Verschlimmbesserung
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MARKETING & MEDIA Redaktion 05.05.2023

Verschlimmbesserung

Im Pressefreiheitsranking holpert Österreich in den vergangenen Jahren abwärts. Eine Zwischenbilanz der heimischen Medienpolitik.

Gastkommentar ••• Von Fritz Hausjell

WIEN. Nach Rang 31 im Vorjahr belegt Österreich im internationalen Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nun den schlechten Platz 29. Die Medienministerin Susanne Raab sagte vor einigen Tagen bei Armin Wolf in der „ZIB2” des ORF sich selbst lobend, dass sie innerhalb eines Jahres in der Medienpolitik sehr viel weitergebracht habe. Blicken wir also auf ihre Zwischenbilanz.

Bescheidener Entwurf

Ein Bundeskanzler und sein Medienbeauftragter traten 2021 von ihren Ämtern zurück, weil die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft schwere Korruptionsvorwürfe erhoben hat. Zwischen einem Medium, einem Ministerium mit viel Ausgaben bei Regierungsinseraten und instrumentalisierter Umfrageforschung soll zugunsten des Bundeskanzlers öffentliches Geld eingesetzt worden sein. Teile einer Branche standen alsbald unter Generalverdacht.

Die neu installierte Medienministerin reagiert trotz anderer Empfehlungen von fachlicher Seite im Vorjahr mit einem bescheidenen Gesetzesentwurf. Künftig wird „ab dem ersten Euro” alles transparent. Doch die fachliche Korrektheit der Inseratenaufträge soll nicht kontrolliert werden. Damit können sanktionslos weiterhin willkürlich an freundlich berichtende oder aber erpresserische Medien große Werbeaufträge von Ministerium und Bundeskanzleramt vergeben werden.

Politisches Kleingeld

Bereits 2017 hätten journalistische Medien sich über eine neue Förderung des Qualitätsjournalismus freuen können, doch das von Medienminister Thomas Drozda ausverhandelte Gesetz wurde dann von den Kurz-Leuten in der Koalition verhindert. Die Kern-Mitterlehner-Regierung sollte keine Erfolge mehr haben, Mitterlehner machte Kurz Platz. Zwar geht sechs Jahre später das Qualitätsförderungsgesetz in die richtige Richtung. Aber bescheiden budgetiert wird sie mit 20 Millionen Euro im Jahr. Zudem kann man sie nicht als modern bezeichnen.

Inklusive, diverse und punkto sozialer Herkunft breiter aufgestellte Redaktionen diskutiert die Medienbranche zwar gerne, Maßnahmen für buntere Redaktionen, die mehr Vielfalt in den journalistischen Zugängen begünstigen, bleiben aber weiterhin ohne Fördermittel.
Zu viele Defizite schlagen in der österreichischen Medienpolitik zu Buche. Eindeutig positiv wirkte sich auf den Index zwar der Umstand aus, dass 2022 nur ganz wenige Anti-Corona-Demos stattfanden und damit die regelmäßigen Angriffe gegen berichtende Journalistinnen und Journalisten zurückgingen. Aber inzwischen werden neue Themen in Demos antidemokratischer Kreise bespielt, und wir beobachten ähnliche Bedrohungen der Berichterstattung. Wenn die Sicherheitspolitik nicht rasch sicherstellt, dass die Polizei die Pressefreiheit bei öffentlichen Kundgebungen nicht genauso gewährleistet wie das Grundrecht Demonstrationsfreiheit, sind die zwischenzeitlich gewonnenen Punkte im Ranking rasch wieder verloren. Drängend ist auch die Frage, wann endlich eine stärkere Entparteipolitisierung der Steuerungsgremien des ORF passiert?
Ein kleiner Tipp: Wer wirklich den Aufbruch zu besseren Rahmenbedingungen für journalistische Medien wagen will, sollte ausführliche Bildungsreisen antreten, zum Beispiel nach Norwegen, Schweden oder Irland, das zuletzt im Ranking von Reporter ohne Grenzen von Platz sechs auf zwei vorgestoßen ist. Oder in die Niederlande, die den Wiederaufstieg von Platz 28 auf Rang sechs innert eines Jahres schafften.


Fritz Hausjell ist Kommunikationswissenschafter und außerordentlicher Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft.

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