeben, aber wir schlagen nichts zusätzlich auf. Wir kontrollieren das und wir stehen für vollste Transparenz. Unsere Kalkulationen kann jeder einsehen.”
Es solle keine prozentuellen Aufschläge geben, in Zeiten wie diesen sollte man „von prozentuellen auf absolute Spannen” wechseln, dann würden sich die Teuerungen im Zaum halten. Die Steuerung entlang der Wertschöpfungskette könne über Transparenz kontrolliert werden. In einer partnerschaftlichen Vermarktung bzw. Verkauf wäre das anwendbar. Von künstlich höheren Preisen bei geringeren verkauften Mengen und Umsätzen habe letztlich niemand etwas.
Was Peck sich allerdings auf jeden Fall vorstellen kann, ist eine zeitlich begrenzte Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel: „Wenn man das für ein Jahr beschränkt, wäre es ein probates Mittel gegen die Teuerung. Wir sollten darüber zumindest diskutieren.”
Doch es braucht für den Anbau und die Ernte von Gemüse nicht nur Energie, sondern auch Arbeitskräfte.

Nervosität

Die Situation hinsichtlich Personal aber bezeichnet er als „gut”, die Mitgliedsbetriebe würden ihre Beschäftigten finden können. Der große Vorteil sei, dass die Eigentümer selbst in den Gewächshäusern und auf den Feldern arbeiten – der Vorteil von Familienbetrieben. Saisonal zusätzlich benötigte Arbeitskräfte finde man. Indes: „Die Fluktuation wird höher, dadurch wird die Qualität etwas schlechter – aber wir kommen zurecht.”

Energie, Anbau, Ernte, all das zusammen führt dann zu Produkten im Lebensmitteleinzelhandel. „Es ist auf allen Seiten Nervosität zu spüren”, beschreibt Peck die Verhandlungen mit dem LEH. „Wir sind aus einem Winter gekommen, in dem Importprodukte teuer sind, das hat die Inflation entsprechend befeuert.”
Importware aus Spanien sei beispielsweise sehr teuer gewesen. Mit diesem hohen Niveau musste man fortsetzen, auch aufgrund der eigenen, gestiegenen Produktionskosten: „Die Preise sind nun gefühlt noch höher, wir spüren eine Kaufzurückhaltung. Die Konsumenten drehen jeden Euro dreimal um. Das merken wir.” Doch damit nicht genug. Durch die hohen Kosten sind die Kulturen später gestartet, das führt zu Produktionen, die zeitlich knapp beieinander liegen und die Verteilung nicht so kontinuierlich vonstatten gehen könne.

Stabile Versorgungslage

Aktuell gebe es also letztlich Zeitverschiebungen. Die Versorgungssicherheit sei gegeben, man werde die Saison so lange wie möglich führen.

Vielerorts diskutiert wird allerdings der Wassermangel. Dieser sei „momentan kein Thema. In der geschützten Kultur, dem Unterglas-Anbau, überhaupt nicht, wir fangen das Regenwasser auf, speichern es und setzen es via Tröpfchenbewässerung sehr sparsam und ressourcenschonend ein.”
Im Freilandanbau habe einen der nasse April und Mai „gerettet”, auch dort werde zudem immer mehr auf die Tröpfchenbewässerung umgestellt. Nach dem Rekordumsatz 2022 werde man in diesem Punkt zurückfallen; zwar prognostiziere man rd. 100 Mio. € Umsatz, die Abschätzung gestalte sich aber aufgrund möglicher Preisschwankungen nicht einfach: „Es war schon lange nicht mehr so schwierig, die Umsätze zu ­planen.”

Stadtentwicklungsfragen

Die Mitgliedsbetriebe aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland sowie einige aus der Steiermark bleiben punkto Anzahl stabil. Die Mengen bleiben ebenfalls konstant, auch wenn beispielsweise in Wien landwirtschaftliche Flächen wegen der Stadtentwicklung verloren gehen. Die Betreiber könnten die Anbauflächen kompensieren, etwa durch Zukäufe im nahen Marchfeld in Niederösterreich.

Gebiete in Simmering hingegen sollen laut Stadt Wien erhalten bleiben, das wurde zugesichert: „Allerdings gehört dazu auch eine Energieversorgung, die durch die geplanten Neuerungen bei der Fernwärme gefährdet ist.” Wenn die Preise wie kolportiert dreimal teurer würden, werde ein wirtschaftlicher Gemüseanbau an diesem Standort nicht möglich sein. Verständlich sei diese Entwicklung nicht, andere Anbieter außerhalb der Stadt seien günstiger. Derzeit gibt es in Wien und Niederösterreich übrigens 181 geschützte und 37 ha Freilandanbaufläche, im Burgenland 33 bzw. 223 ha und in der Steiermark 11 bzw. 41.

Die Zukunft

„Der Österreicher ist patriotisch”, erklärt er, angesprochen auf Lebensmittelimporte. Wenn es heimische Paradeiser, Gurken usw. gibt, verlangten die Konsumenten vom Handel, dass diese verkauft werden. Ein Vorteil: Von Qualität, Frische und Haltbarkeit liegen die heimischen Erzeugnisse über den importierten.

Für die Zukunft jedenfalls verspricht Josef Peck interessante Neuerungen – bis darüber gesprochen wird, werde es aber noch bis Juli bzw. August dauern. Bis dahin könne man sich das eine oder andere Produkt der heimischen Gemüseproduzenten gerne schmecken lassen.

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