Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
QUERSCHAU. Wien hat gewählt. Das Ergebnis hatte durchaus einige überraschende Aspekte, die Meinungsforscher waren, rückblickend, dann doch etwas forsch in ihren Ansagen zur Schwankungsbreite – und jetzt kommen sie wieder auf uns zu: die scheinbar ewig währenden Sondierungspalaver, heiter begleitet von den redundanten Fragen der Kolleginnen und Kollegen aus der Innenpolitik und den ewig ähnlich ausweichenden, strategisch wohldurchdachten Verweigerungsritualen. Next Stop: Oberösterreich, Landtagswahl. Nächstes Jahr. Man darf ganz vorsichtig und leise auf halbwegs coronafreie Umstände hoffen.
Hypothesen
Themenwechsel: Schon einmal von der Euphemismus-Tretmühle gehört? Sie ist eine sprachwissenschaftliche Hypothese, die für Interessierte im Bereich politisch-korrekter Sprachmaßnahmen einiges einfach zum Nachdenken beinhaltet. Sie besagt – danke, Wikipedia –, „dass jeder Euphemismus irgendwann die negative Konnotation seines Vorgängerausdrucks annehmen wird, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändern”. Wobei, „Euphemismus” ist hier der falsche Begriff … Es geht vielmehr um die Korrektur diskriminierender Sprachhandlungen, die sich ständig selbst überholt. Ein Perpetuum mobile der Sprachkritik.
Beispiele dafür? „Alleinerziehend”, „bildungsfern”, „Migrationshintergrund” … Denksportaufgabe: Welche Ursprungswörter wurden mit diesen korrigierenden Euphemismen entschärft? Inzwischen jedoch sind auch all diese Neologismen wieder auf der Liste der sozialen Unwörter gelandet. Sie dreht sich, die Tretmühle. Fazit? Unklar. Die Euphemismus-Tretmühle ist ein Begriff, den Steven Pinker geprägt hat, Harvard-Professor mit Schwerpunkt Psychologie der Sprache, der sich immer wieder mit unkonventionellen Theorien und Erkenntnissen unbeliebt macht – auch wegen seines Beharrens darauf, dass es so etwas wie eine in der Gehirnstruktur fix verankerte menschliche Natur gibt.