So gut wie niemand will Vollzeit arbeiten
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MARKETING & MEDIA Redaktion 28.10.2022

So gut wie niemand will Vollzeit arbeiten

Wertschätzung ist ein Grundbedürfnis und das flexible Arbeiten ein Instrument für mehr Lebensqualität, so die Teilnehmer eines ÖMG-Panels.

Die Österreichische Marketinggesellschaft (ÖMG) lud zum hybriden Pressroom-Talk bei der APA ein. Diskutiert wurden die Themen New Work, Diversität und die Wünsche der aktuell vier Generationen im Jobleben im Bereich MarCom.

Das Podium widmete sich dem Thema „New generations, new demands. Worauf die Changemakerinnen und Gamechanger von morgen Wert legen”. Das Podium war hochkarätig mit Ulla Havas-Harsch (Randstad) und Katharina Miller (Jobtwins), Kosima Kovar (Ada), Jürgen Bauer (Werbung Wien) und Manfred Gansterer (ÖMG) unter der Moderation von Alexander Oswald besetzt.

Schnelle Lösung ist gefragt

„Wer kann es sich leisten, darauf zu verzichten, mehr Lösungsansätze in kürzerer Zeit zu finden?”, fragte Manfred Gansterer am Ende einer spannenden Diskussion zu New Work, Diversität, Inklusion und neuen, flexibleren Arbeitsmodellen u.a. im MarCom-Bereich.

Immer deutlicher kommt auch im Bereich MarCom (Marketingkommunikation) der Fachkräftemangel an. Es mutet da schon fast kurios an, dass seitens der Unternehmen viel Potenzial an Wissensarbeitern nicht oder deutlich zu wenig in den Markt eingebunden wird. Denn: „Viele Frauen finden nicht mehr in die Arbeit zurück, weil die Jobs meist nur in Vollzeit ausgeschrieben werden. Ihr Wissen geht dem Markt quasi verloren”, so Katharina Miller. Damit „produziere” man für viele, denen aufgrund ihrer Lebensplanung nicht möglich ist, in Vollzeit zu arbeiten, ein Problem.
Bestätigt wird dies durch Jürgen Bauer, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in der Wirtschaftskammer Wien und seine brandaktuelle Employer Branding-Studie. „Der Arbeitsdruck wird von 37 Prozent aller Befragten in unserer Studie klar am häufigsten genannt, wenn es um die unattraktiven Faktoren der Branche geht. Grundsätzlich wird die Branche aber dennoch aufgrund ihrer Gestaltungsmöglichkeiten für Themen und Anliegen in der Öffentlichkeit als sehr attraktiv empfunden.”
„Teilzeit” wird insbesondere dann zu einem starken Thema, wenn es um Lebensqualität geht. Der Wunsch nach Teilzeitmodellen ist in der Marketingkommunikations-Branche enorm hoch. „So gut wie niemand will Vollzeit arbeiten. Das Konzept 40 Stunden Job ‚stresst' die Mitarbeitenden nahezu aller Generationen geschlechterübergreifend. Man will das Gefühl haben, flexibel auch für andere Dinge im Leben Zeit zu haben”, so Bauer weiter. Und: „Führen bleibt einem nicht erspart. Denn Menschen wollen ihren Freiraum, aber sie wollen ganz klar auch Führung”, bestätigt Ulla Havas-Harsch.

Vier Generationen präsent

Studienzahlen von Havas-Harsch bestätigen, dass „wir aktuell erstmals vier Generationen im Arbeitsprozess haben. Diese Bandbreite an Bedürfnissen und Sichtweisen sorgt durchaus für Spannungen”.

Das offensichtlichste verbindende Element ist dabei aber „Wertschätzung”. „Sie geht über alle Generationen und jeden Joblevel”, so Katharina Miller, Mitgründerin von Jobtwins. Keine der Generationen, die aktuell im Arbeitsprozess ist, kann darauf verzichten, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, offene Dialoge zu führen und jene Dinge anzusprechen, die im Gesamtgefüge der Job- und Arbeitswelt wichtig sind.

„Jeder in einem Job will Wertschätzung. Das hängt auch eng mit ‚mental health' zusammen, die dabei ein wesentlicher Faktor ist. Denn: Wertschätzung ist, analog zur Maslowschen Bedürfnispyramide, ein menschliches Grundbedürfnis”, so Kosima Kovar, Gründerin von Ada.

Das Gute für alle Arbeitgeber: In der Teilzeitarbeit liegt enorm viel Potenzial. Darin ist sich das Podium einig. „Viele Menschen schaffen in Vollzeit nicht das, was andere in Teilzeit hinbekommen”, so Ulla Havas-Harsch. Hier habe Corona viel verändert. Prangerte man damals die fehlende Produktivität an, so lobt man diese heute insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten.

Neue Demands im Kommen

Organisationsprobleme seitens der Arbeitgeber, die die Leistungsbereitschaft unterschätzen, sehen alle am Podium als Hauptproblem im Umstellungsprozess auf die neuen „Demands” an. Dabei sind sich alle einig, dass es „ausschließlich ein Thema für Führungskräfte” ist, sich umzustellen.
Die PR-wirksam diskutierte Vier-Tage Woche ist aus Sicht der Podiumsteilnehmer nur bedingt eine Lösung. Denn ihr fehlt es deutlich an Flexibilität. Arbeitgeber sind gefordert, deutlich aktiver zu führen und anzunehmen, dass es um die Leistung geht und dabei die Unflexibilität bei der zeitlichen Gestaltung diese Arbeitsleistung tatsächlich drosselt.
„Teilzeit ist vielfach noch nicht akzeptiert und eher die Ausnahme und sie ist – quer über alle Branchen – meist noch ein weibliches Thema”, meint Jobtwins-Gründerin Katharina Miller. „Der „neue” Modus lautet: Auf Augenhöhe zusammenarbeiten, offen Dialoge führen, Dinge ansprechen”, so Jürgen Bauer.

So richtig divers

Diversität, Inklusion und echte Gleichberechtigung ist eine wirkliche Umstellung allerorts. In global orientierten Unternehmen und Konzernen müssen dem Topmanagement meist Schulungen „verordnet” werden. Egal, wie mühevoll die Umstellung und wie schwierig neue Sichtweisen anzunehmen sind – es lohnt sich.

„Wenn echte Diversität in den Teams angekommen ist, sehen die Manager das auch rasch in den positiven Ergebnissen und verstehen die Sinnhaftigkeit”, so Manfred Gansterer.
Die MarCom-Branche hat in Sachen Diversität kein Problem. „Diese sollte allerdings noch in den obersten Führungsrängen Platz greifen” ergänzt Moderator Alexander Oswald. „Wir müssen zu einem neuen Selbstverständnis finden und die Transformation, die wir unseren Kunden predigen, auch selbst praktizieren”, so Bauer abschließend. (red)

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