••• Von Dinko Fejzuli
Er ist einer der besten Kenner des ORF und hatte auch schon viele Funktionen im Öffentlich-rechtlichen inne. Er war Kurator und später Stiftungsrat, gilt als Königsmacher bei der Wahl von Alexander Wrabetz zum ORF-Generaldirektor und war auch schon Marketing- und Kommunikationschef des ORF. Derzeit ist Pius Strobl vor allem als Gesamtprojektleiter Medienstandort für den ORF-Umbau und als Leiter der Konzernsicherheit gefragt.
medianet bat Pius Strobl zum Corona-bedingt per Video abgehaltenen Interview über die aktuelle Lage am Küniglberg
medianet: Herr Strobl, Sie haben schon einige Funktionen im ORF ausgefüllt. Sie waren Presse-, Kommunikations- und Marketingchef, in den 90er-Jahren waren Sie als Kurator im obersten Aufsichtsorgan des ORF, Sie sind jetzt Chef des Humanitarian Broadcasting, momentan Gesamtprojektleiter des Medienstandort neu und Sicherheitschef vom ORF, was in den Zeiten von Corona auch viel Verantwortung mit sich bringt. Was genau bedeutet diese Aufgabe?
Pius Strobl: In den letzten zwei, drei Jahren habe ich gemeinsam mit einem Mitarbeiter begonnen, Notfallpläne für alle möglichen Szenarien auszuarbeiten, etwa terroristische Angriffe, geopolitische Verwerfungen – alles, was man sich vorstellen kann. Wir haben aber auch nicht damit gerechnet, dass es ein Virus geben wird, das uns so aus der Bahn wirft. Wir haben aber schnell reagiert und den veränderten Bedingungen rasch Rechnung getragen.
medianet: Für welche Bereiche sind Sie zuständig?
Strobl: Ich bin für die Sicherheit aller ORF-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verantwortlich, die Sicherheit der Betriebsstätten und für die damit zusammenhängende Aufrechterhaltung der Produktionsfähigkeit, um überhaupt betriebs- und sendefähig zu bleiben. Das sind die Kernfunktionen, deren Sicherungen letztlich zu den Maßnahmen geführt haben, die nun gelten. Die ersten Entscheidungen sind bereits am 21. Februar und in rascher Folge danach gefallen. Unter anderem, gut 2.000 von 3.000 Mitarbeitern ins Homeoffice zu schicken. Es ging aber auch darum, bei den Mitarbeitern ein hohes Bewusstsein für die neuen Verhaltensregeln, die ja für alle gelten, zu schaffen.
medianet: Gab es im ORF Corona-Fälle?
Strobl: Es gab auch bei uns etliche Verdachtsfälle und auch positive Testungen, aber wir hatten das Glück, dass es keine positiven Fällen in den Redaktionen gab und es gab nur sehr wenige Heimquarantänefälle, die angeordnet werden mussten, da die Betroffenen bereits im Homeoffice waren und keinen Kontakt zu anderen hatten. Wenn man unsere Arbeitsweise in Radio und Fernsehen kennt, dann weiß man, dass wir immer in Teams arbeiten. Wir haben Regieplätze, Abwicklungen, Newsräume, ein Großraumbüro. Man ist nicht alleine. Wenn man dort einen positiven Fall hat, schickt man nicht ‚nur' einen Kranken nach Hause, sondern das ganze Team, mit dem theoretisch Kontakt bestanden hat.
Wir haben uns die Frage gestellt, wie oft wir das aushalten. Die Antwort ist: nicht oft. Man kann nicht beliebig oft eine Newsraum- oder Regieplatzmannschaft ersetzen. Daraus folgte die zweite Maßnahme, nämlich die Schaffung von Isolationsbereichen, in denen wir die Teams von der Außenwelt abriegeln, sodass sie nicht infiziert werden können.
medianet: Abseits der Redaktionen selbst gibt es auch noch den Produktionsbereich, wo üblicherweise viele Menschen auf kleinem Raum zusammenarbeiten. Da dies nun schwieriger möglich ist, haben andere Sender, etwa in Deutschland, ganze Sendungen ausfallen lassen oder ohne Saalpublikum abgewickelt. Wie wurde dieses Problem am Küniglberg gelöst?
Strobl: Bei uns ist es, im Unterschied zu Deutschland, Schweiz, Frankreich, Spanien und anderen Ländern, so, dass keine einzige Sendung ausgefallen ist. Wir haben keine Betriebsunterbrechung gehabt, keine Redaktion schließen müssen! Das ist bei vielen Sendern anders, bei uns war das nicht erforderlich. Unsere Maßnahmen waren so tiefgreifend, dass es zu keinem Ausfall gekommen ist. Es gab keine Sekunde, in der wir nicht hätten senden können.
medianet: In Zeiten der Krise waren viele Dinge ganz schnell möglich, für die es vorher vermutlich Wochen und Monate der Diskussion benötigt hätte …
Strobl: Für manche Bereiche trifft das sicherlich zu. Wir haben etwa das ganze Unternehmen in wenigen Wochen in Bezug auf das Arbeiten durchgehend digitalisiert. Über 3.000 Mitarbeiter können via VPN auf unsere Systeme zugreifen, es wird von zu Hause aus produziert, ohne dass es die Zuseher merken, wir arbeiten mobil mit über 3.000 Laptops, wir haben uns an Skype-Konferenzen gewöhnt und viele weiter Umstände, die am Ende auch viel Zeit sparen können. Ich selbst nutze die Zeit in meinem Job so gut wie nie zuvor. Ich arbeite von in der Früh bis abends, bin dabei entweder in einer Videokonferenz oder beantworte Mails, arbeite am Telefon. Da gibt es keinen Zeitverlust mehr.
medianet: Wie viel Raum nimmt dabei die ORF-Baustelle, für die Sie ja auch verantwortlich sind, ein? Gerade im Baustellenbereich hat Corona zu einem großen Stillstand geführt. Auch am Küniglberg?
Strobl: Mittlerweile arbeiten wir im Neubaubereich wieder. Da ist es auch einfacher, da wird betoniert und abgebrochen. Im Sanierungsbereich werden wir voraussichtlich am 18. Mai wieder hochfahren. Auch der Ausbau einiger Einheiten wird weitergeführt. Das ist möglich trotz Sperrzonen am Küniglberg Wir sind also im Begriff, wieder hochzufahren, weil wir jetzt wissen, wie wir Schutzmaßnahmen umsetzten können damit niemanden etwas passiert.
medianet: Auf die Gesamtbauzeit betrachtet – wird man trotzdem in der Zeit fertig?
Strobl: Selbstverständlich geht das Arbeiten auf der Baustelle jetzt mit einem Zeitverlust einher; dieser ist aber durch einen Puffer, den wir eingeplant hatten, gedeckt und wenn uns kein zweites Coronavirus trifft, werden wir unsere Zeitpläne einhalten können.
Link zum Videointerview mit Pius Strobl