Gastkommentar ••• Von Gerald Grünberger
WIEN. Ein bewegtes Medienjahr neigt sich dem Ende zu, doch gab es auch viel Bewegung? Ein Blick auf die Regelungen, sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene, lässt erkennen, dass im abgelaufenen Jahr mehrere für Medien relevante Materien beschlossen wurden.
Palette an Vorhaben
Die Palette reicht von der Verordnung zur Künstlichen Intelligenz, über den „European Media Freedom Act” – der in Wahrheit einen Schritt in die unternehmerische Unfreiheit bedeutet –, den Digital Services Act und Digital Markets Act, das Online-Terrorinhaltebekämpfungs-Gesetz, die Novelle zum Medientransparenzgesetz, das Wiener Zeitungs-Gesetz, das den schmerzlichen Verlust eines weiteren Tageszeitungstitels brachte, die lang ersehnte Förderung für Qualitätsjournalismus bis hin zum ORF-Gesetz samt neuem Beitragssystem. Sofern die Gesetzesmaterien nicht ihren Ursprung auf europäischer Ebene nehmen und in den Mitgliedsstaaten direkt in Kraft treten – eine Entwicklung, die immer häufiger zu beobachten ist –, handelt es sich entweder um die nationale Umsetzung europäischer Vorgaben oder die legistische „Reparatur” aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidungen.
Umbruch am Werbemarkt
So geschehen beim ORF-Rundfunkgebührengesetz oder zuletzt bei einer kleinen Novelle zum Mediengesetz. Was fehlt? Der medienpolitische Blick in die Zukunft und der damit verbundene Wille, das österreichische Mediensystem so abzusichern, dass Österreichs Medien ihrer Public Watchdog-Funktion nachkommen können. Der ökonomische Druck aufgrund des Umbruchs am Werbemarkt und zusätzlicher regulatorischer Maßnahmen im Bereich der Werbung wird für alle klassische Medien auch 2024 zunehmen.
Ein Wahljahr als Chance
Das Wahljahr 2024 bietet umgekehrt jedoch die Chance, den Blick der wahlwerbenden Parteien in diese Richtung zu schärfen. Ordoliberale Medienpolitik, die den gesamten Markt berücksichtigt und damit fairen Wettbewerb, nachhaltige Arbeitsplätze und österreichische Identität schafft, anstatt kleinteiliger Regulierung. Der Wunsch nach dem sprichwörtlich „großen Wurf” wird bei zahlreichen Branchenveranstaltungen immer wieder artikuliert. Gelingt dieser nicht, werden wohl weiterhin praxisferne Regulierungsvorschläge aus Brüssel oder die Höchstgerichte die Medienpolitik bestimmen.