••• Von Britta Biron
Künstliche Intelligenz ist das Top-Thema und damit auch die Frage, welche Chancen, Risiken und Veränderungen sie im Marketing bringen wird. Darüber hat medianet mit den beiden Invitario-Geschäftsführern Stefan Grossek und Christoph Hütter gesprochen.
medianet: KI ist bei der derzeit laufenden Invitario-Umfrage ein Schwerpunktthema. Wie halten Sie es selbst mit dem Einsatz von KI?
Stefan Grossek: Wir arbeiten bereits in fast allen Unternehmensbereichen mit KI – etwa im Content-Team, das wir gerade aufbauen, werden verschiedene KI-Tools zur Themenfindung, Optimierung von Texten, Bild-erstellung oder Datenanalyse eingesetzt. Wir ermutigen alle Teams, KI so umfangreich wie möglich zu nutzen. Uns war von Anfang an klar, dass wir mit KI keine Arbeitsplätze ersetzen – schließlich lässt sich menschliche Kreativität nicht durch Codes generieren –, sondern diese Technologie als nützliches Instrument einsetzen wollen, mit dem wir die Power unserer Kommunikation erhöhen. So können wir auch als kleineres Unternehmen mehr bewegen, als es bisher möglich war.
medianet: Wie schätzen Sie das Risiko ein, dass KI Arbeitsplätze vernichtet?
Grossek: Natürlich ist die Versuchung groß, vieles der Software zu überlassen. Wie man gerade bei Axel Springer oder Bild sieht, werden vermutlich viele Stellen in Redaktionen und Marketingabteilungen wegfallen. Das sehe ich kritisch. Denn auch mit KI wird es nicht einfacher werden, originäre Inhalte mit Mehrwert zu generieren und sich im immer intensiveren Wettbewerb um Aufmerksamkeit zu behaupten. Nur weil KI eine unendliche Flut von Inhalten auf Knopfdruck liefern kann, heißt das ja noch lange nicht, dass wir Menschen mehr Inhalte als bisher verarbeiten können oder empfänglicher dafür sind. Außerdem bleibt abzuwarten, ob die Qualität von KI-generierten Inhalten den Ansprüchen der Rezipienten genügen wird. Was das tatsächlich für die aufwendige manuelle Erstellung von Inhalten bedeutet, bleibt abzuwarten.
medianet: Verzicht auf die neue Technik ist aber trotz möglicher Schattenseiten keine Option …
Grossek: Nein, KI ist dabei, alle Bereiche des Marketings nachhaltig zu verändern, und es ist jedenfalls klar, dass wir uns mit ihr arrangieren und sie in unsere Geschäftsprozesse integrieren müssen. Wenn einzelne Tätigkeiten beschleunigt oder ersetzt werden oder sich die Wertschöpfungskette verschiebt, eröffnen sich auf anderen Ebenen neue Möglichkeiten. Im Idealfall erreichen wir gerade im Marketing ein ganz neues Level an Effektivität und Effizienz, von dem alle profitieren.
Christoph Hütter: KI ermöglicht es, Daten besser zu nutzen, um die Kommunikation auf die spezifischen Bedürfnisse und Interessen von Zielgruppen oder einzelnen Personen abzustimmen. Dadurch gewinnt die Beziehung zu den Stakeholdern an Qualität, wodurch Marketing- oder Vertriebsziele leichter erreicht werden.
medianet: Wo sehen Sie die wichtigsten Vorteile von KI speziell im Bereich des Eventmarketings?
Hütter: Events sind eine besonders spannende Antithese zu KI, denn sie sind geprägt von kaum ersetzbaren manuellen Prozessen und leben zum Teil auch von unvorhersehbaren Situationen. Mehr Gegensatz geht nicht. Dennoch sehen wir, dass Eventmarketing mit KI auf eine ganz neue Ebene gehoben werden kann und dadurch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Denn Events sind eine besonders gute Möglichkeit, im direkten Kontakt mit den Teilnehmern viele wertvolle Informationen zu erheben, um diese im Nachgang für gezielte Maßnahmen in Vertrieb, Marketing oder HR-Abteilungen zu nutzen.
Was Eventmarketing im Zeitalter von KI aus unserer Sicht aber besonders spannend macht, ist, das bisher kaum genutzte Potenzial von Events als Quelle originären Contents zu nutzen. Inhalte in Form von Präsentationen, Vorträgen oder Workshops sind neben dem Networking die wichtigsten Motive für die Teilnahme an Business-events. Meist erreichen diese mit viel Aufwand erstellten, hochwertigen Informationen jedoch keinen weiteren Personenkreis außerhalb der eigentlichen Veranstaltung. Unterstützt durch KI, können Eventinhalte ausgewertet und weitgehend automatisiert für verschiedene Kanäle und Formate aufbereitet werden. So kann in Zukunft deutlich mehr Nutzen und ROI aus Events generiert werden.
medianet: Aktuell wird viel darüber diskutiert, ob und wie KI reguliert werden kann und soll. Wie sehen Sie das?
Hütter: Ich halte es für essenziell, eine Diskussion über regulatorische Maßnahmen zu führen. Dabei gilt es, die unterschiedlichen Kategorien von KI entsprechend einzuordnen und eine Abwägung des Risikos zu treffen. Im Bereich der General AI besteht wohl ein höheres Risiko als beispielsweise bei Machine Learning oder Generative AI. Jedoch besteht die Gefahr, dass Regulierungen eher schaden, indem sie Innovationen bremsen und den Wettbewerbsvorteil zugunsten weniger regulierter Regionen verschieben. Umso wichtiger ist ein tiefgehender Diskurs zwischen Experten, Behörden, Unternehmen und Gesellschaft, um den besten Nutzen aus dieser Technologie zu erzielen.