Klug gewichtet, grün gewaschen
MARKETING & MEDIA Redaktion 22.03.2024

Klug gewichtet, grün gewaschen

Wer mit prägnanten Claims wirbt, sollte eventuell einen Schritt weiter denken.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

FLÜGEL HEBEN. Zum Thema Greenwashing: Eine niederländische Fluggesellschaft hat die Verbraucher laut einem eben erfolgten Gerichtsurteil in die Irre geführt. Mit dem Werbeslogan „Fly Responsibly” habe die Airline eine „unberechtigte Behauptung zu Umweltfreundlichkeit” aufgestellt. Darüber kann man diskutieren. Die Aufforderung, verantwortungsvoll zu fliegen, kann man grundsätzlich in alle Richtungen interpretieren: selten, nur mit einem Fesselballon, an einem Fallschirm befestigt und von einem Boot gezogen, mittels Gleitschirm, probehalber ohne alles … Was die frisch verurteile Airline zu diesem Thema beiträgt: Ein Prozent des eingesetzten Kerosins wird durch SAF (Sustainable Aviation Fuel) ersetzt. Man unterstützt Naturschutzprojekte, die Verpflegung an Bord wird anhand nachhaltiger Kriterien gewählt, Recycling ist auch ein Thema. Und das Gewicht der Flieger wird reduziert – durch leichtere Sitze und Trolleys.

Die meisten Fluglinien sind da schon einen Schritt weiter und verrechnen inzwischen sogar Aufschläge für Handgepäck. Essen wird ohnehin nur mehr serviert, wenn es nonstop um die halbe Welt geht, und übergewichtige Passagiere werden von US-Fluglinien dazu gezwungen, einen zweiten Sitzplatz zu buchen. Jetzt wissen wir, dass dahinter nicht die Gier steckt, sondern ein gewichtiger Klimagedanke.

Der Luftverkehr ist für knapp fünf Prozent der globalen Erwärmung verantwortlich und wächst jährlich um vier bis fünf Prozent. Effizienzverbesserungen durch neue Flugzeuge und Treibstoffe betragen etwa 1,5 Prozent pro Jahr. Die Rechnung geht nicht auf, solange Kerosin von der Energiesteuer und internationale Flüge von der Mehrwertsteuer befreit werden. Doch zurück zum Thema: Wer sich „Fly Responsibly” zu Herzen nimmt, fliegt gar nicht. Irgendwo anders ein paar Bäume zu pflanzen, wiegt das Problem nicht auf. Ein pragmatischer Zugang wäre, Arbeitskämpfe und Streikkultur des Airline-Personals mit weiteren Rationalisierungen anzuheizen. Klimaschutz per „Arbeitsverdichtung”.

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