„Inhalte verschenken war eher unklug”
© Anna Rauchenberger
Breakfast Briefing Gastgeber Gerhard Pichler (Business Circle) mit Horst Pirker (Verlagsgruppe News), Roland Schöbel (PwC) und Michael Palzer (RBI) beim Breakfast Briefing in der „Sky Conference” der RBI am Wiener Stadtpark.
MARKETING & MEDIA Dinko Fejzuli 09.12.2016

„Inhalte verschenken war eher unklug”

Horst Pirker sprach beim Business Circle über die Medien-Digitalisierung und mögliche Zukunftsszenarien.

••• Von Dinko Fejzuli

AAuf Einladung von Business Circle, ­Österreichs lt. Eigenangaben größtem Konferenzunternehmen, sprach beim letzten Breakfast Briefing vor der Weihnachtspause Verleger Horst Pirker über die Digitalisierung der Medienbranche.

Sein Fazit vorab: Es sei, als würde man eine abwärtsfahrende Rolltreppe aufwärts laufen.Denn: Traditionelle Medien wie z.B. TV, Rundfunk oder Print verlören zunehmend ihre Rolle als „Gatekeeper”, der Informationsfluss gleitet immer mehr in Soziale Medien ohne jegliche journalistische Qualitätskontrolle ab, so Pirker. Während früher Nachrichten bewusst in Medien gesucht wurden, erreichen heute die relevanten Informationen ihre Empfänger von allein.
Die negative Folge seien aber die sogenannte Echokammern, in denen man nur mehr einem ohnehin genehme Informationen geliefert bekomme.
Und wer entscheidet, was einem da an Information serviert wird? Früher waren zuerst die Mächtigen, also z.B. Fürsten und Kirchen, die Wächter über die Nachrichteninhalte. Später wurden sie von den Journalisten abgelöst, bis schließlich die Freunde und „Peers” diese Rolle in den Sozialen Netzen übernommen haben.
Das Problem an der Sache: Jene, die heute die Funktion der Gatekeeper übernommen hätten, etwa Amazon, Google, Facebook und Apple, hätten gleichzeitig ganze Ökosysteme um das ursprüngliche Produkt gebaut, seien so zu immensen Monopolisten in ihren Bereichen herangewachsen und würden nun mit ihren Plattformen den Weltmarkt dominieren. Eigenartig daran sei, so Pirker, dass niemand Anstalten machen würde, diese Monopole zu zerschlagen.
Seine Vermutung für diese Entwicklung: „Im Gegensatz zur Zerschlagung von AT&T gibt es nun ein politisches Interesse, diese Giganten nicht zu beschränken, da weltweite Daten in den USA gesammelt werden können”, so Pirker.
Die positiven Folgen für die Plattformmonopolisten: „Je mehr Menschen diese Plattformen nutzen, desto höher sind die Skalenvorteile und Netzwerkeffekte. Schließlich hat es keinen Sinn mehr gemacht, auf StudiVZ vertreten zu sein, wenn noch mehr Freunde und Bekannte auf Facebook zu finden sind.”
Und hier in Europa? „Wir gehöre der Zunft der Medienunternehmer verlegerischer Herkunft an, die fest geschlafen haben, als die Digitalisierung schon im Anrollen war”, so Pirker selbstkritisch.
Doch nicht nur die Verleger hätten hier etwas verpasst: Die Digitalisierung hat andere Branchen noch härter (unvorbereitet) getroffen, weil sie offensichtlich auf das falsche Pferd gesetzt hätten.
Beispiele hier: der frühere Foto-Gigant Kodak. Pirker dazu: „Man kann es noch stärker verschlafen als wir.” Doch die Umwälzungen seinen noch längst nicht am Ende: „Die Digitalisierung wird alle Branchen betreffen und dramatisch verändern.”
Und der Ausweg? Hier sieht Pirker mehrere mögliche Strategien: Erstens die Strategie der Konvergenz, also des Zusammenwachsens; als Beispiel hier dient abermals Apple. Das iPhone etwa sei das Paradebeispiel für so eine Strategie. Es sei Navi, Wecker, Computer, Lesegerät „und, ach ja, man kann damit auch noch telefonieren”, so ­Pirker leicht ironisch.

Ökosysteme als Ausweg

Eine weitere Strategie sei jene gegen die Disintermediation, also jene Entwicklung, bei der einzelne Glieder der Wertschöpfungskette wegfallen.

Sei man so ein Glied, also weder Hersteller noch Konsument, solle man schauen, dass man sich möglichst schnell aus der Mitte der Wertschöpfungskette bewegt, so Pirker, sonst werde man nicht überleben.
Eine weitere, schon länger gelebte Strategie sei jene des Harvesting, also des „Aberntens”. Besonders die oft zitierten „Heuschrecken”, etwa in der Finanzbranche, würden diese Strategie des „take the money and run” anwenden.
Auch sei es möglich, der Strategie der Dekonstruktion zu folgen und seine Geschäftsprozesse anzuschauen, um jene zu finden, die wertschöpfend seien, damit man diese, fit für die Zukunft, verselbstständigen kann.
Eine weitere Möglichkeit sei schlicht das Verkaufen und der Rückzug.
Und für jene, die bleiben? Für die bleibe die Strategie der ­Migration, sprich sich aus einem analogen in einen digitalen Zustand zu bewegen und die Innovation voranzutreiben.
„Bei Medien hat sich dies als bisher nicht tragfähig erwiesen, weil die Medien ‚klugerweise' ihre zentrale Dienstleistung gratis angeboten haben.” Pirkers Nachsatz: „Was bei den wenigsten Geschäftsmodellen klug ist.”
Und ein möglicher Ausweg: Hier kommt Pirker wieder auf die sogenanten Ökosysteme als mögliche ­Lösung, die auch einige Medienhäuser rund um bestimmte Produkte bereits gebaut hätten.
Als Positivbeispiel nennt Pirker das Verlagshaus Axel Springer, oder auch das erste Männerkochbuch „Beef” aus dem Hause Gruner + Jahr, um welches man eine ganze Welt gebaut hätte, in der man nun sogar einen speziellen Griller kaufen könne.
Auch im eigenen Hause, dem News Verlag, habe man bereits solche Ökosysteme gebaut und genau da sehe er die Zukunft.
Weil: Dass Zeitungen mit Vertriebserlösen und Werbung auch künftig ihr Auslangen finde, davon müsse man sich „emanzipieren”, so Pirker.

Werbung/Vertrieb reicht nicht

Das Print-Magazin Gusto sei so ein positives Beispiel, wie das gehe, und auch beim Frauen-Magazin Woman sei bereits eine ganze Welt rund um das ursprüngliche Printprodukt entstanden. Vom Facebook-Auftritt, dem Woman Day, einem echten Umsatzbringer für den österreichischen Handel bei dem Hunderttausende Menschen auf der Jagd nach Schnäppchen in die Läden stürmen, bis hin zu einem eigenen YouTube-Kanal.

Warum die Innovation nicht in Europa, sondern in den USA stattfinde, dafür hat Pirker gleich mehrere Ursachen ausgemacht. Eine seien die Schwächen des europäischen Kapitalmarkts: Während Amazon in den Gründungsjahren ständig steigende Verluste schreiben durfte, haben sich die Investoren von Libro in den frühen Zweitausenderjahren anders verhalten”, so Pirker.

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