Im Blindflug besteuert
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Mehr Fakten „Eine seriöse Steuerpolitik muss auf Fakten basieren, nicht auf Klischees”: Stefan Humer (WU Wien), Sepp Vinatzer (Respekt.net), Wilfried Altzinger (WU Wien) und Mathias Moser (JKU Linz).
MARKETING & MEDIA Redaktion 21.10.2016

Im Blindflug besteuert

Wer mehr verdient, zahlt mehr Steuern. Stimmt nicht, sagen die Autoren einer neuen Studie zur Steuer- und Abgabenstatistik privater Haushalte.

WIEN. Wer mehr verdient, zahlt mehr Steuern – so die Annahme. Gestützt wird diese Sicht der Dinge durch die Steuerprogression bei Lohn und Einkommen. Eine vom Verein Respekt.net mit der WU Wien durchgeführte Analyse kommt zu einem anderen Ergebnis. Demnach zahlen niedrige und mittlere Einkommen eine relativ hohe „Flat Tax”, für die absoluten Spitzenverdiener sinkt die Steuerbelastung jedoch.

Die Hintergründe: Die Sozialversicherung etwa ist nach oben gedeckelt („Höchstbeitragsgrundlage”), Kapitalerträge werden nur mit 27,5% besteuert, und auch Konsumsteuern werden unabhängig vom Einkommen fällig. Das ist bekannt. Aber: Wie Mathias Moser vom Institut für die Gesamtanalyse der Wirtschaft (ICAE) der JKU Linz bei einem Pressegespräch am Dienstag kritisierte, wird bisher nicht erhoben, wie unterschiedliche Einkommensgruppen von den verschiedenen Steuern genau belastet werden – auch und insbesondere bei Konsum- und Kapitalertragssteuern.

„SteuernZahlen.at”

Moser: „Jede Steuerreform, die nicht weiß, wie die gesamte Abgabenlast aussieht, ist eine Steuerreform im Blindflug.” Für die Studie wurden bestehende Daten über Einkommen (OeNB) und Konsumverhalten (Statistik Austria) mit jenen Daten kombiniert, die Respekt.net über die Plattform SteuernZahlen.at gesammelt hat. Dort haben rund 13.000 Österreicher ihre Einkommens- und Steuerdaten eingegeben, 2.000 Datensätze waren verwertbar und haben, so Moser, insbesondere eine Datenlücke bei den Spitzenverdienern geschlossen: Die obersten Einkommensbezieher (knapp über 400.000 € jährlich) lieferten auch die stärkste Auffälligkeit: Während die Steuerlast bei der großen Masse der Einkommen (20.000–80.000 €/Jahr) nämlich zwischen 35 und 40% liegt und dann auf bis zu 47% ansteigt, sinkt die Belastung der obersten Einkommen wieder auf 40%. Dies u.a. deshalb, weil für diese Gruppe die niedrig besteuerten Kapitaleinkommen eine deutlich größere Bedeutung haben.

Laut Stefan Humer (Forschungsinstitut INEQ, WU Wien) „wirkt das Abgabensystem für das oberste Prozent regressiv”. Dieser Effekt sei in der Praxis „noch stärker”, denn: „Die reichsten Österreicher mit den höchsten Einkommen sind in diesem Datensatz gar nicht erfasst.” (APA/red)

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