Kommunikation der verschlossenen Türen
MARKETING & MEDIA 25.09.2015

Kommunikation der verschlossenen Türen

Wenn Aufsichtsräte eines öffentlich-rechtlichen Senders die ­Öffentlichkeit lieber meiden und aussperren wollen.

Kommentar ••• Von Dinko Fejzuli


MAULKORB-ERLASS. „Der ORF-Stiftungsrat hat das Redeverbot für Stiftungsräte doch noch mit knapper Mehrheit abgeschafft. Der umstrittene ‚Maulkorb-Erlass' sah vor, dass Mitglieder des ORF-Gremiums während Sitzungen nicht mit Journalisten kommunizieren dürfen. Zuletzt hieß es, die Regelung soll bleiben, am Donnerstag kam dann die Überraschung: Das Redeverbot wurde gestrichen”, so der Beginn einer APA-Aussendung gestern Nachmittag.

Die Vorgeschichte dazu: Der ORF-Stiftungsrat, das oberste Aufsichts-und Kontrollgremium, bzw. dessen 35 Mitglieder treffen sich in regelmäßigen Abständen, um über wichtige Weichenstellungen des ORF zu entscheiden, diese abzusegnen oder auch abzulehnen. Tradition dabei ist es, dass, während drinnen die Stiftungsräte tagen, draußen die heimischen Medienjournalisten ihren Arbeitsplatz raus aus den Redaktionen hinauf auf den Küniglberg verlegen, um quasi live vom Geschehen berichten zu können.
Und genauso eine Tradition war es auch, dass eben manche dieser Stiftungsräte ab und zu auch gern mal während der Sitzung hinaus­kamen und dabei auch mit uns Journalisten sprachen.
Genau dieser Umstand war manchen ein Dorn im Auge, und prompt beschloss man vor einiger Zeit ein Redeverbot. Der sogenannte Maulkorb-Erlass sah vor, dass die Mitglieder des Gremiums während laufender Sitzungen nicht mit Journalisten sprechen dürfen.
Ein für einen Aufsichtsrat eines öffentlich- rechtliches Senders durchaus bemerkenswerter Beschluss.
Vor allem die SPÖ-nahen bzw. der Grünen- Vertreter setzten sich vehement für einen Verbleib des Verbots ein. Die der ÖVP und der FPÖ zugerechneten, bzw. die unabhängigen Stiftungsräte votierten aber für eine Abschaffung und brachten den Maulkorb-Erlass letztendlich auch in der gestrigen Sitzung zu Fall.
Themenwechsel: Anfang der Woche bin ich über eine bemerkenswerte Aktion von Radio Hamburg gestolpert, in welcher der Radiosender versucht, einen gänzlich anderen Weg zu gehen, wenn es darum geht, den unzähligen rassistischen und fremdenfeindlichen Postings in den eigenen Foren Herr zu werden.

Hass-Poster vor den Vorhang holen

Statt zu löschen, hebt Radio Hamburg sie hervor, indem harmlose Postings davor und danach unkenntlich gemacht werden und so eben nur die rechten Online-Auswüchse sichtbar werden.

Radio Hamburg in einem Posting zur Aktion: „In Zukunft werden wir Euch, Ihr besorgten Bürger, aus Eurer sicher geglaubten Internet-Anonymität herausholen. Ihr wollt Eure braune Suppe ganz öffentlich teilen? Dann mit aller Konsequenz. Wir werden von nun an Eure Kommentare veröffentlichen und so Euer Gesicht und Euren Namen einer noch größeren Öffentlichkeit preisgeben. Den Anfang haben wir bereits gemacht. Und leider sind wir sehr sicher, dass diese ‚Nazi-Arschloch'-Sammlung stetig und rasant wachsen wird.”
Die Aktion des Radiosenders zeigt eines auf jeden Fall: Die gute alte Strategie, den Gegner mit dessen eigenen Waffen zu schlagen, funktioniert auch im Web 2.0.

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