Quo vadis, ORF?
© Presseclub Concordia/Zojer
Finanzierung und Publikum Harald Fidler diskutierte mit Matthias Karmasin über die Auswirkungen unterschiedlicher Finanzierungformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
MARKETING & MEDIA Laura Schott 10.05.2019

Quo vadis, ORF?

Wie der ORF in Zukunft finanziert wird, ist mehr als nur eine ­monetäre Frage: Es geht um seine Leistung in der Demokratie.

••• Von Laura Schott

WIEN. Die jüngsten Ereignisse wie der verbale Angriff von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky auf „ZiB”-Moderator Armin Wolf lassen den öffentlichen und politischen Diskurs über die Landesgrenzen hinaus um Themen wie die Pressefreiheit kreisen – und führen ihn damit regelmäßig auch auf die Frage nach der Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurück: Wie soll der ORF künftig organisiert und vor allem finanziert werden?

Das Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung (CMC) nahm die aktuelle Debatte zum Anlass, um die Auswirkungen der Rundfunkfinanzierung auf den Publikumserfolg in 17 europäischen Ländern zu untersuchen. Über die Ergebnisse der Studie diskutierte vor Kurzem Standard Etat-Chefredakteur Harald Fidler mit CMC-Direktor und ORF-Publikumsrat Matthias Karmasin im Presseclub Concordia.

Mehr als Finanzierungsfragen

Die Rundfunkmärkte sind heute liberaler, das Internet allgegenwärtig und für jeden zugänglich. Kurz: Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in Europa Konkurrenz bekommen und muss sich für sein Privileg der Gebührenfinanzierung immer öfter rechtfertigen. Dem einzig mit einer Neuordnung der ORF-Finanzierung zu begegnen, hält Karmasin jedoch für unzulänglich. Es gebe viele weitere Ansatzpunkte, die es bei einer nachhaltigen Zukunftsgestaltung des ORF zu berücksichtigen gelte. Die politische Unabhängigkeit etwa, die Karmasin im Falle einer Finanzierung des ORF aus dem Staatsbudget als gefährdet sieht. Er beschreibt die Budgetfinanzierung als „Mogelpackung”, die einen politischen Hebel im ORF bewirken soll, und plädiert für „anständigen Journalismus”, der die Politik im Sinne einer vierten Gewalt zu kontrollieren hat: „Wenn die Politik einmal zufrieden ist darüber, wie über sie berichtet wird, müssen wir uns ernsthafte Sorgen machen.” Der ORF solle Interessen darstellen, aber keinen Interessen dienen.

Budget vs. Unabhängigkeit

Im Rahmen der CMC-Studie konnte ein Zusammenhang zwischen der Art der Finanzierung des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der wahrgenommenen politischen Unabhängigkeit desselben festgestellt werden: Veranstalter mit hohen öffentlichen Mitteln werden von der Bevölkerung als unabhängiger von politischem Druck eingeschätzt. In Österreich tun das immerhin 48% der Bevölkerung, unterdurchschnittlich ist dieser Wert etwa in Spanien (20%) und Lettland (25%) – jene Länder, deren Finanzierung aus dem Staatsbudget erfolgt. „Bei der Glaubwürdigkeit geht es auch immer um Anschein und Vermutung”, kommentiert Karmasin die Ergebnisse und betont, dass die Glaubwürdigkeit selbst bei einer legistisch perfekt ausgearbeiteten Budgetfinanzierung, die eine politische Einflussnahme auf den ORF unmöglich macht, sinken würde, weil die Bevölkerung dieser schlichtweg misstraue.

Und auch auf andere Bereiche hat die Höhe der verfügbaren Mittel Einfluss: Rundfunkveranstalter mit hoher öffentlicher Finanzierung haben höhere Marktanteile und eine höhere Bedeutung als Nachrichtenquelle. Der ORF etwa stellt für 46% der Bevölkerung die Hauptnachrichtenquelle außerhalb des Internet dar und erreicht damit im europäischen Vergleich einen Spitzenwert.

Gesellschaftlicher Diskurs

Der Frage, welche Finanzierungsform die für den ORF am besten geeignete ist – die Beibehaltung der GIS-Gebühr, eine Haushaltsabgabe oder die Budgetfinanzierung – sollte laut Karmasin eine breite gesellschaftliche Debatte über die Erwartungen an den öffentlichen Rundfunk vorangestellt werden. Wie etwa in der Schweiz, wo es seit heuer eine Haushaltsabgabe gibt, nachdem sich die Schweizer sich mehrheitlich gegen eine Abschaffung der Rundfunkgebühren ausgesprochen haben.

Doch auch die Förderung des privaten sowie freien zivilgesellschaftlichen Rundfunks müsse überdacht werden, denn auch diese gelten als wichtige Elemente einer funktionierenden demokratischen Gesellschaft.

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