Kollektivvertrag adieu
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Gerald Watzal Präsident des Verbands Druck & Medientechnik.
MARKETING & MEDIA Gianna schöneich 30.09.2016

Kollektivvertrag adieu

Der Verband Druck & Medientechnik gibt seine Funktion als Kollektivvertrags-Verhandlungspartner auf.

••• Von Gianna Schöneich

WIEN. Mit dem 1.1.2017 wird eine Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist zunächst, Arbeitnehmern das zustehende Entgelt für deren erbrachte Arbeitsleistung zu sichern. Außerdem soll Lohn- und Sozialdumping durch ausländische Dienstleistungserbringer im Zusammenhang mit Entsendungen von Arbeitnehmern nach Österreich bekämpft werden. Was sich sinnvoll anhört, führt im Verband Druck & Medientechnik zu tiefgreifenden Entscheidungen und Handlungen.

Zum Schutz der Unternehmen

Am Freitag, den 23. September, wurde eine Hauptversammlung abgehalten; eine Statutenänderung wurde beschlossen und die Funktion als Kollektivvertrags-Verhandlungspartner für das grafische Gewerbe zurückgelegt.

Man wolle die Unternehmen der Branche schützen, erklärte Gerald Watzal, Präsident des Verbands Druck & Medientechnik, am vergangenen Montag während eines Pressegesprächs in Wien.
Doch was gibt es zu schützen? „Es handelt sich um einen echten Paradigmenwechsel. Nach diesem Gesetz wird erstmals die Lohnauszahlung an den Dienstnehmer von Behördenamtswegen überwacht, die Unterentlohnung ist seither strafbar”, so Christoph Kietaibl, Inhaber des Lehrstuhls für Privatrecht an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, der ebenfalls Gesprächspartner beim Pressegespräch war. Zahlt ein Arbeitgeber nicht nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag, kann für jeden einzelnen betroffenen Arbeitgeber eine Verwaltungsstrafe verhängt werden. Je mehr betroffene Arbeitnehmer, desto höher die Strafe.
Problematisch: Zahlreiche missverständliche Formulierungen im Kollektivvertrag und komplexe Entgeltbestimmungen.

Viele vorhandene Spielräume

„Der Kollektivvertrag ist über die Jahre gewachsen und müsste über die rechtlichen Rahmenbedingungen adäquat angepasst werden. Dies ist uns bisher nicht gelungen. Da wir auch keine Chance sehen, das kurzfristig zu ändern, können wir das Werk, das sehr viele Spielräume rechtlicher Natur hat, so nicht weiter unterstützen. Das wollen wir unseren Mitgliedern und auch anderen Unternehmen nicht mehr zutrauen”, so Watzal.

Das Gesetz, welches eigentlich die schwarzen Schafe der Branche erfassen sollte, richtet sich auf diese Weise nun auch gegen Arbeitgeber, die sich eigentlich an das Gesetz halten wollen.
„Man kann durchaus sagen, dass das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz zunächst zum Schutz der Arbeitgeber geschaffen wurde und sich gewissermaßen zu einem Boomerang entwickelt hat”, ergänzt Kietaibl.

Und die Arbeitnehmer?

Während des Pressegesprächs betont man immer wieder, für die Arbeitnehmer würde sich vorerst nichts ändern: „Wir sind der Meinung, mit dieser Zurücklegung können wir die betriebliche Partnerschaft stärken. Den Unternehmen steht es nun offen, mit ihren Mitarbeitern neue Verträge auszuarbeiten, die keine finanziellen Einbußen beinhalten müssen, sondern rechtlich so ausgelegt werden, dass sie durch das Lohn- und Sozialdumping-Gesetz nicht mehr angreifbar sind”, erklärt Watzal.

An die Vereinsbehörde wurde ein Schreiben eingereicht, das den Beschluss der Statutenänderung bekannt gibt. Die Behörde kann nun innerhalb von vier Wochen die Änderungen bestätigen. Überdies wird das Bundeseinigungsamt informiert, welches die Kollektivvertrags-Verhandlungsfähigkeit aberkennt. Bis zu dieser Aberkennung bleibt der Kollektivvertrag in Kraft. Bis zu neuen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und -nehmer gelten also die Bestimmungen des Kollektivvertrags.

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