••• Von Gianna Schöneich
WIEN. Am 20. Juni titelt der Standard „Siri bleibt dumm – wie Apple erneut einen Trend verschlafen hat”; und weiter: „Im Vergleich mit Amazon und Google hinkt Apple bei digitalen Assistenten hinterher – die Kritik an Tim Cook wird lauter.” Dem stimmt Michael Katzlberger, Geschäftsführer der Agentur Tunnel23 zu: „Die besten Experten für Machine Learning arbeiten bei Google, Amazon, Tesla und Microsoft. Apple hatte einen Vorsprung, den sie leider komplett verspielt haben. Ich glaube, dass Tim Cook angezählt ist. Er ist ein Verwalter des Erbes von Steve Jobs und kein Visionär.”
In Katzlbergers Büro steht neben dem Schreibtisch ein Surfbrett, auf dem Tisch wartet Alexa, ein intelligenter persönlicher Assistent. Alexa sieht aus wie eine große Lautsprecherbox und sie weiß einiges.
Sie nennt Katzlberger die Uhrzeit, Fußballergebnisse, dreht die Musik leiser und bestellt Waschmittel. Bald soll sie noch mehr können.
Misslungene Diplomarbeit
Katzlberger ist begeistert. Indes: Als er Ende der 90er seine Diplomarbeit zum Thema „Werbung im Internet” schrieb und in diese eine Animationen einbaute, stieß er auf wenig Zustimmung. Die Prüfer verstanden die Animationen nicht – „im Grunde hatte ich damals schon die ersten Online-Werbemittel gebaut”, sagt Katzlberger. Mit seinem Partner Diego del Pozo hat er sich auf digitale Werbung spezialisiert. Vor wenigen Wochen lud ihn Google ein nach Mountain View.
Die Agentur Tunnel23 besteht seit 2001; schon zu Beginn durften sich die Geschäftsführer über einen großen Kundenstamm mit vielen großen Kunden freuen, wie tele.ring, die früh begannen, digital zu werben.
Mit klassischer Werbung hat man bei Tunnel23 nichts zu tun: „Mich hat klassische Werbung ehrlich gesagt nie interessiert. Ich wollte immer etwas machen, was sich bewegt. Damals waren das noch einfache Animationen, später Videos. Als das Video kam, waren wir natürlich begeistert, und immer mehr Kunden sind auf diesen Zug aufgesprungen”, erzählt Katzlberger. Immer mehr Unternehmen wenden sich an die Agentur, welche die aktuelle „Loyal ist nicht egal”-Kampagne für T-Mobile digital umgesetzt hatte.
Derzeit möchte sich Katzlberger mit seiner Agentur neu positionieren: „Wir sind oft nur in der zweiten Reihe gestanden und haben anderen Agenturen zugeliefert. Aber jetzt wollen wir nach vorn. Wir hatten in der Vergangenheit häufig das Gefühl, dass über uns ein falsches Bild kursiert. Denn wir sind kein nur produzierendes Unternehmen, sondern eine Werbeagentur mit eigener Konzeptionsabteilung und schreiben digitale Konzepte von Herzen gern. Wir haben jetzt ein Team dafür, das ausschließlich hiermit beschäftigt ist.”
Alles aus einer Hand?
Um mehrere Fachbereiche abzudecken und die Kampagnenkonzeption zu verbessern, stellte die Geschäftsführung außerdem eine Mitarbeiterin ein, die ursprünglich aus einer Media-Agentur kam. Auf die Frage, ob Unternehmen nicht lieber alles aus einer Hand haben möchten und auf Fullservice-Agenturen zurückgreifen würden, erklärt Katzlberger: „Jene Kunden, die das Thema verstanden haben, haben sehr bald bemerkt, dass man spezialisierte Agenturen braucht. Das gilt für viele Bereiche.”
In Mountain View besitzt Google 32,5 Hektar Bürofläche. Gesprochen wurde in erster Linie über Artificial Intelligence, erzählt Katzlberger – ein großes Thema, auch für seine Agentur. „Wir beschäftigen uns beim Thema künstliche Intelligenz mit Sprach- und Bilderkennung. Wir können mit diesen Technologien z.B. Fotoanalysen durchführen – wir können so beispielsweise aus Tausenden Fotos eines Events sagen, wie viele Personen dabei eine Brille trugen. Aus den Erkenntnissen lassen sich weitere Maßnahmen ableiten – zum Beispiel neue Kampagnenkonzepte. Man kann plötzlich Analysen durchführen, die früher undenkbar waren.”
Spracherkennung
Vor allem aber reizt Katzlberger das Thema Spracherkennung: „In Zukunft werden die Leute, wegen Techniken wie Alexa und Google Assistant, seltener auf das Smartphone oder in den PC sehen. Nachrichten werden über den Sprachcomputer laufen müssen – für Publisher bedeutet das, heute schon Skills für Alexa und andere zu schreiben. Denn sie wird künftig die Nachrichten den Menschen überbringen.” Derzeit schreibt Tunnel23 an diesen sogenannten Skills.
Das sei aktuell das wichtige Thema – später müsse man sich dann mit neuen Werbeformen beschäftigen; diese könnten in Richtung Radiowerbung gehen, erklärt Katzlberger. Vor allem für körperlich beeinträchtigte Menschen würden Technologien wie Alexa neue Möglichkeiten eröffnen, beispielsweise für blinde Menschen.
Viele Anfragen für neue Skills gibt es derzeit noch nicht: „Die Anfragen werden mit der Verbreitung der Endgeräte steigen. Derzeit ist die Technologie noch sehr jung. Aber man kann davon ausgehen, dass die Entwicklung so vonstatten gehen wird, wie mit dem Smartphone; zu Beginn hatte nicht jeder ein Smartphone.” 2030 wird man mit Alexa wie mit einem Menschen sprechen können, meint Katzlberger. Letztlich würde in ihr eines Tages das gesamte Wissen der Menschheit stecken. Was allerdings mit den Sprachrobotern alles möglich ist, entscheiden die Big Player des Markts, Google, Facebook und Amazon.
Innovative Projekte
Für Tunnel23 werden künstliche Intelligenzen weiterhin ein Thema sein, aber auch im Bereich Konzeption will man sich weiter verbessern. „Wir wollen weiterhin immer wieder innovative Projekte machen, die besonders sind. Beim Thema künstliche Intelligenz haben wir jetzt schon begonnen, die ersten Skills für Alexa zuschreiben. Je tiefer wir in die Materie eintauchen, desto genialer wird es.”