••• Von Dinko Fejzuli
Seit 1990, also seit über 30 Jahren, ist Michael Pauser für den ORF tätig. Dass er zum Radio wollte, war für ihn schon sehr früh klar. Mit seinem Radio-Enthusiasmus sei er seinen Freunden damals sogar leicht auf die Nerven gegangen und irgendwann beschloss er, sich tatsächlich bei einem Radiosender zu bewerben, der durfte dann aber – weil das Privatradiogesetz aufgehoben worden war – nicht starten.
Alles andere als entmutigt schickte er dem damaligen Ö3-Chef Bogdan Roscic einen sieben Seiten langen Brief, voll mit Kritik, aber auch Vorschlägen, wie Ö3 aus seiner Sicht besser werden könnte – und bekam daraufhin tatsächlich eine Chance. Roscic erkannte sein Potenzial. Von da an konnte Pauser unter Roscic und Spatt viel lernen, recht schnell Verantwortung übernehmen und führt nun selbst Ö3 als Senderchef. Vor seinem jetzigen Amtsantritt als neuer Ö3-Chef war Pauser übrigens – als kleiner beruflicher Sidestep – seit Beginn der aktuellen ORF-Führung Büroleiter des ORF-Technikdirektors und ist nun wieder zurück bei Österreichs größtem Radiosender, eben als dessen Channelmanager.
medianet traf Pauser zum Antrittsinterview und bat um einige Antworten auf aktuelle Fragen und um seine Sichtweise, wohin er Ö3 künftig führen will.
medianet: Herr Pauser, Ihr Vorgänger hat den Sender viele Jahre höchst erfolgreich geführt; trotzdem werden Sie als Neuer auch neue Ideen haben. Welche sind das?
Michael Pauser: Ich übernehme den Sender in einer Situation, in der wir heute mehr Hörerinnen und Hörer haben als vor einem Jahr. Es sind also welche hinzugekommen, und auch in der so genannten Viertelstundenmessung gibt es Zugewinne; sprich die Situation ist nicht unerfreulich. Trotzdem werden wir vieles hinterfragen und überprüfen, aber wir werden nicht alles über Bord werfen. Wir werden uns sicher – auch dank des neuen ORF-Gesetzes – mehr öffnen, hin zu Multimedialität, sprich diesen Plattformgedanken deutlich mehr leben. Daneben wollen wir einzelne Marken mehr in den Vordergrund schieben und als drittes, wesentliches Vorhaben soll Ö3 nicht nur ein Sender im Hintergrund sein, sondern wir wollen eine noch engere Beziehung zu unseren Hörerinnen und Hörern aufbauen.
medianet: Zu den Zahlen kommen wir noch, aber bleiben wir zunächst bei der Frage, wie die eben von Ihnen genannten Vorhaben gelingen sollen.
Pauser: Indem wir noch mehr in Diskussionen mit den Menschen einsteigen, aber auch zuhören. Das soll vor allem passieren, indem wir aus Wien hinausgehen – mit Veranstaltungen, neuen Sendungen und Rubriken und all jenen Dingen, die einen direkten Kontakt mit unserem Publikum ermöglichen.
medianet: Neue Dinge kosten meist zusätzliches Geld – klingt wie ein schwieriges Unterfangen in Zeiten, in denen seitens der Geschäftsführung Sparvorgaben nach unten kommuniziert werden …
Pauser: Es stimmt, dass der ORF nicht mehr Mittel zur Verfügung hat und einen strengen Sparkurs umzusetzen hat. Insofern werden wir uns an die Gegebenheiten anpassen. Das bedeutet aber nicht, dass wir jetzt großartig streichen werden, sondern wir werden versuchen, durch Organisationsformen, die wir gerade anstoßen, Ressourcen zu sparen, um diese woanders einsetzen zu können. Vieles davon hat sehr viel mit technischem Workflow zu tun.
medianet: Gleichzeitig müssen Sie aber versuchen, etwa junge Hörer, die immer weniger Radio hören, die Ö3 aber braucht, an sich zu binden.
Pauser: Also zum einen sagt der Radiotest, dass mehr Menschen Radio hören und der Audio-Trend bei den Jungen sich fortsetzt. Zum anderen wird es unsere Aufgabe sein, uns bei jenen Jungen, die uns noch nicht kennen – deren Lebenssituation sich aber etwa durch den Einstieg ins Berufsleben verändert –, besser vorzustellen.
medianet: Wie soll das gelingen?
Pauser: Indem wir, wie vorhin schon erwähnt, viel mehr hinausgehen, Präsenz zeigen, durch Events, aber auch über Social Media oder über unsere eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch, weil ich glaube, dass dies in der On-Off-Air-Kombination noch viel besser funktioniert, als rein über das On-Air-Produkt.
medianet: Und wie soll dieser Kontakt über das On-Air-Produkt, also das Programm, bewerkstelligt werden?
Pauser: Wir werden viel intensiver mit unseren Hörerinnen und Hörern interagieren. Wir werden etwa ein Talk-Radio einführen. Das Format ‚Frag das ganze Land' zeigt, wie wunderbar das funktionieren kann – so gut, dass jetzt sogar ein TV-Format daraus wird. Wir werden Robert Kratky mit ‚Kratky sucht das Glück' auf Tour schicken und wir werden auch im Nachtprogramm noch mehr Anknüpfungspunkte mit unserem Publikum anbieten. Die Nachtschiene werden wir übrigens auch verstärkt als Fläche zur Radio-Ausbildung für junge, neue Talente nutzen, begleitet von routinierten Radiomacherinnen und Radiomachern aus dem Haus.
medianet: Nach der Nacht kommt der Morgen und damit der ‚Ö3-Wecker'. Welche Fantasien haben Sie hier?
Pauser: Unsere Ideen beginnen sogar vor dem aktuellen ‚Wecker', denn zwischen vier und fünf Uhr früh sind in Österreich bereits gut eine Million Menschen wach und in Bewegung. Diesem Publikum werden wir künftig mit dem ‚Ö3-Wecker Frühstart' auch etwas anbieten. Denn auch wenn vier Uhr sehr früh klingt – für diese Menschen ist das nicht mehr die Nacht, sondern bereits der Morgen und der Beginn des nächsten Tages, nur eben etwas früher, als für die meisten von uns, denn die Nacht hat unterschiedliche Phasen und wir wollen den Bedarf an guter Radio-Unterhaltung und Information abdecken, indem wir hier eine neue Sendung anbieten.
medianet: Unterhaltung ist ein gutes Stichwort. Kritiker von Ö3 führen gerade diesen Aspekt an und meinen, Ihr Sender sei praktisch von den Privaten hier kaum zu unterscheiden, und manche meinen sogar, neben ORF eins müsste man Ö3 in Wahrheit privatisieren.
Pauser: Eines vorweg – ich bin ein Befürworter des dualen Systems. Ich glaube, dass es ungemein wichtig ist, sowohl den öffentlich-rechtlichen ORF als auch die Privatsender zu haben. Daneben gibt es aber auch den öffentlich-rechtlichen Auftrag, den der ORF zu erfüllen hat, und wir erreichen nun mal sehr viele Menschen und sind schlicht verpflichtet, all diesen Menschen etwas anzubieten – von Information, über Kultur und Sport bis eben zur Unterhaltung, denn wenn wir das nicht tun, erfüllen wir nicht unseren Auftrag. Ö3 hat ganz klar einen öffentlich-rechtlichen Charakter und leistet seinen Beitrag dazu.
medianet: Inwiefern?
Pauser: Wir wollen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln die meisten Menschen erreichen und das mit bestmöglich gemachtem Content. Das ist eben eine fundamental andere Herangehensweise, Programm zu machen. Dinge wie der Digital News Report bestätigen dies, indem er Ö3 als eine der führenden Nachrichtenmarken ausweist, neben der ‚Zeit im Bild' und den Journalen von Ö1.
medianet: Auch wenn es Ihnen verständlicherweise vor allem um das Programm geht – Ö3 ist eine äußerst wichtige Cashcow des ORF. Hier hat es aber, wenn wir zur Frage der werberelevanten Zielgruppen und der werbetreibenden Wirtschaft wechseln, in den letzten zwei bis drei Jahren einen Switch gegeben, und Ö3 ist in der werberelevanten Zielgruppe bei den Marktanteilen hinter die RMS als privater Mitbewerber gerutscht. Haben Sie Ambitionen, das irgendwie wieder zu drehen?
Pauser: Man muss sich hier die einzelnen Bundesländer ansehen. In Wien haben wir zum Beispiel Marktanteile gewonnen.
medianet: Dafür sind Sie etwa in Vorarlberg nach hinten gerutscht.
Pauser: Ich sehe das Ganze als eine große Herausforderung. Man muss in der Lage sein, sich an die neue Situation anzupassen, dabei aber Veränderungen sanft durchzuführen, und man muss sich auf vielen Ebenen bemühen. Genau deshalb wollen wir den Fokus zusätzlich auf Veranstaltungen legen, mehr hinausgehen und mehr Kontakte schaffen. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger, als vom Ohr ins Herz unserer Zuhörerinnen und Zuhörer rutschen.