Gegen Pink-Washing
© Martin Hron
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.06.2024

Gegen Pink-Washing

Viele Unternehmen solidarisieren sich mit und engagieren sich für die LGBTIQA+-Community. Doch ist das Engagement auch echt?

••• Von Dinko Fejzuli

Viele Branchen haben die LGBTIQA+-Community als kaufkräftige Zielgruppe erkannt. Vielen Unternehmen ist es auch ein Anliegen, sich für die Rechte dieser Community einzusetzen. Doch es soll auch welche geben, die sich nur das Diversity-freundliche Mascherl umhängen wollen, um mehr Umsatz zu machen, ohne die entsprechenden Ideale auch zu leben. medianet bat Katharina Kacerovsky-Strobl, Veranstalterin Vienna Pride und Geschäftsführerin Stonewall GmbH, und Barbara Stadler, GroupM, Senior Director Social Media, zum Thema Pink-Washing und LGBTIQA+-Kommunikation um einige Antworten.


medianet:
Auch heuer wurde der Juni weltweit wieder als Pride Month begangen. Und auch in Wien fuhren viele, oftmals von bekannten Unternehmen gesponserte und gebrandete Trucks am Ring. Also in Bezug auf Diversity und Akzeptanz alles in bester Ordnung, oder?
Katharina Kacerovsky-Strobl: Seit der EuroPride Vienna 2019 hat sich in Wien viel getan, und viele Unternehmen und Institutionen sind auf Vienna Pride und die Anliegen aufmerksam geworden. In vielen Gesprächen wird aber immer wieder sichtbar, dass Unternehmen falsche Vorstellungen von der LGBTIQA+-Community und der Veranstaltung haben. Bezüglich der hohen Anzahl der Trucks bei der Regenbogenparade Wien gibt es auch sehr zweigeteilte Meinungen. Man möchte wieder mehr zum alten Spirit mit weniger Trucks in der Community zurück. Auch wenn die Kooperationen mit Unternehmen wichtig sind und als wichtig gesehen werden, ist schon das Wichtigste, dass eine Kooperation langfristig im gemeinsamen Austausch und damit als ehrlich gesehen wird.
Barbara Stadler: Es wäre wünschenswert, wenn das so einfach zu übersetzen wäre. Doch leider sind wir in Bezug auf Akzeptanz und Diversität noch lange nicht dort, wo wir als Gesellschaft sein sollten. Mit Mindshare betreuen wir nun seit mittlerweile vier Jahren die strategischen und operativen Social Media-Agenden von Vienna Pride. Durch die Interaktionen mit den Beiträgen und insbesondere die darunter stehenden Kommentare lässt sich ein aktuelles Stimmungsbild sehr gut skizzieren. Und ich kann Ihnen sagen, dass dieses Bild häufig immer noch wenig akzeptierend, respektvoll und wirklich offen für das Thema LGBTIQA+-Rechte ist.

medianet: Wo sollten bei möglichen Anfragen die Alarmglocken schrillen, weil es vermutlich mehr um Pink-Washing geht und weniger um echtes Engage­ment zum Thema ­LGBTIQA+ und wie leicht oder schwer ist es, zu erkennen, wenn sich Unternehmen mit dem Thema Diversity schmücken?
Kacerovsky-Strobl: Den bewussten oder oftmals unbewussten Versuch von Pink-Washing erkennen wir sehr schnell. Oftmals ist es so, dass es Unternehmen selber gar nicht bewusst ist, dass ihr Versuch Pink-Washing ist und es eine andere Art der Herangehensweise und Zusammenarbeit braucht, um unsere Anliegen wirklich zu unterstützen.

Alarmglocken läuten bei uns sofort, wenn wir zum Beispiel nur von einer Marketingagentur ohne die Menschen des Unternehmens selber kontaktiert werden. Wenn die Budgets rein aus dem Marketingbudget kommen. Wenn es ausschließlich um die Regenbogenparade geht, oder wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens gar nicht involviert sind.
Wenn Entscheidungen nicht von LGBTIQA+-Personen im Unternehmen zumindest mitgetragen werden. Zum Beispiel auch, wenn das Ziel darauf ausgelegt ist, sich einfach schnell als LGBTIQ unterstützend labeln zu lassen und dafür teilweise auch mit Coaches gearbeitet wird, die zertifizieren sollen, ohne dass jemals eine tatsächliche Arbeit, Diskurs und ernsthafte Auseinandersetzung mit Community-Vertretungen stattgefunden hat. Oder wenn kleinen Community-Vereinen, welchen die Wirtschaftswelt, deren Volumen und Ziele gar nicht bewusst sind, einmal pro Jahr oder im schlimmsten Fall nur zur Pride-Zeit mal eine kleine Spende zugekommen lassen wird, um dann unabhängig von der Community im Alleingang Werbekonzepte umzusetzen.


medianet: Mit welchen Herausforderungen haben Unternehmen beim Thema Diversity und konkret in der LGBTIQA+-Kommunikation zu kämpfen? Was muss aus Ihrer Agentur-Erfahrung zugunsten von Brand Safety in diesem komplexen Bereich unbedingt beachtet werden?
Stadler: Die größte Herausforderung aus Sicht einer Marke ist die authentische, glaubwürdige und vor allem langfristige Auseinandersetzung mit dem Thema LGBTIQA+. Dies gilt allerdings für alle Dimensionen der Diversität, wenn man sich als Unternehmen Diversity auf die Fahnen schreiben möchte.

Neben einem ganzheitlichen Verständnis der LGBTIQA+-Community und ihrer Anliegen ist die offene Unterstützung dieser Community im eigenen Unternehmen durch das Top-Management ebenso wichtig, wie die Erarbeitung einer umfassenden Diversity-Strategie. Deren Umsetzung muss durch konkrete Maßnahmen umgesetzt werden, wie zum Beispiel LGBTIQA+-Talentförderung, interne LGBTIQA+-Netzwerke, Kooperationen mit der LGBTIQA+-Community, Supplier Diversity.
Es geht um langfristiges Allyship, das über den Pride-Monat Juni hinausreicht; die queere Community reagiert natürlich negativ darauf, wenn man sie als Cashcow benutzt, ohne dass ihr nachhaltige, authentische Unterstützung entgegengebracht wird. Durch Schönfärberei oder Pink-Washing in der Unternehmens- und Marketingkommunikation kann dem Unternehmensimage genauso geschadet werden, wie durch eindeutig homophobes Verhalten.


medianet:
Wie sensibel ist die Verwendung von LGBTIQA+-Termini in der Markenkommunikation, was sind die Gefahren und Herausforderungen?
Stadler: Die Verwendung von LGBTIQA+-Termini in der Markenkommunikation ist äußerst sensibel und erfordert ein hohes Maß an Feingefühl und Verständnis. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, sicherzustellen, dass die verwendeten Begriffe korrekt und respektvoll sind. Die LGBTIQA+-Community ist vielfältig, und es ist wichtig, die spezifischen Identitäten und Anliegen anzuerkennen und zu respektieren. Eine potenzielle Gefahr besteht also darin, dass Marken unbeabsichtigt Begriffe falsch verwenden oder veraltete und abwertende Bezeichnungen in der Kommunikation nutzen. Dies kann die Glaubwürdigkeit einer Marke stark negativ beeinflussen und das Vertrauen der Community in die Marke erschüttern. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es unerlässlich, sich intensiv mit den Bedürfnissen und Erwartungen von LGBTIQA+-Menschen auseinanderzusetzen und sicherzustellen, dass die Kommunikation authentisch und fundiert ist. Dies kann durch den Austausch mit LGBTIQA+-Organisationen und die Einbindung von Mitarbeitenden aus der Community in den Kommunikationsprozess erreicht werden.

medianet: Sie haben den Slogan ‚Diversität ist der neue Algorithmus' geprägt. Demnach gehe es bei Diversität in Medien nicht nur darum, wer auf der Leinwand zu sehen ist, sondern auch darum, wer hinter den Kulissen die Erzählung prägt. Was genau meinen Sie damit?

Stadler: Mit ‚Diversität ist der neue Algorithmus' soll hervorgehoben werden, dass echte Diversität in Social Media die Zielgruppen stärker anspricht und abholt, weil sich die Communitys in den Erzählungen wiederfinden und ernst genommen fühlen. Die Interaktion der User mit dem Content beeinflusst die Ausspielung positiv oder einfacher gesagt: Die Veröffentlichung relevanter Inhalte wird vom Algorithmus mit besserer Performance und mehr Sichtbarkeit belohnt.

Es ist schon lange nicht mehr ausreichend, lediglich diverse Gesichter zu zeigen. Viel wichtiger ist es, dass die Vielfalt auch dort vorhanden ist, wo Markenkommunikation und kreative Konzepte entstehen – in den Teams, die Marketingstrategien entwickeln und die Inhalte dafür umsetzen, kuratieren und produzieren. Wenn die Menschen, die die Erzählungen prägen, selbst vielfältige Hintergründe, Perspektiven und Erfahrungen mitbringen, entstehen authentischere, echte und glaubwürdige Geschichten. Dies trägt nachhaltig zu einer inklusiveren und repräsentativeren Medienlandschaft insgesamt bei.

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