Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
PROGNOSEN. Einige Fragen wird man sich in nächster Zeit stellen müssen. Nicht nur hierzulande. Die Innovationen rund um Anwendungsfälle von Künstlicher Intelligenz nehmen beinahe exponentiell zu. Wie gehen wir damit um? „Weniger Zeit für repetitiv Anspruchsloses, mehr Zeit für kreativ Qualifiziertes”, ist die Feelgood-Antwort. Faktisch betrachtet, könnte es sich ergeben, dass klassische „White Collar Workers” durch den anspruchslosen KI-Kollegen zu hundert Prozent entlastet werden, um bei den Euphemismen der HR-Welt zu bleiben. In letzter Zeit wurde viel darüber diskutiert, wie sich KI auf die sogenannten Wissensarbeiter auswirken könnte. Ergebnis einer Harvard-Studie, die im September 2023 veröffentlicht wurde: Vor allem „Low Performer” profitieren von KI; High Performer erben mehr Zeit- und Leistungsdruck. Machen Sie sich Ihren Reim drauf.
Ihren kaputten Geschirrspüler reparieren kann eine KI (noch) nicht. Die Karriere mit Lehre wird als Option am Arbeitsmarkt eine Zeitlang spannender werden.
Demokratiepolitische Defizite wiederum ergeben sich daraus, dass die Gestaltungskraft der Wirtschaft, besser: einiger Konzerne, diejenige der Regierungen längst uneinholbar übertrifft. Wenn Unternehmenslenker wie Elon Musk staatliche Konflikte nach Gutdünken beeinflussen – man denke an den Starlink-Zugang in der Ukraine – oder Internetkonzerne unwidersprochen weltweite Monopole auf einem digitalisierten Markt aufrechterhalten, mutieren die Möglichkeiten gewählter, und auch nicht gewählter, Regierungen zu Sandkastenspielen. Wie gehen wir damit um? Die besten Sandburgenbauer werden auf TikTok gewürdigt und gewinnen den Lorbeerkranz der Aufmerksamkeitsökonomie.
Natürlich hätte die Welt bereits Möglichkeiten, utopische Ideale umzusetzen. Das wird eher nicht passieren. Wahrscheinlicher ist ein bedingungsloses Grundeinkommen und unbegrenztes Breitbandinternet. Je nach Anspruchshaltung könnte das allerdings ohnehin Utopia darstellen. Letztlich eine Geschmackssache.
