„Es ist nicht immer alles eine Kostenfrage”
© ORF/Thomas Ramstorfer
MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 01.07.2016

„Es ist nicht immer alles eine Kostenfrage”

Richard Grasl will Amtsinhaber Alexander Wrabetz vom ORF-Thron stoßen – medianet bat ihn zum ausführlichen Interview.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Letzte Woche war es so weit. Da verkündete Richard Grasl seine Gegenkandidatur zu Alexander Wrabetz. medianet bat den kaufmännischen Direktor des ORF zum Wahlinterview.

medianet:
Herr Grasl, wann ist Ihr Entschluss gereift, zu kandidieren?
Richard Grasl: Das war in den Wochen davor, als ich zunehmend den Eindruck gewann, dass wir in der Frage der Form der künftigen Unternehmensführung nicht zusammenkommen. Ich bin für einen kollegialen Führungsstil nach dem Vorstandsprinzip, während Generaldirektor Wrabetz das Prinzip der Alleingeschäftsführung vertritt. Das ist für mich nicht nur eine Theoretisiererei, sondern es gab auch Anlassfälle, wo ich das Gefühl hatte, dass die Balance im Unternehmen nicht mehr stimmt.

medianet:
Wann zum Beispiel?
Grasl: Das will ich in der Öffentlichkeit bewusst nicht diskutieren, aber es war schon so, dass ich über manche Entscheidungen, die finanzielle Tragweite hatten, nicht informiert wurde oder es nur aus Zeitungen erfahren hatte.

medianet:
Das ORF-Gesetz sieht diese Führungsstruktur nicht vor.
Grasl: Dieses Gesetz ist aber auch 15 Jahre alt und meiner Meinung nach in dieser Form nicht mehr adäquat. Ich würde das Vorstandsprinzip auf freiwilliger ­Basis per Geschäftsordnung einführen.

medianet:
Sollten Sie die Wahl nicht gewinnen, würde es gar nicht dazu kommen, denn Alexander Wrabetz hat Ihnen ausrichten lassen, dass Sie in diesem Fall den ORF wohl verlassen müssten. Gilt dies auch umgekehrt?
Grasl: Ich richte niemandem über Medien aus, ob ich mit ihm zusammenarbeiten will oder nicht. Die Wahl ist am 9. August, aber die Funktionsperiode endet erst am 31. Dezember. Wir haben jetzt über sechs Jahre sehr erfolgreich und loyal zusammengearbeitet …

medianet:
… aktuell soll aber zwischen Ihnen Eiseskälte herrschen.
Grasl: Ich habe höchsten Respekt vor Alexander Wrabetz. Ich habe ihn vor meiner Bekanntgabe informiert und ihm versichert, dass ich ausschließlich an einem positiven Wettbewerb der Ideen interessiert bin. Es ist für das Unternehmen unabdingbar, bis zum Ende der ­Periode professionell zusammenzuarbeiten, zumal wir im Herbst Riesenaufgaben vor uns haben –vom Bauprojekt über die Gebührenfrage bis hin zu einem sehr schwierigen Budget 2017.

medianet:
Was würden Sie über die Doppelgeschäftsführung hinaus …
Grasl: … es ist keine Doppelführung. Genau das ist der Begriff, den ich nicht meine, denn das klingt nach Proporz. Es geht um ein Compliance-System, um ein gelebtes Board-System.

medianet: Gut. Was über eine freiwillige kollegiale Führung hinaus würden Sie anders machen?
Grasl: Ich glaube, dass wir etwa in der Frage der digitalen Weiterentwicklung des Unternehmens unterschiedliche Zugänge haben. Hier will ich den Weg der starken Bündelung gehen bis hin zu einer zentralen Stelle im ORF, digitale Fragen betreffend. So etwas gibt es derzeit nicht.

medianet:
Und programmlich?
Grasl: Programmlich will ich jedenfalls ORF eins in den Fokus stellen. Hier will ich eine deutlich österreichische und öffentlich-rechtliche Handschrift …

medianet:
… die auch deutlich kostspieliger zu bewerkstelligen wäre.
Grasl: Es ist nicht immer alles nur eine Kostenfrage. Ich glaube, dass man mit guten journalistischen Konzepten erfolgreich sein kann. Und für jene Investitionen, die hier notwendig sein werden, wird man woanders die Kosten senken müssen.

medianet:
Bleiben wir bei den Kosten. Braucht Österreich unbedingt neun Landesstudios?
Grasl: Ich würde die Landesstudios sogar noch stärken. Ich möchte, dass die Landesstudios eine noch größere Autonomie haben bei Personal und Budget und agieren können wie einzelne Gesellschaften mit einem Landesdirektor als Geschäftsführer, statt wie bisher als Units der Zentrale.

medianet:
Und redaktionell? Hier gibt es ja die Kritik, dass manche Landesstudios zu sehr an den poli­tischen Bundesländerführungen angelehnt seien.
Grasl: Landesstudio-Sendungen sind das erfolgreichste Produkt des ORF. Ich würde deshalb sogar über eine zusätzliche regionalisierte Sendung im Hauptprogramm nachdenken. Im Übrigen würde ich auch im Rotationsprinzip je zwei Landesdirektoren pro Jahr in das Kollegium meiner ORF-Führung aufnehmen. Überlegenswert wäre für mich auch, dass sie bei Fragen, die die Landesstudios betreffen, auch ein Stimmrecht haben.

medianet:
Werden Sie mit einem Schattenkabinett zur Wahl antreten?
Grasl: Ich habe vor, mit einem Team ins Rennen zu gehen, aber man muss bedenken, dass der eine oder andere nicht namentlich genannt werden will, weil er außerhalb des ORF ev. noch in einem Dienstverhältnis steht.

medianet:
Sie haben vorhin die Gebühren angesprochen. Wird eine Erhöhung kommen, und wie stehen Sie zum Vorschlag, dem ORF statt der Werbeeinnahmen die Landesabgabe zu übertragen bzw. überhaupt eine Haushaltsabgabe einzuführen?
Gras: Wir sind gesetzlich verpflichtet, alle fünf Jahre die Gebührenhöhe zu evaluieren, und heuer im Herbst steht das wieder an. Bei der Frage der Gebühren und Einnahmen müssen wir uns dabei an die gesetzlichen Vorgabe halten.

Wünschen kann man sich viel, aber weder der von Ihnen genannte Abtausch Werbeeinnahmen gegen Landesabgabe noch die Haushaltsabgabe sind derzeit im Gesetz vorgesehen.


medianet:
Wie würde die obere Führungsstruktur unter einem Generaldirektor Grasl aussehen?
Grasl: Ich würde die Führungsmannschaft produktorientierter aufstellen. Mehr möchte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, nur so viel: Die Idee eines TV-Informationsdirektors halte ich dabei für überlegenswert, wobei klar sein muss, dass für Radio oder online natürlich jemand anderer info-verantwortlich sein muss. Ich will keinen zentralen Info-Direktor.

medianet:
Und das Prinzip der Channel-Manager …
Grasl: … halte ich für sehr überlegenswert. Man sieht am Beispiel von Ö3 und ORF III, wie erfolgreich das sein kann. Gerade der Erfolg von ORF III, mit Peter Schöber an der Spitze, den ich sehr schätze, zeigt, wohin es gehen könnte.

medianet:
War das schon ein möglicher Name für ihr Schattenkabinett?
Grasl: (lacht laut) Peter Schöber ist sicherlich ein für viele Funktionen sehr geeigneter Mann.

medianet:
Ein weiterer Channel, nämlich Ö1, hat seit Kurzem mit Peter Klein ebenfalls eine neue Führung bekommen. Halten Sie eine so wichtige Entscheidung so kurz vor der Wahl für richtig?
Grasl: Ich kenne diese Personalentscheidung nur aus Zeitungsberichten. Mit mir hat der Generaldirektor darüber nicht gesprochen.

medianet:
Kommen wir kurz zum Umbau am Küniglberg. Hier lag man bisher bei den geplanten Kosten – inklusive Puffer – jeweils an dessen oberen Ende bzw sogar leicht darüber. Wurde hier schlecht kalkuliert?
Grasl: Wir haben Reserven eingeplant, weil wir wussten, dass die Sanierung eines denkmalgeschützten Objekts Risiken birgt. Tatsächlich war es so, dass wir durch die sehr rasche Sanierungsnotwendigkeit im Objekt 1 mit der Definition der Anforderungen nicht früh genug dran waren. Bei den anderen Objekten soll es auf jeden Fall anders sein. Das Thema ist im Griff, und wir konnten aktuell die Reserven sogar wieder aufstocken.

medianet:
Zum Schluss eine Frage zur politischen Person Richard Grasl. So wie Alexander Wrabetz als SPÖ-Kandidat gilt, werden Sie immer als ÖVP-nah tituliert …
Grasl: … Ich glaube, dass es im Jahr 2016 nicht mehr richtig ist, Menschen in rot, schwarz oder sonst farbig einzuteilen. Jeder Mensch ist eine vielschichtige Persönlichkeit, und diese Zuordnungen sind oft bewusst getätigt, auch um sich nicht mit Erfolgen oder Kompetenzen befassen zu müssen.

Ich fühle mich ausschließlich dem ORF verpflichtet.

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