Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
VERSPIELT. „Entering Twitter HQ – Let that sink in” twitterte Elon Musk am Mittwoch, als er die Firmenzentrale in San Francisco besuchte. Das Scherzchen dahinter: Musk trägt ein Waschbecken ( „sink in” – wirken lassen/Waschbecken rein; mit Stand Donnerstagmittag: 850.000 Likes). „Chief Twit” nennt er sich bereits; am heutigen Freitag könnte die umstrittene Übernahme der Social Media-Plattform durch den Tesla-Chef abgeschlossen sein.
Dem Deal ging einige Unruhe voraus: Musk äußerte sich zuletzt mit betont unreflektierten Friedensplänen zum Ukraine-Konflikt zu Wort, in dem sein Satelliten-Internet Starlink eine fundamental wichtige Rolle spielt, er gilt als Verteidiger einer „absolutistischen” Meinungsfreiheit in der Auslegung des ehemalige US-Präsidenten Trump und seine gezielt unüberlegten Tweets versetzen regelmäßig die Börsen in Unruhe. Von demokratischen Entscheidungsprozessen und staatlicher Regulierung hält er nichts. Seit April dieses Jahres provozierte Musk Twitter-Management und Aktienkurs mit thematisch wechselnden Attacken. „Genie” unterstellt man ihm ebenso wie „Wahnsinn”. Auf der weltweit wahrscheinlich wichtigsten Plattform für den modernen Journalismus könnten unruhige Zeiten anbrechen.
Wenn der Waschbär grüßt
Andererseits hat das Konzept der Aufmerksamkeitsökonomie inzwischen nicht nur das moderne Marketing, sondern auch die klassische Wirtschaftstheorie überrannt. „Der Clickbait ist zur wichtigsten ökonomischen Geste geworden. Rar sind nicht die Waren, sondern die Hirne, die sie konsumieren sollen”, hieß es in der Zeit schon vor fünf Jahren in einem Beitrag unter dem bezeichnenden Titel „Der Waschbär grüßt, wir klicken”. Und wenn jemand weiß, wie man Aufmerksamkeit erregt, dann ist das Elon Musk, der reichste Mann der Welt. Eines seiner bekanntesten Zitate: „Die Formel für Erfolg ist einfach. Beginnen Sie etwas in dem Bereich, in dem Sie wirklich gut sind.”