Holen wir uns, was uns zusteht
MARKETING & MEDIA Redaktion 10.06.2022

Holen wir uns, was uns zusteht

Preise runter, Löhne rauf? Die meisten Probleme entstehen bekanntlich bei deren Lösung.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

GUTER RAT. Im Nationalratswahlkampf 2017 ließ SP-Chef Christian Kerns Slogan „Hol dir, was dir zusteht” die Wogen hochgehen. Damit werde Gier zur Tugend stilisiert, dem Wähler die Hängematte ans Herz gelegt, hieß es. Vor ein paar Wochen holte Franz Schellhorn, Chef von Agenda Austria, den Wahlclaim aus der Mottenkiste: „Diese ‚Hol-dir-was-dir-zusteht'-Mentalität hat viel mit der Pandemie zu tun, in der die Politik Maß und Ziel verloren hat”, schrieb er in einem Kommentar im Profil („Her mit dem Zaster, her mit der Marie!”). Sei bis vor Kurzem um Millionen gestritten worden, seien heute Milliarden kaum der Rede wert. Der schlimmste Schaden sei der „mentale Knacks, den diese Krise in unseren Köpfen angerichtet hat – der Glaube, es gehöre zu den zentralen Aufgaben des Staats, jeden erlittenen Einkommensverlust zu kompensieren (…).”

Guter Rat bleibt jedoch teuer. Nachdem Milliarden in die Unterstützung der Wirtschaft geflossen sind, um die Folgen der Coronakrise abzumildern, lässt sich der Geldhahn jetzt – die Inflation galoppiert – schwerlich abdrehen. Auf dem Tisch liegen Pendlerpauschale und Klimabonus, Anhebung der Sozialleistungen, Spritpreisbremse, Mietenstopp und Energiepreisdeckel, Mehrwertsteuerkürzung, Lohnsteuersenkung und Pensionserhöhung. Einnahmenseitig mangelt es an kreativen Vorschlägen.

Wifo und IHS warnen davor, „dass großzügige schuldenfinanzierte Kompensationsmaßnahmen die Inflation sogar noch weiter beschleunigen, weil sie die Nachfrage nach knappen Gütern befeuern”. Die Auswirkungen auf Staatsbudget und Klimaziele gerieten aus dem Blickfeld.

Die Lösung? Das Hauptproblem, die Inflation, könne auch „durch Verringerung der Nachfrage bekämpft” werden … Die „Verringerung der Nachfrage”, warnen Organisationen wie die Caritas, sei bereits im Laufen. „Hol dir, was dir zusteht” wurde übrigens damals von „Veränderung mit Verantwortung” abgelöst. Machen Sie sich einen Reim drauf.

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