Wien. Vom 24. bis zum 26. Februar sind die heimischen Kammermitglieder aufgerufen, ihre Berufsgruppenvertretung zu wählen. Also auch jene der Sparte Werbung und Marktkommunikation in der WKO – und wer in der sogenannten Fachgruppe Werbung Wien künftig im Chefsessel sitzt, wird sich also in wenigen Tagen entscheiden. Für die aktuell auslaufende Legislaturperiode tat dies Birgit Kraft-Kinz in einer Koalition mit den Grünen den schwarzen Wirtschaftsbund.
„Wollen Erster werden”
Geht es nach Gewista-General-direktor Karl Javurek, soll sich dies (wieder) ändern, denn die Periode davor war der sozialdemokratische Wirtschaftsverband am Ruder und, so sein Wunsch, soll es auch für die nächsten fünf Jahre wieder werden. Zum „Wahl-Gespräch” trifft medianet Javurek nicht allein. Es ist ein Doppel-Interview mit Markus Arige, Gesellschafter der Agentur „halle34 | Og für zeitgenössische kommunikation”, denn die beiden bilden die Doppelspitze der roten Fraktion, die bei den Kammerwahlen seit Jahren unter dem Namen „Team Werbung Wien” antritt.Und hier gibt es schon den ersten Konflikt, denn: Im Zuge der kommenden Wirtschaftskammerwahl kandidiert der ÖVP-Wirtschaftsbund/Fachgruppe Werbung Wien plötzlich ebenfalls unter der Marke „Team Werbung Wien”. Dies ist jedoch genau jene Bezeichnung, unter welcher die Fraktion des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands wie erwähnt seit Jahren kommuniziert und auftritt.
Causa „Markenraub”
Listenführer Javurek zur Namens-Malaise: „Seit 2008 ist ‚Team Werbung Wien' die Bezeichnung unserer Fraktion. Bei der vergangenen Wirtschaftskammerwahl haben wir ebenfalls unter dieser Marke kandidiert, und auch unsere Arbeit der letzten fünf Jahre lief unter dieser Marke. Der nunmehrige Versuch des ÖVP-Wirtschaftsbunds, unter unserer Bezeichnung zu kandidieren, ist der eindeutige Versuch einer Wählertäuschung und darüber hinaus etwas, das man in unserer Branche als ‚Markenraub' bezeichnet und was von den Markteilnehmern aufs Heftigste abgelehnt wird.”Arige, Listenzweiter des originalen Team Werbung Wien, ergänzt: „Wie verzweifelt muss man sein, wenn man die erfolgreiche Marke eines Mitbewerbers bewusst für sich selbst in Anspruch nimmt, nur um an der Macht zu bleiben? Auch wenn der ÖVP-Wirtschaftsbund seine Felle schon davonschwimmen sieht, so gibt es ethische und moralische, aber auch juristische Grenzen. Diese wurden hier eindeutig überschritten.”Doch auch ohne den Markenraub sind die beiden auf die Fachgruppen-Obfrau nicht wirklich gut zu sprechen. Die Liste der Kritikpunkte ist lang, allen voran jene, dass Anträge der roten Opposition aus „fadenscheinigen” Gründen über Jahre in den Gremien stets blockiert wurden. Gerade wenn es um die Anliegen der EPU ginge, die die überwältigende Mehrheit der Mitglieder stellen, habe Kraft-Kinz stets „blockiert”. Nur sei die Branche im Wandel, und gerade diese Zielgruppe von den Veränderungen besonders betroffen, ohne dass die Fachgruppen-Spitze entsprechend darauf reagiert hätte. Noch schlimmer, so Javurek: „Die Obfrau hat mit irreführenden Behauptungen, die Branche sei im Wachsen, lediglich Schönfärberei betrieben. Jene, die neue Mitglieder geworden sind, waren zum großen Teil gar keine echten Neugründungen, sondern EPU, die meist schon in der Branche gearbeitet hatten, nur eben als Angestellte in Agenturen”.
Eine statt 14 Berufsgruppen
Weiterer Kritikpunkt: Die Untereinteilung der Fachgruppe in insgesamt 14 Berufsgruppen entspräche längst nicht mehr der Realität. Hier habe man vorgeschlagen, diese auf eine zu reduzieren; als Gegenvorschlag sei von Kraft-Kinz eine Fünfer-Einteilung gekommen; welche (neuen) Berufsgruppen dies sein sollen, „diese Antwort blieb Kraft-Kinz aber schuldig”, so Arige. Dies sei vor allem deshalb ärgerlich, da ja jeder, der außerhalb seiner angestammten Branche weitere Dienstleistungen anbieten wolle, jedes Mal einen zusätzlichen, kos-tenpflichtigen Gewerbeschein lösen müsse.Auch der Umstand, dass die Fachgruppe ihren eigenen Kommunikationsetat ausgeschrieben habe und dabei EPU, also einen Großteil der eigenen, zahlenden, Mitglieder vom Pitch ausdrücklich ausgeschlossen habe, zeige, so Arige, dass die Fachgruppenführung im Grunde die Interesse der Ein-Personen-Unternehmen nicht auf der Agenda habe: „Das Ganze war eine Farce.”Und grundsätzlich: „Ein Kommunikationsberater muss heute vom Konzept über die Grafik bis hin zu digital alles beherrschen, da passt die aktuelle Berufsgruppeneinteilung schon längst nicht mehr”, so Javurek. „Warum gibt es nicht einen einheitlichen Gewerbeschein für unsere Branche? Eine weitere Ausdifferenzierung kann ja intern dann durchaus via Berufsgruppensprecher erfolgen, aber ohne finanziellen Schaden für die Ein-Personenunternehmen”, so Arige ergänzend. „Hier herrscht noch ein streng zünftisches Denken vor.” Aber selbst wenn Kraft-Kinz Initiativen gesetzt hätte, dann seien diese aus Mangel an konsequenter Weiterverfolgung „verpufft”. Hier nennen Javurek und Arige u.a. die Aktion „Gegen schwarze Schafe”, die einfach „abgewürgt” worden sei. Besonders ärgert sich Javurek über den Umstand, dass die Fachgruppen-Obfrau die Interessen des schwarzen Wirtschaftsbunds über die Interessen der Wiener Unternehmen stelle. Konkret spricht Javurek hier den ausschließlich in Wien gültigen Kollektivvertrag an, wodurch den Wiener Unternehmen in der direkten Konkurrenz mit etwa niederösterreichischen Agenturen ein Wettbewerbsnachteil entstehe, da diese billiger anbieten könnten.Hier schaffe es die Obfrau nicht, die eigenen Partei auf Linie zu bringen, um den Kollektivvertrag bundesweit einzuführen. „Es wird immer nur abgelehnt, abgelehnt, abgelehnt”, so Javurek wütend.Generell sei Kraft-Kinz beim Thema Lobbying für die eigene Berufsgruppe „nicht immer am aktuellen Stand”. Um die Interessen der eigenen Mitglieder nachdrücklich zu vertreten, bedürfe es mehr als nur einer ex post-Begutachtung von Gesetzesvorschlägen, sondern man sollte bereits in den Entstehungsprozess eingebunden sein. Nachsatz Javurek: „Aber die Obfrau hatte gar keine Ahnung, was hier seitens des Gesetzgebers etwa in Sachen Lobbying-Gesetz oder Festplattenabgabe in Vorbereitung war.” Und: „Viele Dinge, die gesellschaftspolitische Relevanz hätten, wie etwa Steuern, die SVA oder eben ein bundesweit umgesetzter Kollektivvertrag, werden von unserer Fachgruppenführung einfach nicht angegangen oder sogar ignoriert.”
Javurek: Beiträge senken
Bei einem Punkt zeigt sich Javurek besonders kritisch und zwar, wenn es um das Budget der Fachgruppe geht: „Es ist viel Geld vorhanden. Die Fachgruppe sitzt auf einem Polster von 1,5 Mio. Euro, die von der Kammer verwaltet werden.” Er sei nicht gegen Rücklagen, „aber in diesem Ausmaß?” „Die Beiträge müssen für EPUs von 95 auf 50 Euro pro Mitglied und Jahr sinken. Das wäre etwas, was ihnen sofort helfen würde, da manche ja zum Teil im System der regelrechten Selbstausbeutung leben.” „Vier Millionen Euro wurden in der vergangenen Legislaturperiode von der Fachgruppe ausgegeben. Ich bin der Meinung, die Leistung der Fachgruppe war für dieses Geld zu wenig.”Javurek weiter: „Die jetzige Fachgruppenführung unter Kraft-Kinz ist eine Schlafpille, die kurz vor der Wahl plötzlich aktiv wird, deren Arbeit bisher aber an den wirklichen Interessen der eigenen Mitglieder vorbeigegangen ist. Es ist Zeit, dass ein neuer Schwung in die Kammer kommt”.
Anmerkung der Redaktion: Die Reaktion von Fachgruppen-Obfrau Birgit Kraft-Kinz auf die Kritik von Javurek und Arige bzw. welche Schwerpunkte sie in der kommenden Legislaturperiode setzen möchte, lesen Sie in der kommenden Freitag-Ausgabe der medianet.