Von Beginn an den ­richtigen Riecher gehabt
© Marketagent.com
MARKETING & MEDIA Laura Schott 15.03.2019

Von Beginn an den ­richtigen Riecher gehabt

Als einer der ersten überhaupt erkannte Marketagent.com-Gründer Thomas ­Schwabl vor fast 20 Jahren das Potenzial reiner Online-Befragungen als Methodik.

••• Von Laura Schott

Was als One-Man-Show begann, ist heute eines der führenden Online-Marktforschungsinstitute im deutschsprachigen Raum. Marketagent.com hat sich die Digitalisierung zunutze gemacht und forscht mittlerweile in 60 Märkten weltweit. Dass sich das Unternehmen so entwickeln würde, war jedoch nicht von Anfang an klar, erzählt Geschäftsführer Thomas Schwabl. Als er Marketagent.com vor 19 Jahren gründete, herrschten noch große Zweifel an der Methodik, die sich schon damals auf reine Online-Befragungen beschränkte: „Ich hatte einen schlechten Start und habe gedacht, es würde nicht funktionieren. Nach eineinhalb Jahren wollte ich verkaufen.”

Günstiger, schneller, besser

Dass sich damals kein Institut fand, das Interesse an Marketagent.com hatte, könnte man heute wohl als großes Glück bezeichnen, denn der Lauf der Zeit kam Marketagent.com. zugute. Mit dem steigenden Grad an Digitalisierung habe sich auch in der Marktforschung das Bild gedreht, erklärt Schwabl: „Heute holen wir mit Online-Befragungen die Auftraggeber genau bei ihren Needs ab: Es ist günstiger, es ist schneller und man kann in den Fragebögen besser visualisieren.” Durch die Allgegenwärtigkeit des Internets erreiche man die Menschen außerdem sehr viel effizienter.

Verschwimmende Grenzen

Dass Marketagent.com sich die Vorteile digitaler Markt- und Meinungsforschung zunutze gemacht hat, ist jedoch nur ein Pfeiler des anhaltenden Erfolgs. Auch strategisch hat man das Potenzial der letzten zwei Jahrzehnte erkannt: „Wir haben früh gemerkt, dass Ländergrenzen in Zeiten der Digitalisierung immer weniger eine Rolle spielen.” Dass der Markt für Marktforschung in Österreich immer kleiner wird – jährlich um fünf bis zehn Millionen Euro –, tat das Übrige, und so weitete Schwabl seine Aktivitäten zunächst auf den D-A-CH-Raum aus, auf den bald weitere europäische Länder folgten.

Mehr oder weniger automatisch kamen Überseemärkte wie die USA und südamerikanische Länder dazu, die durch die Übersetzung der Applikation ins Englische und Spanische ebenfalls Zugang zu Umfragen erhielten. Mit Indien ist Marketagent.com mittlerweile bei Markt Nummer 60 angekommen – und hier soll erst mal Schluss sein, sagt Schwabl, denn eine weitere Länderexpansion sei nicht sein primäres Ziel.

Big Data: Fluch und Segen

Statt durch Quantität wolle man nämlich viel mehr durch Qualität wachsen. „Wir möchten vor allem unseren Innovationsgeist erhalten und am Puls der Zeit bleiben”, erklärt Schwabl. Gelegenheiten dazu gibt es in Zeiten der Digitalisierung genug, das heißeste Thema der Marktforschungsbranche ist im Moment aber mit Sicherheit Big Data.

Laut Schwabl führe Big Data dazu, dass die Datenerhebung per se sehr viel unwichtiger wird. Und zwar ganz einfach aus dem Grund, dass sie in ihrem herkömmlichen Sinn vielfach nicht mehr notwendig sein wird: „Wenn dein Kühlschrank mir sagt, wie viel Milch du im Monat verbrauchst, dann muss ich das nicht mehr erfragen. Wenn dein Auto mir sagt, wie gut, wie schnell und wie sicher du fährst, dann muss ich das nicht mehr erfragen.” Ein großer Vorteil davon sei, tatsächlich unverfälschte Ergebnisse zu erhalten, die frei von jeglichem sozial erwünschten Verhalten sind – sozusagen aus allererster Hand.

Kunden wollen Empfehlungen

Auf den ersten Blick nimmt Big Data Marktforschern damit einen Teil ihres Marktes weg, doch wenn man genauer hinsieht, verschiebt sich nur der Fokus. „Was Big Data nämlich nicht kann, ist, dir das Motiv eines bestimmten Verhaltens zu liefern. Big Data kann mir zwar sagen, wie schnell du mit dem Auto fährst, aber nicht, warum du es tust”, erklärt Schwabl. Die Marktforschung erfährt damit einen Paradigmenwechsel: Es gehe immer mehr um die Motive für ein Verhalten oder auch darum, warum man etwas nicht tut, als um das tatsächliche faktische Verhalten.

Auch die Bedürfnisse der Kunden hätten sich verändert. Die visuelle Aufbereitung der Daten werde immer wichtiger und als Ergebnis wünsche sich der Kunde heute weit mehr als nackte Zahlen und Tabellen: „Du darfst dich nicht mehr hinter der Zahl verstecken. Der Kunde möchte am Ende des Tages nicht ein Blatt Papier mit Ziffern um ein paar Tausend Euro, sondern kurz und knackig eine Empfehlung oder zumindest eine Entscheidungsgrundlage.” Anstatt Ergebnisse und Studien „stupide runterzuerzählen”, müsse man als Marktforscher dem Kunden heute eine richtige Story liefern. Big Data könne man sich hier zunutze machen, sagt Schwabl, denn durch die Anreicherung der Befragungen mit anderen Datenquellen ergeben sich vielseitige Möglichkeiten.

Im eigenen Interesse

Diese Möglichkeiten nutzt Marketagent.com nicht nur für Kunden, sondern auch für Projekte, die das Unternehmen regelmäßig im Eigeninteresse umsetzt. Erst kürzlich etwa hat Marketagent.com Herrn und Frau Österreicher einen Tag lang begleitet und ihre täglichen Routinen unter die Lupe genommen. Dass die Studie so detailreich war, gelang durch die Kombination von über 100 Sekundärdaten – wie etwa Geburten, Scheidungen, Müllverschwendung oder Bierkonsum – mit den eigentlichen Befragungsdaten. „Dadurch konnten wir eine viel lustigere Geschichte erzählen”, sagt Schwabl. Die Geschichte schaffte es dann sogar in den ‚Ö3-Wecker' und die ‚Zeit im Bild'. Aber warum eigentlich Marktforschungsprojekte realisieren, die nicht bezahlt werden?

Research Bees und ein Award

„Unsere Methodik erlaubt es uns, große Studien ohne viel Aufwand und vor allem ohne hohe Kosten sehr schnell umzusetzen”, sagt Schwabl. Detaillierte Studien, die es in der Form noch nicht gab, hätten dem Unternehmen zu einer sehr positiven Außendarstellung verholfen, die es in Zukunft auch durch vom eigentlichen Business unabhängige Projekte weiter fördern will.

Und so steckt Marketagent.com für jede Neuanmeldung rund um den Welttag der Biene im Mai 50 Cent in die Ansiedelung neuer Bienenstöcke am Leithagebirge. Die ‚Research Bees' sollen die heimische Bienenpopulation stärken und werden – natürlich – von einer umfassenden Studie zum Thema Bienen in Österreich begleitet. Vor Kurzem hat Marketagent.com als erstes österreichisches Unternehmen den „Social Friday” eingeführt und stellt seine Mitarbeiter nun einmal im Quartal für ein soziales Engagement frei. Und damit auch die Branche nicht zu kurz kommt, hat er den ‚Infografik Award' ins Leben gerufen, der die visuelle Darstellung von Daten auszeichnen wird. Wer den Award gewinnt, wird aber nicht durch eine Jury, sondern durch eine Online-Befragung entschieden.
Der Fantasie setzt man bei Marketagent.com jedenfalls keine Grenzen und man darf gespannt sein auf das, was noch kommt.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL