••• Von Dinko Fejzuli und Laura Schott
Vergangenen April haben die Agenturen der österreichischen Havas-Gruppe – die Mediaagenturen Arena Media und Havas Media inklusive ihrer Digital-Units, die Kreativagentur Havas Wien und die Havas-Schwester Fuel Austria – zusammen mit der PR-Agentur Dialogium ein neues, gemeinsames Zuhause bekommen: das Havas Village im sechsten Wiener Bezirk. Kunden können nun alle Dienstleistungen der Havas-Units aus einer Hand in Anspruch nehmen. Anlässlich der Entscheidung, alle Havas-Agenturen an einen Standort zu holen, um enger und nahtloser zusammenarbeiten zu können, wurde auch das Management neu strukturiert.
Eine neue Konstellation
Michael Göls, langjähriger Geschäftsführer der Havas Media, ist seit Juli vergangenen Jahres als Gesamtgeschäftsführer aller Havas-Agenturen in Österreich mit der Leitung und Entwicklung des Havas Village betraut. Für die Kreativagenden ist Executive Creative Director Alexander Rudan verantwortlich, CFO ist Günter Hofstätter. Michaela Wejrowsky, die zuvor bei Havas als Group Account Director tätig gewesen ist, hat Anfang des Jahres die Funktion des Managing Directors der Havas Creative übernommen. In der Havas Media hat Anke Ellmerer diese Position inne, Daniel Pfeffer fungiert als Digital Director. Als Geschäftsführerin der PR-Agentur Dialogium leitet Caroline Krall als erste „Zugezogene” schließlich die PR-Agenden im Havas Village. medianet traf Göls, Rudan, Wejrowsky, Ellmerer, Pfeffer und Krall in ihrem neuen Zuhause, um über die Entscheidung der Neustrukturierung, daraus entstehende Vorteile und generelle Entwicklungen in der Branche zu sprechen.
Michaela Wejrowsky, Managing Director Havas Creative: „Ich habe in einer Zeit angefangen, in der Branche zu arbeiten, als eine Agentur noch alles gemacht hat. Das hat sich irgendwann aufgehört, es gab immer mehr Spezialisten und die Arbeit wurde immer kleinteiliger. Ich glaube, es ist an der Zeit, die einzelnen Teile wieder vernünftig zusammenzuführen. Nicht, um es künstlich aufzublähen, sondern, weil das dem Kunden die Möglichkeit gibt, mit seinen Ressourcen gut umzugehen und trotzdem von allen Spezialdisziplinen zu profitieren.”
Mit der Gründung des Havas Village wollte man eine Agentur formen, die sich von dem aktuellen Trend, für jede Disziplin eine eigene Agentur zu engagieren, differenzieren soll. Die hohe Anzahl an Agenturvertretern, mit denen die Kunden an einem Tisch sitzen, würde die Systeme teilweise an ihre Grenzen bringen und diese unflexibel und ineffizient machen.
Für Havas-Kunden ist jedoch nicht nur die Tatsache, dass sie nun alle Dienstleistungen, die es im kommunikativen Funnel gibt, an einem Ort finden, ein Vorteil, sondern vor allem das nunmehrige Auftreten aller Disziplinen unter einer Firma. Das mache auch den entscheidenden Unterschied zu anderen, ähnlichen Modellen, denn das Havas Village hat ein gemeinsames Budget. Viele internationale Netzwerke und Organisationen würden ähnlich arbeiten, letztendlich gehe aber wieder jede Agentur alleine ins Rennen, sagt Göls. Die Havas-Units stünden durch das gemeinsame Budget jedoch in keinerlei gegenseitiger Konkurrenz, Befindlichkeiten und Allüren der einzelnen Abteilungen spielen keine Rolle mehr.
Alexander Rudan, Executive Creative Director: „Das Arbeiten im Team ist jetzt wirklich Teamarbeit. Denn jeder weiß, was er kann und wo seine Stärken sind, aber auch, wovon er lieber die Finger lässt – weil er weiß, dass es im Haus einen anderen gibt, der das kann. Sonst muss man immer ein bisschen so tun, als wäre man überall ganz dicke zuhause. Und das stimmt einfach nicht, denn jeder hat seine Stärken und Schwächen.”
Die neue Struktur bringe nicht nur Vorteile für den Kunden, sondern hätte auch die interne Zusammenarbeit maßgeblich zum Positiven verändert, ist sich das Führungsteam einig. Vor allem der große Lerneffekt sei hervorzuheben: Durch die räumliche Nähe sitzt man oft mit Kollegen aus anderen Abteilungen zusammen, tauscht sich aus oder hört auch einfach nur zu. Das würde bei allen ein besseres Verständnis für das gesamte Team fördern, sagt Rudan: „Ein Media-Verantwortlicher wird vielleicht nie zu einem Kreativen werden. Aber alleine mitzubekommen, was der andere braucht, um arbeiten zu können, macht die Zusammenarbeit schon sehr viel einfacher.”
„Keine Lagerfeuerromantik”
Göls sieht in dieser Art und Weise der Zusammenarbeit den Schlüssel des Village-Gedankens. Keine der Units ist den anderen übergeordnet, man arbeitet auf Augenhöhe, tauscht sich aus, lässt Projekte je nach Bedarf wachsen. Je nach Auftrag und Kunde gibt es natürlich einen Projektleiter, aber zunächst sitzen alle an einem Tisch und sehen sich das Projekt durch die Brille ihres Spezialgebiets an. Anschließend werde definiert, wer was zu tun hat und wer das Projekt leitet, erklärt Rudan: „Das ist keine Anarchie oder Lagerfeuerromantik. Es gibt schon jemanden, der das Projekt leitet. Aber das wird nach Bedarf skaliert.”
Anke Ellmerer, Managing Director Havas Media: „Das Village ist mehr als nur die Vereinigung von Disziplinen an einem Ort. Es ist eine Grundeinstellung, wie wir arbeiten. Wenn ein Kunde lieber eine andere Kreativagentur dazunehmen möchte, kann er das machen. Wir müssen nicht miteinander, wir können miteinander. Diese Einstellung, die wir einander gegenüber haben, leben wir auch gegenüber Partneragenturen.”
Der Kunde kann nun also alles aus dem Hause Havas haben, muss er aber nicht. Doch auch, wenn ein Kunde nur teilweise vom Village betreut wird, seien die Möglichkeiten heute andere. Denn oftmals führe eines zum anderen: Plötzlich wird in kurzer Zeit ein Advertorial gebraucht, das man nun nicht mehr einfach extern bucht, sondern in-house sofort umsetzen kann. Das werde von den Kunden sehr gut angenommen, sagt Ellmerer. Für Huawei hat Havas etwa gerade eine Mediakampagne umgesetzt, dann gab es Bedarf nach einer neuen Landing Page. „Könnt ihr das?”, fragte man bei Huawei. „Können wir”, hieß es bei Havas. „Wir werden die Marke Huawei nicht verändern”, sagt Göls, „aber da gehen plötzlich viele Türen auf.”
Gerade für Unternehmen, wo Marketingabteilungen der Effizienz wegen geschrumpft worden sind, sei diese Art zu arbeiten vorteilhaft. Denn je kleiner die Abteilung, desto schwieriger sei es, die vielen Fäden der unterschiedlichen Agenturen zusammenzuhalten, sagt Wejrowsky. „Es ist doch eigentlich ein irrsinniger Vorteil für den Kunden, wenn es eine Agentur, einen Ansprechpartner gibt, der die Aufgaben verteilt. Das muss aber erst sickern.”
Michael Göls, Geschäftsführer Havas Austria: „Es ist unsere Aufgabe, die teilweise sehr zerfledderte werbliche Kommunikation wieder zu einem großen Ganzen zusammenzuführen. Man muss auch wieder große Kampagnen machen. Es gab lange Zeit den Trend zu Dingen wie ausdifferenzierten Social Media-Kampagnen um ein paar Tausend Euro. Das ist Humbug. Und wenn es dann große Kampagnen gibt, sagen plötzlich alle: Das spürt man, das kriegt man mit.”
Die Markenpflege hat sich Havas auf die Fahnen geheftet, nicht zuletzt mit der „Meaningful Brands-Studie”, die heuer zum zweiten Mal durchgeführt wird. Die Studie untersucht die Auswirkung von 1.500 Marken auf das Wohlbefinden der Konsumenten in verschiedenen Bereichen wie Gesundheit, Freunde, Beziehungen und der finanziellen Situation.
„Es ist extrem wichtig, den Unternehmen wieder zu sagen: Pass auf deine Marke auf”, sagt Wejrowsky. Die Markenpflege sei in letzter Zeit immer wieder in den Hintergrund gerückt worden, was auch damit zu tun habe, dass sich die Kommunikation mehr und mehr in ihre Einzelteile differenziert hat.
Daniel Pfeffer, Director Digital: „Purpose und Meaningfulness in der Markenkommunikation zu erreichen, wird vor allem in Zukunft von großer Bedeutung sein. Denn mit Algorithmen kann man zwar viel steuern – etwa in Suchmaschinen –, wenn man jedoch eine Marke ohne Meaningfulness und Bekanntheit ist, hilft auch der beste Algorithmus nichts.”
Neben dem Trend der Zusammenschlüsse und Fusionen in der Agenturwelt gab es in den letzten Jahren auch Rückenwind für kleine, eigentümergeführte Agenturen. Die Debatte darüber, welches Agenturmodell das bessere sei – eigentümergeführt oder Netzwerk –, hält die Führungsriege der Havas für obsolet. Man wundere sich nur darüber, warum immer wieder gefragt wird, warum man ein Netzwerk denn überhaupt brauche: „Das finde ich relativ seltsam”, sagt Göls und meint weiter: „Das Thema Globalisierung ist, würde ich sagen, durch. Weltoffenheit ist vielleicht auch nicht unwesentlich. Und warum sollte man es dann nicht gut finden, in 110 Ländern ein Büro zu haben, wo sich jederzeit interdisziplinäre Teams bilden können?”
Platz zum Zusammenarbeiten
Auf die Frage, wie das Agenturmodell der Zukunft aussehen wird, antwortet Göls: „Natürlich glauben wir an die Zukunft von unserem Modell. Absolut.”
Was nun den Namen Havas Village trägt und von allen Mitarbeitern auch nach außen gelebt wird, sei im Grunde nur das Resultat bereits bestehender Prozesse gewesen: „Ich habe das ja schon als Geschäftsführer der Havas Media erlebt, als die Disziplinen noch getrennt waren. Und am Ende waren auch damals die erfolgreichen Projekte schon die, an denen wir parallel zusammengearbeitet haben.”
Das Havas Village sei nicht nur das Havas Village, weil die Kunden der Havas nun alle Dienstleistungen an einem Ort finden, sondern auch „weil wir einen Platz geschaffen haben, an dem alle unsere Kolleginnen und Kollegen wirklich gut zusammenarbeiten können”.
Caroline Krall, Geschäftsführerin Dialogium: „Als erste Dazugekommene empfinde ich das absolut so. Wir sind im Moment wirklich auf der Welle, das merkt man in jedem Eck und an jedem Ende. Das ist wirklich eine extrem positive Sache und es macht Spaß, dabei zu sein.”